Gebaut in Form eines Davidsterns, hat das Museum of Jewish Heritage in New York die Mission, den Menschen die Vielfältigkeit des jüdischen Lebens zu zeigen – aber auch die Gefahr der Intoleranz, die zum Holocaust geführt hat.
Von Peter Weinberger (Text und Fotos)
Das Museum of Jewish Heritage in New York verfügt nicht nur über eine bestechende Architektur (Architekt Kevin Roche), sondern auch über eine ganz besonders beeindruckende Lage, nämlich am Rande des Battery Parks, der Südspitze Manhattans, im Uferbereich des Mündungsgebiets des Hudson. Eindrucksvoll ist auch die Größe des Museums, das eine Fläche von knapp 10.500 m2 bedeckt. Das Museum wurde im September 1997 eröffnet, der heutige Eingangsbereich liegt im 2001 hinzugefügten Robert-M.-Morgenthau-Flügel. Der Zusatz zum Namen des Museums, A Living Memorial to the Holocaust erinnert daran, dass es der Erinnerung an den Holocaust gewidmet ist.
Galerie des Hasses
Mit den drei Stationen, die die permanente Ausstellung bietet, wird der Versuch unternommen, die Geschichte der Juden in den letzten rund 200 Jahren, also vor, während und nach dem Holocaust, zu dokumentieren. Dieser Absicht entsprechend durchläuft die Ausstellung die Themen Jewish Life a Century Ago, The War Against the Jews und Jewish Renewal. Gezeigt werden Gegenstände des Alltags, Photographien, Dokumente und historische Filme. Man geht zunächst gewundene Gänge mit Schauvitrinen auf beiden Seiten entlang, die – und darauf ist das Museum stolz – mitunter „lebende Objekte“ enthalten, nämlich Leihgaben von jüdischen Familien, die diese sich für familiäre Zwecke immer wieder eine Zeit lang zurückholen. Schließlich gelangt man in die Ära des einsetzenden politischen Antisemitismus und der Vorzeichen physischer Vernichtung.
In diesem Teil trifft man viele aus anderen Ausstellungen oder zeitgeschichtlichen Büchern wohlbekannte Objekte an: Die Wände sind bedeckt mit Zeitungsausschnitten und Plakaten. Es ist eine Galerie des Hasses, die man hier betritt und die direkt in die Faktizität industrieller Vernichtung führt. Plötzlich ist man konfrontiert mit Bildern und Zeugnissen aus Theresienstadt und aus den Vernichtungslagern. Hier wird eindringlich dargestellt, dass es viele, ganz viele waren, die den Holocaust nicht überlebt haben. Wände voll von unzähligen Photos, voll mit vielleicht den einzigen Spuren, die Menschen hinterlassen haben. Selbst für zeithistorisch Bewanderte erweist sich die Dichtheit der Informationen in diesem Teil des Museums als bedrückend, die Notwendigkeit des Erinnerns und Nichtvergessens wird einem (wieder einmal) bewusst. Zugleich wird der Eindruck vermittelt, dass eine Dokumentation der Vernichtung keinerlei individueller Namen bedarf. Die vielen nebeneinander gefügten Photos ergeben ein einziges Bild.
„Schtetl-Identifikation“
Der vielleicht am wenigsten beeindruckende Teil des Museums ist jener der sich mit der Zeit nach dem Holocaust (Jewish Renewal) beschäftigt – auch, weil sich das Danach im Prinzip auf viele Länder zu beziehen hätte und nicht nur auf Israel und die USA beschränkt ist. Es ist gut, dass das Museum im Anschluss an die permanente Ausstellung über freie, sozusagen informationslose Flächen verfügt, die zum Beispiel einen Blick auf den Steingarten werfen lassen, in dem, Überleben symbolisierend, aus gewaltigen Steinen Zwergeichen hervorsprießen.
Der oberste Stock des Museums beherbergt einen sehr großen Saal für temporäre Ausstellungen und weitere Flächen für Kontemplation. Zur Zeit ist eine Ausstellung von Photos zum und aus dem Krieg zwischen Nazideutschland und der Sowjetunion zu sehen. Gezeigt werden an die 50 Photos bekannter sowjetischer Photoreporter. Zum Teil belegen diese Photos das erste Entdecken von Nazigräueln. Die kalte, brutale Härte der Schwarzweiß- Bilder ist kaum zu überbieten.
Fast wie eine Belohnung dafür, bis zum Schluss ausgehalten zu haben, bietet das Museum schließlich noch einen großartigen Blick auf die Freiheitsstatue und auf Ellis Island. New- York-Besucher sollten nicht darauf verzichten, diesem Museum einen Besuch abzustatten. Es ist nicht auf der 5th Avenue, entlang der Museumsmeile, zu finden, sondern dort, wo einem vielleicht erstmals bewusst wird, dass New York eine Stadt an einem Ozean ist.
Einige kritische Anmerkungen müssen allerdings schon gemacht werden. Während der ausgestellten Faktizität des Holocausts kaum etwas hinzuzufügen ist, leidet die Ausstellung der Vor- und Nachholocaustzeit ein wenig unter einem etwas eingeschränkten Geschichtsbild, sozusagen an der „Mainstream“-Nachkriegsideologisierung des Judentums an sich, an einer „Schtetl-Identifikation“. Dem kulturellen Erdbeben, das die Assimilation von Juden in Europa um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert herbeiführte, wird das Museum nicht gerecht. Zugegebenermaßen kein leichtes Unterfangen, aber wert, darüber nachzudenken. Dies trifft zum Teil auch auf die Zeit nach 1945 zu, die etwas zu „amerikanisch“ dargestellt wird. Was die Museumsdidaktik betrifft, scheint die Vermittlung von Musik generell zu fehlen, auch die der Theresienstadt-Komponisten. Schade, denn das Hören ist sehr oft genauso wichtig wie das Sehen, es ist bloß nicht so einfach „ausstellbar“.
Museum of Jewish Heritage – A Living Memorial to the Holocaust
Edmond J. Safra Plaza
36 Battery Place New York, NY 10280
www.mjhnyc.org
Öffnungszeiten:
Sonntag bis Dienstag 10 bis 17.45 Uhr
Mittwoch 10 bis 20 Uhr
Freitag 10 bis 15 Uhr von November bis März
Freitag 10 bis 17 Uhr vom 15. März bis 8. November
Eintrittspreise:
$ 12 Erwachsene, $ 10 Senioren, $ 7 Studenten
NU dankt der Kuratorin des Museums, Ilona Moradof, und Pressebetreuerin Betsy Aldredge für ihre engagierte und freundschaftliche Hilfe.