„Jedermann“ Tobias Moretti über die Aktualität von Hofmannsthals Stück über das Sterben des reichen Mannes
Das Stück hat mehrere zentrale Themen, die Figuren sind alles Allegorien, jede steht für sich. Wie sich die Figuren verschränken und zueinander stehen, kann man ja mal nicht nur in der Behauptung bearbeiten, sondern vielleicht mit einem Zugang, wie man auch an andere Theaterstücke herangeht und an konkrete Figuren: der Tod, der Mammon, die Werke, der Arme Nachbar, und natürlich auch die Buhle.
Hybris und Erkenntnis sind die neuralgischen Punkte. Ich muss aus einer Erkenntnis heraus agieren und nicht aus Angst vor dem Sterben. Sonst habe ich ja völlig umsonst gelebt. Damit habe ich auch textlich gearbeitet, gerade das war mir wichtig.
Wir haben uns für die Hofmannsthal’sche Originalfassung entschieden, diese allerdings an bestimmten Stellen einem zeitgenössischen Blick unterworfen. Sonst kommt man irgendwann aus diesem ideologischen Korsett nicht mehr heraus. Das ist ein mehr als üblicher Vorgang, auch im Umgang mit deutschen Klassikern. Ich finde, dass der Jedermann in vielen Momenten gut gebaut ist – und in manchen eben nicht. Da muss ich mich thematisch und sprachlich damit auseinandersetzen – aber natürlich immer in Bezug auf Hofmannsthal, in Bezug darauf, was das Genie Hofmannsthal sonst noch geschrieben hat, auf literarische Vorgaben wie zum Beispiel die hochpoetischen Terzinen über Vergänglichkeit.
Wenn man die frühen Werke Hofmannsthals liest, wundert man sich über sein klischeehaftes Schwarz-Weiß-Denken in Glaubensfragen im Jedermann. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass er in dritter Generation konvertiert und so brav katholisch war. Aber das kann man anders interpretieren, allgemeingültiger, wenn man von der Essenz des Stückes etwas in unsere Zeit hinüberretten will.
Die Werke beispielsweise sind der Spiegel des eigenen Ichs, also der Konjunktiv dessen, was man hätte tun können als Mensch – und es nicht getan hat. Damit, mit der Selbsterkenntnis im Augenblick des Todes, umzugehen interessiert mich. Im Spiegel, den einem die Werke vorhalten, erkennt man die eigene Zerrissenheit, wie sehr man sich zerrieben hat in dieser Welt und wie sehr man am Eigentlichen vorbeigelebt hat. Darüber erzählt das Stück: über Erkenntnis und Nichterkenntnis.
Der Mensch holt sich doch den Teufel als besten Freund. Noch bevor ich über meine Figur nachgedacht habe, war mir das ein wichtiger Aspekt. Damit schließt sich der Kreis, jede der Allegorien ist tatsächlich ein Teil vom Jedermann. So wie beispielsweise auch die Figur des Armen Nachbarn.
Hofmannsthal und Reinhardt haben die Buhlschaft einerseits als Muse à la Alma Mahler gesehen, andererseits als das reine, unschuldige Mädchen – beides eine Männerfantasie. Nach unserer Vorstellung muss die Buhlschaft eine andere Intensität zum Jedermann entwickeln, vielleicht sogar eine Nähe. Es gibt ja auch eine Erotik der Intimität.
Jedermann ist der Prototyp eines hybriden und uns heute sehr bekannten Typs Mann. Aber er hat eine Allgemeingültigkeit, über die geschlechtliche Zuordnung hinaus, für den Zustand des Hier und Jetzt des Menschen an sich.
„Jedermann“
Regie: Michael Sturminger
mit Tobias Moretti, Caroline Peters (Buhlschaft),
Edith Clever, Mavie Hörbiger,
Peter Lohmeyer u.a.
Domplatz am 1., 3., 6., 8., 10., 11., 13., 14., 17., 20., 22., 23., 24., 26. August
www.salzburgfestival.at