von Nathan Spasić
NU: Warum sollten Juden und Jüdinnen bei den Nationalrats- und den EU-Wahlen die Grünen wählen?
Werner Kogler (Grüne): Weil wir Grüne auch in der Regierung von Anfang an einen Schwerpunkt auf die Unterstützung jüdischen Lebens in Österreich gelegt haben. Mit dem österreichisch-jüdischen Kulturerbegesetz wurde ein wichtiger Schritt für die kontinuierliche Förderung einer lebendigen jüdischen Kultur gesetzt. Die nationale Antisemitismusstrategie wird, in Umsetzung der Europäischen Strategie gegen Antisemitismus und Rassismus, in allen Ministerien aufgesetzt. Diese gesamtstaatliche Aufgabe wurde unionsweit als vorbildlich eingeschätzt.
Antisemitismus hat viele Facetten. Wie stellt sich diese Bedrohung in Österreich dar?
Der jährliche Bericht der IKG über antisemitische Vorfälle zeigt eine nicht hinnehmbare Steigerung an antisemitischen Angriffen auf Jüdinnen und Juden. Diese gehen von körperlicher Gewalt, wie dem Überfall auf den Vizepräsidenten der IRG, Elie Rosen, bis hin zum Tragen des Davidsterns auf Corona-Leugner-Demos. Nach den Massakern der Hamas am 7. Oktober, die den brutalsten Angriff auf Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust brachten, geht auch international die größte Gefahr von der Hamas oder ähnlichen Terrororganisationen und ihrer Sympathisant:innen aus. In diesem Zusammenhang hat die österreichische Bundesregierung die verbesserten Voraussetzungen für die Sicherheit aller Jüdinnen und Juden in Österreich geschaffen.
Bei einer erneuten grünen Regierungsbeteiligung: Welche Punkte sollen konkret im Kampf gegen Antisemitismus in das Regierungsprogramm aufgenommen werden?
Das wichtigste Versprechen ist keine Koalition mit der FPÖ, die gerade in der Corona-Leugner-Szene den Antisemitismus befeuert hat. Dazu kommt die konkrete Umsetzung der Antisemitismusstrategie durch Aufklärung und Ausbildungen an Schulen, Universitäten und dem öffentlichen Dienst, hier insbesondere der Exekutive. Wir werden jede die Aufklärung fördernde Form des Gedenkens und der Erinnerungsarbeit an die Opfer des Holocaust unterstützen. In Österreich muss die Sicherheit für Jüdinnen und Juden auch in den nächsten Jahren gewährleistet bleiben. Dafür werden wir Grüne sorgen.
Diese Garantie lässt sich aber schwer auf der Oppositionsbank einhalten. Ist es für Sie denkbar, dass die Koalition mit der ÖVP fortgesetzt wird?
Die blauen Putinbrüder sind im Kreislauf Opposition-Regierung-Anklagebank gefangen. Die Grünen sind die Einzigen, die eine klare Abgrenzung von diesen Funktionären des parlamentarischen Arms des Rechtsextremismus vornehmen. Und daher werden wir uns auch weiterhin für Allianzen gegen den Rechtsextremismus engagieren. Denn es geht um nicht weniger als um die Grundrechte, den Klimaschutz und die soziale Gerechtigkeit.
Würden Sie Amnesty International zustimmen, wonach Israel ein Apartheidstaat sei?
Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht. Das heißt noch lange nicht, dass ich der dieser Einschätzung zustimme. Dennoch sollten sich Staat und Gesellschaft mit den Argumenten Amnestys auseinandersetzen. Denn die Kraft des Landes entsteht aus seiner liberalen demokratischen Debatte und Verfasstheit.
Waren Sie schon einmal in Israel?
Nein, aber hoffentlich in nächster Zukunft einmal.
Welche konkreten Maßnahmen sollen gesetzt werden, um in Österreich gegen Hamas-Sympathisanten vorzugehen?
Es muss Konsequenzen haben, wenn die Massaker dieser Terrororganisation gegen Zivilisten bejubelt werden. Da ist Ende Gelände. Etwa bei Verhetzung weiß sich der Staat zu helfen, ebenso bei den herrschenden Verboten von Symbolen oder der Unterstützung terroristischer Organisationen. Man muss hinschauen und klar auftreten. Und es reicht nicht zu sagen: antisemitische Hetze hat hier keinen Platz. Wir haben die Strafen in diesem Bereich deshalb auch erhöht. Wer antisemitische Straftaten setzt, verwirkt das Recht auf den Erhalt der Staatsbürgerschaft. Gleichzeitig müssen wir aufpassen, dass man neben dem Kampf gegen Antisemitismus nicht wachsende antimuslimische Ressentiments und Rassismus vernachlässigt. Wir Grüne stehen für die Verteidigung der Menschenrechte aller hier lebenden Menschen.
Was wäre Ihr Lösungsvorschlag für den Nahen Osten?
Österreichs Bundesregierung ist aktuell äußerst besorgt über die Situation rund um Rafah und die Lage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und im Westjordanland. Humanitäre Waffenpausen zur Geiselfreilassung und humanitäre Versorgung angesichts von Hunderttausenden, die inzwischen vom Hungertod bedroht sind, erachten wir als essenziell. Wir lehnen Aufrufe zur Vertreibung von Palästinenser:innen aus dem Gazastreifen und in der Westbank zutiefst ab. Es muss klar sein, dass die Palästinensergebiete Teil einer von der internationalen Gemeinschaft unterstützten Zweistaatenlösung sein müssen.