Wer sonst nichts hat, dem bleibt immer noch der Distinktionsgewinn. Auch Nathan von Spasić und Ronni von Sinai hätten ihre Adelstitel gerne behalten.
Nathan: Ronni? Bist du das?
Ronni: Nathan, was machst du denn hier?
Nathan: Das frage ich mich bei dir. Du im Ritz-Carlton? Hat dich deine Frau rausgeschmissen?
Ronni: Nu, da fielen mir billigere Quartiere ein. Ich bin hier, um das Palais zu besichtigen. A gewisser Wilhelm Ritter von Gutmann war einst durch den Handel mit Kohle zu solcher gekommen. Und das offensichtlich nicht zu knapp, um sich hier niederzulassen. Investiert hat er dann in Kunst, welche eben hier zu bewundern ist.
Nathan: Der ist aber nicht blaublütig geboren, sondern erst durch seine Verdienste für die Donaumonarchie in den Adelsstand erhoben worden. Somit ein adeliger Leistungsträger, anders als die Blählippenaristokraten, die von Gottes Gnade adelig wurden und es dank Inzucht blieben.
Ronni: Genaueres über die Arbeitsbedingungen in den Kohleminen zu dieser Zeit möchte ich aber lieber nicht wissen. Obwohl Herr von Gutmann, selbst aus ärmlichen Verhältnissen stammend, sich ja sozial sehr engagiert haben soll. Mein Lieber, strebst du etwa nicht die Nobilitierung an?
Nathan: Ein Heiliger war er sicher nicht, aber vermutlich nicht so grausam wie die Adeligen und Industriellen der Zeit. Du wirst lachen, aber in meinen Venen fließt ganz leicht bläuliches Blut. Irgendwann mit der Jahrhundertwende mengte sich die Familie Ostrowski meiner bei. Für Polen nichts Besonderes, so gut wie jede Familie der oberen Mittel- und Oberschicht war Teil des Land- und Stadtadels. Mit Hochadel und Magnaten hat das natürlich nichts zu tun. Und von den Habseligkeiten ist seit Hitler und in weiterer Folge Stalin nichts mehr übrig. Nu, jetzt fühl ich mich noch mehr wie ein armer Schnorrer als davor. Vergiss deine Wurzeln nicht, wenn du nobilitiert wirst.
Ronni: Nu, mein Zahnarzt wird mich bei der nächsten Behandlung schon daran erinnern. Das Einzige, was – nebbich – an mir leicht bläulich ist, ist der Fußnagel meiner großen Zehe, da kann ich also mit dir nicht mithalten. Aber denke daran: Adel verpflichtet! Wen könnte man heutzutage wegen seiner Verdienste wohl in den Adelsstand erheben? Hmm… Karl Ritter von Nehammer wird es bei allem Respekt eher nicht werden, aber wer dann? Komm mir nicht mit dem Schallenberg, der ist ja schon einer von denen.
Nathan: Vielleicht Prinzessin Pamela von Rendi und zu Wagner? Kickl wird es jedenfalls nicht, im besten Fall ist er Hofnarr, wobei, vielleicht auch nur Narr. Weißt du übrigens was gemeint ist, wenn man in Oberösterreich ein Feld adelt? Der gemeine Plebs meint Dung ausbringen. Ob es da einen revolutionären Zusammenhang gibt, lasse ich außen vor. Aber sag, Ronni, wünschst du dir einen Kaiser?
Ronni: In der Tat! Aber wenn schon Monarchie, dann eine Kaiserin. Alte weiße Männer gibt es schon genug. Ein Trans-Kaiser aus jüdischem Adelsgeschlecht würde mir allerdings schon auch gefallen und wäre mal ein Statement.
Nathan: Ein Statement, allerdings. Theodor Herzl sagte 1895: „Wenn ich etwas sein möchte, wär’s nur ein preußischer Altadliger.” Zehn Jahre zuvor wurde Nathaniel de Rothschild zum ersten jüdischen Lord in Großbritannien. Recht interessant ist, dass im 19. Jahrhundert offenbar recht viele Juden nobilitiert wurden. Meistens als „Belohnung“ für große wirtschaftliche Errungenschaften. Adelig werden, quasi als letzte Etappe der Assimilation, um der Oberschicht wirklich angehören zu dürfen. Zum Glück endete der Adel-Spuk 1919 mit dem Adelsaufhebungsgesetz, auch wenn das viele in Österreich auch heute nicht zur Kenntnis genommen haben und gerne widerrechtlich ein „von“ vor ihren Nachnamen setzen. Anders als Sie, Herr von Sinai?
Ronni: Von Sinnen trifft eher zu. Nu, ganz ist der Spuk hierzulande noch nicht vorbei. Da das Adelsaufhebungsgesetz für die Nennung von Adelstitel im Namen noch Geldstrafen in Kronen vorsieht, ist es juristisch gar nicht anwendbar. Eine Änderung bedarf einer Zweidrittelmehrheit im Parlament, da das Gesetz im Verfassungsrang steht. Graf Bobby und Baron Rudi dürfen aber allemal ihre Titel behalten, schließlich soll es ja auch Alternativen zum jüdischen Witz geben – mit Verlaub.
Nathan: Nachdem eine Familie aus Österreich vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zog, wurde heuer ein Urteil gefällt, welches ihr das „von“ wieder zusprach. Vielleicht bringt uns die EU unseren Kaiser zurück?
Ronni: Ja, nicht nur divers und jüdisch soll er oder sie sein, sondern bitte sehr auch kommunistisch. Das Casting kann beginnen, ich wäre bereit. Nun denn, wir sind Kaiser!