Israel wird in Österreich seit kurzem erstmals von einer Frau vertreten, Talya Lador-Fresher folgt als Botschafterin auf Zwi Heifetz, der nach Moskau übersiedelte. Danielle Spera und Peter Menasse haben mit der Diplomatin über ihre Ziele als Vertreterin des jüdischen Staates in Wien gesprochen.
FOTOS: MILAGROS MARTÍNEZ-FLENER
NU: Frau Lador-Fresher, Österreich ist für Sie kein ganz unbekanntes Terrain. Sie sind Mitteleuropa familiär verbunden.
Lador-Fresher: Meine Mutter wurde 1930 in Berlin, mein Vater 1922 in Leipzig geboren. Die Familie meiner Mutter kam schon vor dem Krieg nach Palästina. Die Familie meines Vaters wurde in der Schoa ermordet, meine Familie teilt das Schicksal vieler deutscher Juden. Meine Mutter ist zwar in Berlin geboren, doch sie fühlte sich ihr Leben lang als Israeli. Obwohl Deutsch die Muttersprache meiner Eltern war, haben sie zu Hause nie Deutsch gesprochen, nur Hebräisch, allerdings hat mein Vater immer in Deutsch gerechnet. Meine Eltern hatten mit der deutschen Sprache, mit deutschen Produkten, etc. immer ein Problem.
Was würden Ihre Eltern heute dazu sagen, dass so viele junge Israelis nach Berlin ziehen?
Mein Vater ist leider schon tot, aber er wäre sehr stolz, wenn er wüsste, dass ich hier Botschafterin bin, gerade von Bundespräsident Fischer die Akkreditierung bekommen habe und dann die Ehrengarde abgeschritten bin, während man die Hatikva gespielt hat. Das hätte ihn sehr glücklich gemacht.
Junge Israelis lernen Deutsch, ziehen nach Berlin, aber Wien ist nicht in ihrem Fokus. Warum ist das so?
Ich denke, es ist ein Trend. Vielleicht ändert sich das. Berlin ist eine sehr offene, pluralistische Stadt, wenn ich z. B. an LGBT (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender) denke, das haben Tel Aviv und Berlin gemeinsam.
Ihr Vater war schon Diplomat. Hat das Ihren Wunsch beeinflusst, in die Diplomatie zu gehen?
Was ich bin, bin ich wegen ihm.
Sie haben gesagt: „Es ist schwer, Diplomat zu sein, schwerer noch ein israelischer Diplomat zu sein, und noch schwerer, ein weiblicher israelischer Diplomat zu sein.“
Es ist definitiv hart, Diplomat zu sein, alle vier Jahre muss man mit seiner Familie von einem Ort zum nächsten ziehen, sich immer neu orientieren, denn es ist überall anders. An manchen Orten spricht man die Landessprache, an anderen nicht, an manchen Orten findet man leicht Freunde, an anderen nicht. Und ein israelischer Diplomat zu sein hat einen weiteren Nachteil, weil natürlich immer die Security an deiner Seite ist – you never walk alone. Auch die Familie wird Teil des Security-Pakets, das ist eine Herausforderung.
Als ich als Diplomatin begann, war der Staat Israel 40 Jahre alt, zu diesem Zeitpunkt gab es erst vier Botschafterinnen. Also hatte ich kaum Vorbilder. Jetzt gibt es viele von uns und ich bin glücklich, die erste weibliche Botschafterin in Wien zu sein und auch die erste weibliche israelische Botschafterin im deutschsprachigen Raum, das ist eine besondere Freude.
Doch Israel hatte eine weibliche Premierministerin.
Das hat der Diplomatie auch nicht geholfen.
Hat das Geschlecht eine Auswirkung auf die Performance? Handelt eine weibliche Botschafterin anders als ein männlicher Botschafter?
Ich würde sagen, in Bezug auf den Inhalt nicht, aber wie man ihn umsetzt vermutlich schon.
Was wollen Sie hier in Wien erreichen, welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich werde versuchen, die jüngere Generation anzusprechen, junge Österreicher mit jungen Israelis zusammenzubringen. Wenn ich mir überlege, was Wien besonders macht, dann denke ich immer an die Vergangenheit, an die großartige jüdische Geschichte dieser Stadt, aber auch an die tragischen Teile der österreichischen Geschichte – den Holocaust. Doch es gibt so viel mehr als den Holocaust, daher möchte ich nach vorne schauen und überlegen, was wir zusammen mit der jungen Generation tun können. Ich denke z. B. daran, eine wissenschaftliche Vereinbarung zu erarbeiten, die es erlaubt, dass junge Menschen projektbezogen im jeweils anderen Land leben können, dann werden sie sich neben Berlin auch von Wien angezogen fühlen. Ich möchte gerne mehr israelische Kultur hierherbringen. Israel hat viel zu bieten, wichtige Schriftsteller, großartige Filme oder modernen Tanz.
Und in wirtschaftlicher Hinsicht?
Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und Israel sind nicht annähernd so ausgeprägt wie zu Deutschland. Besonders dort, wo wir stark sind, z. B. im Hightech-Bereich. Zu guter Letzt möchte ich versuchen, in Österreich die israelischen Dilemmas zu erklären. Ich möchte Verständnis dafür erreichen. Israel steht ständig unter Bedrohung. Wie geht ein Land, das hohe ethische Standards hat, mit ständiger Bedrohung um? Die USA haben das nach 9/11 erlebt und ich frage mich, wie Europa auf den Terror in Paris reagieren wird, es betrifft ja nicht nur Paris, sondern ganz Europa.
In Israel passieren nun täglich Messerattacken. Wie reagieren die Israelis darauf?
