Ausgewählte Entscheidung

Blick vom Miniaturenkabinett aus in das Maria Theresien-Zimmer. Hier werden neue Regierungen angelobt, internationale Gäste empfangen und vom neuen – oder alten – Bundespräsidenten persönlich begrüßt. © HBF/Carina Karlovits

Am 9. Oktober findet die Bundespräsidentenwahl 2022 statt. Alexander Van der Bellen kandidiert für eine zweite Amtszeit und geht als hoher Favorit ins Rennen. Doch was denken die Kandidaten über die Beziehungen Österreichs zu Israel, Antisemitismus und die BDS-Bewegung? Vierundzwanzig Antworten auf sechs Fragen als Orientierungshilfe.

©Laura Heinschink_HBF

Alexander Van der Bellen (Die Grünen)


Sind Sie für eine Verlegung der österreichischen Botschaft nach Jerusalem?

Ich bin vor allem für die Einhaltung von geltendem Völkerrecht und für eine Zwei-Staaten-Lösung. Die österreichische Botschaft hat derzeit ihren Sitz in Tel Aviv und ich sehe derzeit keinen Anlass für eine Verlegung der Vertretungsbehörde nach Jerusalem.

Befürworten Sie die strategische Partnerschaft zwischen Österreich und Israel?

Natürlich. Österreich kann sich viel von Israel abschauen, namentlich in Forschung und Technologie oder der überaus lebendigen Start-up-Szene. Davon konnte ich mich auch selbst im Frühjahr 2019 bei meiner Reise nach Israel überzeugen.

Hat Österreich aufgrund seiner Vergangenheit eine besondere Verantwortung gegenüber Israel?

Österreich hat aufgrund seiner historischen Verantwortung eine besondere Beziehung zu Israel. Die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern haben sich in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt und erstrecken sich heute über alle Bereiche. Dies ist besonders erfreulich, wenn man bedenkt, dass Österreich so lange gebraucht hat, um sich dem dunkelsten Kapitel seiner Geschichte zu stellen.

Besteht für Sie ein Unterschied zwischen Antisemitismus und Antiislamismus?

Klar ist, alle Formen von rassistischen Ressentiments sind zu verurteilen. Klar ist auch, dass Österreich eine besondere historische Verantwortung gegenüber Jüdinnen und Juden hat. Und daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung den Antisemitismus zu bekämpfen. Österreich hat die Definition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance angenommen und eine Nationale Strategie gegen Antisemitismus erarbeitet.

Würden Sie aus Solidarität mit Israel die israelische Fahne auf dem Dach der Präsidentschaftskanzlei hissen, wenn die Hamas Raketen gegen Israel abfeuert?

Ich wurde im Mai 2021 gefragt, ob auch die Präsidentschaftskanzlei aus Solidarität mit Israel im Gaza-Krieg die israelische Fahne hissen wolle. Ich habe damals erklärt, dass die Sicherheit Israels zwar Teil der Staatsraison Österreichs ist, aber das Hissen der Fahne als implizites Einverständnis mit allen Handlungen der israelischen Regierung interpretiert werden könnte. Es gab damals auf beiden Seiten zivile Opfer. Ich habe seinerzeit mit meinem israelischen Amtskollegen telefoniert und ihm gegenüber meine Anteilnahme ausgedrückt. Meine grundsätzliche Position in dieser Frage hat sich nicht geändert.

Wie stehen Sie zur BDS-Bewegung? Wie unterscheiden Sie Israelkritik von Antisemitismus?

In einer von allen Parteien getragenen parlamentarische Entschließung vom Februar 2020 werden Antisemitismus und die BDS-Bewegung verurteilt. Israelkritik ist dann zu verwerfen, wenn sie antisemitisch motiviert ist.

