VON OBERRABBINER PAUL CHAIM EISENBERG
In einer so schwierigen, traurigen Zeit, wie wir sie gerade erleben, hilft es, in die Tora zu schauen. In Bereschit, Kapitel 12, finden wir, dass der Ewige Awram ins Gelobte Land geschickt hat:
„Und der Ewige sprach zu Awram: Gehe aus deinem Lande und aus deinem Geburtsorte und aus dem Haus deines Vaters in das Land, das Ich dir zeigen werde. Und Ich werde dich machen zu einem großen Volke, und dich segnen, und groß machen mit deinem Ruf; und du sollst ein Segen sein. Und Ich werde segnen, die dich segnen, und wer dir flucht, den werde Ich verwünschen […]Und Abram ging, wie der Ewige zu ihm geredet hatte und sein Neffe Lot ging mit ihm.“
Und im Kapitel 13 heißt es: „Awram war sehr reich [….] Und auch Lot hatte Schafe und Rinder. [….] Und es wurde Zank zwischen den Hirten der Herden Awrams und den Hirten der Herden Lots. Da sprach Awram zu Lot: Nicht doch sei Streit zwischen mir und dir, und zwischen meinen Hirten und deinen Hirten, denn wir sind ‚Brüder‘. Trenne dich doch von mir!“
Die Lehre, die wir daraus ziehen können: Dass manchmal ein wenig Distanz besser ist, als wenn der eine auf dem anderen klebt. Awraham und Lot haben sich voneinander getrennt, und es war gut.
Ich möchte noch eine Stelle aus der Tora anführen, Bereschit, Kap. 16: „Und Sarai, die Frau Awrams, gebar ihm nicht und sie hatte eine ägyptische Magd namens Hagar. Und Sarai sprach zu Awram: Siehe doch, der Ewige hat mir keine Kinder gegeben, komm doch zu meiner Magd, vielleicht werde ich durch sie Kinder bekommen.“
Später gebar Sarai wirklich einen Sohn (und wurde zu Sara), Hagar und ihr von Awraham gezeugter Sohn
Ischmael mussten das Haus verlassen. Im Koran lautet diese Geschichte genau andersherum: Nämlich das Ischmael der eigentliche Erbe Awrahams war. Das ist der Beginn unserer Zores mit den Ismaeliten, also den Arabern, die man auch mit dem Abraham-Friedensabkommen nicht lösen konnte.
Konflikte sind so alt wie die Welt. . Anfangs wurden Auseinandersetzungen Mann gegen Mann mit Ring- und Boxkämpfen bestritten. Später wurden Holzprügel verwendet, dann Metallwaffen, Messer, Schwerter und Degen. Ein Entwicklungssprung waren Pfeil und Bogen und ähnliche Waffen, mit denen die Gegner einander ohne direkten Kontakt bekämpfen konnten. Heute stehen Panzergeschosse, Bomben, Raketen und Drohnen zur Verfügung. Je weiter diese Waffen reichen können, umso weniger sicher sind die Grenzen zwischen den Kämpfern. Nur ein echter, beidseitiger Friedensschluss wird die Gefahr beseitigen, dass Kämpfe über große Distanzen wieder aufflammen.
Bei einem Waffenstillstand wird zum Schutz und zur territorialen Verteidigung auch die letzte waffentechnologische Entwicklung nicht ausreichen. Man möge sich nicht einbilden, dass die Fortentwicklung der Waffentechnik auch ein Fortschritt für die Menschlichkeit ist. Im Gegenteil. Wenn man eine Rakete abschießt, drückt man auf den Knopf und weiß nur die Richtung, sieht aber nicht den einzelnen Menschen, den es trifft.
Die Terroristen der Hamas, die im Oktober in die Wohnungen und Häuser der Kibbuzim entlang der Grenze eingedrungen sind, haben alte Waffen – Messer, Gewehre – benutzt, um Menschen brutal massakrieren und zu entführen. Sie sahen bei ihren grauenvollen Mordtaten erbarmungslos in die angstgeweiteten Augen ihrer Opfer und ergötzten sich an ihrer Todesangst. Selbst wenn man so aufgerüstet ist wie Israel, gibt es keine Sicherheit. Das hat uns dieses Pogrom so schmerzhaft gezeigt. .
Aus dem Süden und Norden wurden Menschen aus Sicherheitsgründen vorübergehend abgesiedelt. Etliche Raketen aus Gaza landen in Gaza selbst; andere schaffen es bis Israel, manchmal sogar weit ins Land, und explodieren auf einem Feld, ohne Menschen zu verwunden. Viele Hamas-Raketen werden vom Iron Dome abgeschossen; doch auch von diesem Dome fallen Splitter herab, verletzen Menschen körperlich – und oft nur seelisch.
Man kann von Israel nicht erwarten, auch die zweite Wange hinzuhalten. Aber ich möchte noch einmal auf Awraham und Lot zurückkommen. Als Lot in einem Krieg gefangen genommen wurde, gelang es Awraham, ihn aus der feindlichen Gewalt zu befreien.. Ich möchte den Militärexperten und der Armee keine Ezzes geben: Aber vom jüdischen Standpunkt her hat die Befreiung der Geiseln immer höchste Priorität.