Ich denke an die zweite Intifada, als ständig öffentliche Busse in die Luft gesprengt wurden. Damals mussten wir entscheiden, an welches Gymnasium unser Sohn gehen soll, wir haben uns dann für eine Schule nahe unserer Wohnung entschieden, damit er nicht mit dem Bus fahren muss. Die Menschen haben ihr Leben geändert, doch es war schwierig, denn ohne Autobus kommt man in Israel nicht weit. Heute weiß man nicht, wie man sich vor den Messerattacken schützen soll. Doch wir müssen zu einem normalen Leben zurückkehren, denn am Ende des Tages will keiner von uns, dass diese Terroristen es schaffen, unser Leben zu beeinträchtigen, die Freude dürfen wir ihnen nicht machen.
Wie gehen Sie mit dem negativen Image um, das Israel in Europa hat?
Ich denke, Israel ist ein gutes Vorbild, wenn es um High-Tech geht oder um Kultur. Doch es wäre gut, die Menschen zum Nachdenken zu bringen, warum wir das tun, was wir tun. Wir versuchen unser Bestes, dass wir keine unschuldige Zivilisten verletzen. Aber am Ende des Tages passiert es. Wenn Frankreich jetzt weiter Syrien bombardiert, wird es unmöglich sein, unschuldige Zivilisten nicht zu verletzten. Was sollen sie tun? Sollen sie gar nichts tun?
Israel muss für seine Siedlungspolitik jetzt den Preis eines Boykotts bezahlen, wie beurteilen Sie das?
Es ist schwierig, in Europa für unsere Siedlungspolitik Verständnis zu finden, da bin ich realistisch. Wir haben bereits mehrmals bewiesen, dass wir uns von Territorien zurückziehen, wenn wir einen Partner haben. Wir haben es mit Ägypten erzielt, sind aus dem Sinai abgezogen und 2005 aus Gaza. Wenn wir mit den Palästinensern zu einer Einigung kommen, sind wir zu einem Abzug bereit. Doch es sind noch zu viele Fragen offen. Die wichtigste ist, dass es kein Einverständnis für die Zwei-Staaten-Lösung gibt, denn die palästinensische Führung will zwar einen Palästinenserstaat, doch sie erkennt den jüdischen Staat nicht an. Das zeigt, wo wir in der Beziehung mit Palästina stehen.
Der österreichische Bundespräsident war der erste hochrangige Politiker, der nach der Unterzeichnung des Abkommens in den Iran gereist ist, wie beurteilen sie das?
Wir waren darüber nicht glücklich. Israel hat seine eigene Meinung über diese Vereinbarung, und ich bin gespannt, wie die Welt reagieren wird, wenn der Iran seine Linie fortsetzt, nämlich zu täuschen und zu hintergehen. Die Machthaber im Iran sind kein Teil der Lösung, sie sind ein Teil des Problems. Es wird österreichische Firmen geben, die im Iran investieren. Diese Investitionen werden aber nicht für neue Spitäler genützt oder für die Entwicklung neuer Medikamente, sondern um die Hamas zu unterstützen, und am Ende werden sie in Form von Raketen auf uns landen.
Sie waren unlängst bei einer Rede der israelischen Menschenrechtsaktivistin Anat Hoffman anwesend, die die Regierung und die Orthodoxie in Israel stark kritisiert hat, wie geht es Ihnen dabei?
Ich denke, die jüdische Gemeinschaft ist ein Teil unserer Mischpoche, unserer Familie, da ist alles, was man sich untereinander sagt, ok. Ich kann vielen ihrer Kritikpunkte zustimmen, auch wenn sie die Regierung kritisiert, doch ich habe Bedenken, wenn derartige Kritik in Zeitungen wie dem Standard erscheint, und Menschen, die Israel nicht mögen, das lesen und sich denken „Israel ist ein schreckliches Land“, selbst Anat Hoffman hat das gesagt, während ich versuche, die Schönheit unseres Landes zu erklären, oder die Demokratie in so einer erbärmlichen Nachbarschaft. Ich denke, das macht unser Leben schwerer, das hat sie sich vielleicht gar nicht überlegt. (Interview mit Anat Hoffman, siehe Seite 37 im NU)
Das würde aber doch bedeuten, dass Israelis, die die Politik Israels kritisieren, von österreichischen Medien nicht interviewt werden sollten.
Man kann Israel immer kritisieren, sogar in den österreichischen Medien, doch es gehört in einen richtigen Zusammenhang gestellt. Wir sind eine Demokratie, daher ist es völlig legitim, die Regierung zu kritisieren. Was ich hervorheben will, ist der fehlende Kontext. Man sollte immer auch den Hintergrund vermitteln und in die Tiefe gehen. Ich möchte das auch über Social Media erreichen, das ist ein Weg, wie wir jüngeres Publikum erreichen wollen. Ihnen die Probleme, mit denen unser Land konfrontiert ist, erklären, damit sie Israel besser kennenlernen.
Schwerpunkt also Gegenwart und Zukunft.
Wenn ich an die Vergangenheit denke, möchte ich versuchen, in Österreich mehr Menschen zu finden, die während der Nazi-Zeit Juden gerettet haben, sogenannte Gerechte unter den Völkern, hier sind es verhältnismäßig wenige, die bis jetzt gefunden wurden. Aber wenn es noch Juden gibt, die von Österreichern gerettet wurden, dann möchte ich die Retter gern auszeichnen – oder deren Kinder.
Worauf sind Sie am meisten auf der Suche in Wien?
Ich würde gerne die Menschen kennenlernen. Nicht alle natürlich, aber jene, die relevant sind für meine Arbeit.
Talya Lador-Fresher stellt sich vor: https://www.facebook.com/IsraelinAustria/
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