©Parlamentsdirektion/Simonis

Walter Rosenkranz (FPÖ)

 

Sind Sie für eine Verlegung der österreichischen Botschaft nach Jerusalem?
Wie die meisten Länder halten wir uns an das Völkerrecht beziehungsweise an die völkerrechtlichen Beschlüsse der UNO.

Befürworten Sie die strategische Partnerschaft zwischen Österreich und Israel?

Eine solche Partnerschaft besteht seit den Ländern bereits seit langer Zeit. Auch wirtschaftlich gibt es enge Verflechtungen.

Hat Österreich aufgrund seiner Vergangenheit eine besondere Verantwortung gegenüber Israel?

Ja.

Besteht für Sie ein Unterschied zwischen Antisemitismus und Antiislamismus?

Ich sehe das Kürzel „Anti“ generell problematisch. Offene und sachliche Kritik sollte innerhalb einer Demokratie möglich sein, ohne gleich den Stempel „Anti“ tragen zu müssen. Die Richtigkeit einer Aussage mit gleichzeitigem Respekt vor divergierenden Meinungen bleibt die Grundlage eines zivilisierten Umgangs. Es ist leider eine beliebte Reaktion geworden, Fakten mit dem Kürzel „Anti“ zu quittieren (siehe Siedlungspolitik Israels).

Würden Sie aus Solidarität mit Israel die israelische Fahne auf dem Dach der Präsidentschaftskanzlei hissen, wenn die Hamas Raketen gegen Israel abfeuert?
Das Hissen ausländischer Fahnen stellt aus meiner Sicht eine neutralitätswidrige Parteinahme dar. Da der Nahe Osten eine politisch sehr sensible Region ist, bleibt die rigorose Einhaltung der Neutralität das Gebot der Stunde. Eine politische Meinung zu haben ist jedermanns Recht. Aber sich als neutraler Staat in Konflikten diplomatisch zu exponieren, ist unvereinbar mit der Verfassungsarchitektur, welche von Österreichs Gründervätern ersonnen wurde.

Wie stehen Sie zur BDS-Bewegung? Wie unterscheiden Sie Israelkritik von Antisemitismus?
Die BDS-Bewegung wurde im Februar 2020 im Nationalrat einstimmig verurteilt.

©MFG-Menschen-Freiheit-Grundrechte

Michael Brunner (MFG)

Sind Sie für eine Verlegung der österreichischen Botschaft nach Jerusalem?
Ich bin gegen die Verlegung der österreichischen Botschaft nach Jerusalem, weil dies den Konflikt wohl weiter befeuern würde. Sofern Israel darüber ein Einvernehmen mit Palästina herstellen kann, würde nichts dagegensprechen.

Befürworten Sie die strategische Partnerschaft zwischen Österreich und Israel?

Grundsätzlich bin ich für eine vertiefende Zusammenarbeit mit Israel. Auch die Erschließung neuer Gasfelder im Mittelmeer finde ich sinnvoll. Hier wäre aber vorher von Israel ein Konsens mit jenen Ländern herzustellen, die ebenfalls Anspruch auf solche Gasfelder erheben.

Hat Österreich aufgrund seiner Vergangenheit eine besondere Verantwortung gegenüber Israel?

Österreich hat wegen seiner Vergangenheit unbestritten eine besondere Verantwortung gegenüber den jüdischen Mitbürgern und generell allen Opfern des Nationalsozialismus zu erfüllen. Eine Blanko-Übertragung dieser Verantwortung auf den Staat Israel finde ich allerdings weniger zielführend.

Besteht für Sie ein Unterschied zwischen Antisemitismus und Antiislamismus?

Ich lehne jede Diskriminierung aufgrund von religiösen oder anderen Merkmalen grundsätzlich zutiefst ab. Religion ist Privatsache und sollte als solche auch grundrechtlich entsprechend qualifiziert geschützt werden.

