Die hochgelobte israelische Serie „Teheran“ orientiert sich auch in der zweiten Staffel an realpolitischen Ereignissen.
VON MICHAEL PEKLER
Als vor wenigen Monaten die festgefahrenen Gespräche zum Atomdeal mit dem Iran wieder einmal aufgenommen wurden, hielten sich Zuversicht und Pessimismus die Waage. Immerhin handelte es sich um die bereits achte Auflage der 2015 begonnenen Verhandlungen – und der Schaden, den Donald Trump mit dem Ausstieg der USA aus den Verhandlungen verursacht hatte, war erheblich: Das in der Zwischenzeit in Teheran erworbene technologische Wissen ging trotz Sanktionen wohl kaum verloren.
„Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Diplomatie der beste Weg ist, um dieses Ziel zu erreichen“, so US-Präsident Joe Biden, der Trumps Scherben auch hier aufkehren muss. Anders sieht das Israels Ministerpräsident Yair Lapid, für den nur eine „glaubwürdige militärische Drohung“ den Iran vom Besitz nuklearer Waffen abhalten kann. „Das Einzige, was den Iran aufhalten wird, ist die Gewissheit, dass die freie Welt Gewalt anwenden wird, wenn das Land sein Atomprogramm weiter ausbaut“, so Lapid bei den Verhandlungen in Katar.
Man braucht diese Informationen aus der diplomatischen Wirklichkeit nicht unbedingt, um auch die zweite Staffel von Teheran (auf Apple TV+) als eine der aktuell spannendsten TV-Serien zu erleben, die von der Realpolitik gespeist werden: Während die Diplomatie am grünen Tisch darum ringt, dass das iranische Urananreicherungsprogramm im Gegenzug für eine Lockerung der Sanktionen kontrolliert werden darf, liefert sich im Serienformat der israelische Geheimdienst einen packenden Kampf mit seinem iranischen Pendant.
Mit der Fortsetzung der zu Recht hochgelobten Spionageserie hat sich nun allerdings das Szenario verschoben: Nachdem in der ersten Staffel die iranischstämmige Mossad-Agentin Tamar (Niv Sultan) den Auftrag hatte, das gegnerische Raketenabwehrsystem zu hacken, um einen israelischen Luftangriff auf einen Atomreaktor zu ermöglichen, stehen nun die Zeichen auf Defensive. Für Tamar geht es einerseits darum, in der iranischen Metropole nicht geschnappt zu werden, andererseits die – in der ersten Staffel geknüpfte – Beziehung zum oppositionellen Studenten Milad (Shervin Alenabi) weiterhin für eigene Zwecke zu missbrauchen. Und sich nicht zuletzt über familiäre Umwege – einen Sohn, der dem Nachtleben und Edeldrogen nicht abgeneigt ist – an den neuen Führer der Revolutionsgarde heranzupirschen, der von der Atombombe für den Gottesstaat träumt und gegen den jeder Hardliner als Weichei dasteht.
„It’s not that Israel is good and Iran is bad.“ Zum Start von Teheran vor zwei Jahren bemerkte Autor und Showrunner Moshe Zonder (Fauda) in mehreren Interviews, dass es ihm, auch als ehemaligem Journalisten, wichtig sei, den sogenannten Erzfeind Israels vor allem in einer israelischen Produktion nicht als das ultimative Böse zu zeichnen. Und tatsächlich bemüht sich Teheran um ausreichend Schattierungen und psychologische Grauzonen – ohne dabei die konventionellen Genreregeln zu missachten.
Die hitzige Atmosphäre der ersten Staffel bestimmt denn auch die – abermals durchgehend von Daniel Syrkin inszenierte und in Athen gedrehte – Fortsetzung, womit nicht nur der Undercover-Agentin keine Zeit zum Verschnaufen bleibt. Selbst zwischen den Verfolgungsjagden, Wortgefechten, Prügeleien und Camouflagen hält Teheran das Erzähltempo fortwährend hoch und lässt das Bodenpersonal auf den Straßen Teherans getrieben wirken: im Kampf gegen den Feind, im Wettlauf gegen die Uhr und unter Druck gesetzt von Vorgesetzten, die aus sicherer Entfernung die Befehle erteilen. Einzig die Psychologin Marjan (Glenn Close), die sich vorgeblich um die psychisch labile Frau von Geheimdienstchef Faraz (Shaun Toub) kümmert, wirkt in diesem Szenario wie ein Fremdkörper, der plötzlich in Gestalt eines US-Stars auftaucht. „We are playing a long game here“, meint sie über die breit angelegte Mossad-Operation. Derart treffend könnte man auch Teheran als Serie beschreiben.