Würden Sie aus Solidarität mit Israel die israelische Fahne auf dem Dach der Präsidentschaftskanzlei hissen, wenn die Hamas Raketen gegen Israel abfeuert?
Konflikte haben oft eine lange Geschichte und müssen an der Wurzel geklärt werden. Nur beharrliches Verhandeln hilft Konflikte zu lösen. Symbolische Gesten helfen da wenig.

Wie stehen Sie zur BDS-Bewegung? Wie unterscheiden Sie Israelkritik von Antisemitismus?

Am Beispiel von Russland sehen wir, dass Sanktionen kaum Wirkung zeigen. Deswegen lehne ich auch Sanktionen – egal gegen welche Konfliktpartei – ab. Es muss immer, auch wenn es mitunter sehr mühsam ist, das Gespräch gesucht und eine zukunftsfähige Lösung gefunden werden. Israelkritik muss natürlich möglich sein – so wie auch Palästina kritisiert werden kann. Antisemitismus lehne ich zutiefst ab.

©Siegfried Leitner

Dominik Wlazny alias Marco Pogo (Bierpartei)

Sind Sie für eine Verlegung der österreichischen Botschaft nach Jerusalem?

Diplomatie ist ein wesentlicher Bestandteil zum Friedenserhalt. Uns ist der Dialog wichtig – unabhängig vom Standort der Botschaft in Israel!

Befürworten Sie die strategische Partnerschaft zwischen Österreich und Israel?

Was bedeutet „strategisch“ für ein neutrales Land wie Österreich? Selbstverständlich befürworte ich alles, was friedliche Ziele verfolgt – von Wirtschaftsbeziehungen über Kultur und Jugendaustausch bis hin zur Aufarbeitung unserer gemeinsamen Geschichte.

Hat Österreich aufgrund seiner Vergangenheit eine besondere Verantwortung gegenüber Israel?

Österreich hat eine Verantwortung den Juden und Israel gegenüber. In Österreich leben heute noch 8000 bis 10.000 Juden, das Leid ihrer Vorfahren ist unermesslich. Und auch heute ist Solidarität mehr denn je gefragt – denken Sie nur an die Menschen, die aus der Ukraine flüchten mussten, davon ebenfalls 200.000 Juden. 

Besteht für Sie ein Unterschied zwischen Antisemitismus und Antiislamismus?

Es gibt Antisemitismus und Islamophobie – bei beiden geht es um Ausgrenzung und Intoleranz, beides folgt rassistischen Motiven . Daher verurteile ich aus tiefstem Herzen jede rassistische Handlung. Wofür ich mich hingegen als Bundespräsident laut einsetzen und auch stehen werde: Toleranz und Humanität!

Würden Sie aus Solidarität mit Israel die israelische Fahne auf dem Dach der Präsidentschaftskanzlei hissen, wenn die Hamas Raketen gegen Israel abfeuert?

Ich würde mit jedem demokratischen Land, das angegriffen wird, solidarisch sein.

Wie stehen Sie zur BDS-Bewegung? Wie unterscheiden Sie Israelkritik von Antisemtismus?

Der österreichische Nationalrat ist geschlossen gegen die BDS und den israelbezogenen Antisemitismus eingetreten. Die BDS betreibt unter dem Deckmantel des Antizionismus echten Antisemitismus, der sich gegen einzelne Menschen richtet. Es kann doch nicht sein, dass gegen einen israelischen Künstler, der nach Europa kommt, demonstriert wird, da wird dämonisiert. Und auch wenn die BDS von Jean-Luc Godard unterstützt wird, da kann ich nicht mit: Da lob‘ ich mir Lady Gaga, Helen Mirren oder auch Nick Cave, die gegen den von der BDS organisierten Kulturboykott wettern.


Anm. d. Red.: Tassillo Wallentin (Rechtsanwalt, „Krone“-Kolumnist) beantwortete bis Redaktionsschluss unsere Fragen nicht. Zu dieser Umfrage haben wir die bis dahin feststehenden Interessenten für die Kandidatur angefragt.

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