USA: Wahlkampfthema Israel und Judentum

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Judentum und insbesondere Israel wird eines der zentralen Themen bei der kommenden US-Präsidentschaftswahl sein. Vor allem die Haltung von Kamala Harris bzw. Donald Trump gegenüber Israels Kampf gegen die Hamas, Hisbollah und den Iran wird genauestens beobachtet und analysiert. Zweifellos steht die demokratische Kandidatin Harris unter starkem Druck des linken, sehr israel-kritischen, wenn nicht sogar israel-feindlichen, Flügels der Partei. Verstärkt noch durch die Tatsache, dass es just in den Swing-States, also den entscheidenden, zwischen Demokraten und Republikanern wechselnden Bundesstaaten, starke muslimische Communities gibt, die den Demokraten mit Nicht-Wählen drohen.

Manche halten dem noch amtierenden US-Präsidenten Biden die starke, auch militärische Unterstützung Israels seit dem 7. Oktober zugute, andere jedoch werfen ihm vor, Israel in seinem Vorgehen gegen die Hamas unnötig behindert zu haben. Viele US-Juden fürchten, Kamala Harris könnte Israel noch zögerlicher unterstützen. Von Donald Trump hört man, wie bei allen anderen Themen, nur sehr kryptische Aussagen. Allerdings werden ihm in der jüdischen Community die Errungenschaften während seiner Präsidentschaft zugutegehalten: Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, die Anerkennung der Annexion der Golan-Höhen und die historischen Abraham-Accords.

Die Stimmung in den USA ist seit dem 7. Oktober aufgewühlt. „Wir wussten ja schon, dass es einen als Israel-Kritik verbrämten Antisemitismus in den USA gibt. Aber dass es so schlimm ist, wie sich seit dem 7. Oktober gezeigt hat, hat uns dann doch überrascht“, sagt der renommierte, aus Österreich stammende, Psychiater und Psychoanalytiker Prof. Otto Kernberg jüngst in einem Gespräch. Tatsächlich ging seit den schrecklichen Massakern der Hamas und der Reaktion Israels darauf ein Erdbeben durch die amerikanische Gesellschaft. Auch in den USA gab es Leute, welche die Gräueltaten feierten, bei denen über 1000 israelische Frauen, Männer und Kinder gejagt, vergewaltigt und ermordet wurden.

Noch bevor Israel überhaupt den Krieg gegen die Hamas begann, wurde schon gegen Israel demonstriert, amerikanische und israelische Fahnen verbrannt und Uni-Campusse besetzt. Jüdische Studenten wurden gemobbt, drangsaliert, ja mitunter am Betreten der Universitätsgelände gehindert, was nicht wenige an die Stimmung an deutschen und österreichischen Universitäten in den 1930er Jahren erinnerte. Berühmt berüchtigt wurden die Präsidentinnen dreier US-Elite-Unis, die in diesem Zusammenhang zu einer Anhörung im US-Kongress zum Thema Antisemitismus geladen waren. Auf die Frage einer Kongressabgeordneten, ob der Aufruf zum Völkermord an Juden gegen den Verhaltenskodex ihrer Universität verstoßen würde, antworten die Drei unisono, dass dies „vom Kontext“ abhängen würde. Der Skandal war perfekt, diese Aussagen gingen um die Welt. Letztlich mussten alle drei Uni-Präsidentinnen zurücktreten.

US-Präsident Joe Biden laviert seither zwischen einer vollen Unterstützung Israels bei seinem Recht sich zu verteidigen und ständigen Mahnungen, Belehrungen und Einschränkungen gegenüber der militärischen Vorgangsweise Israels gegen die Hamas. Geschuldet ist dies einer kleinen, aber umso lautstärkeren Minderheit an demokratischen Abgeordneten, die sich zu einer fundamentalen und unerbittlichen Kritik an Israel und dessen Unterstützung durch die USA zusammengeschlossen haben. All diese Entwicklungen haben verständlicherweise große Beunruhigung in der jüdischen Community in den USA ausgelöst. Die Solidarität mit Israel in diesen schweren Zeiten zieht sich durch alle religiösen und politischen Schattierungen des amerikanischen Judentums. Sogar die US-jüdische links-progressive Lobbying-Organisation J Street, üblicherweise sehr kritisch gegenüber der israelischen Regierung, fühlte sich bemüßigt gegenüber wichtigen Punkten klar Stellung zu beziehen, die von den anti-israelischen Aktivisten gefordert wurden und distanzierte sich klar von der israel-feindlichen BDS-Bewegung (Boycott, Divestment, Sanctions).

AIPAC, die mächtigere amerikanische Lobbying-Organisation für Israel, schritt bereits zur Tat: Sie unterstützt bei Wahlen Kandidaten, die gegen anti-israelische Politiker antreten: So wurde Cori Bush, Unterstützerin der BDS-Bewegung und Teil der berüchtigten, linken Gruppe The Squad in der demokratischen Partei, schon bei den diesjährigen Vorwahlen von einem Kandidaten aus dem Rennen geschlagen, den AIPAC massiv unterstützte. Ähnlich erging es dem Kongressabgeordneten Jamaal Bowman. Er bezeichnete die Berichte über die Vergewaltigungen im Zuge des Terrorangriffs am 7. Oktober als „Propaganda“ und „Lüge“. Auch er, Mitglied der Gruppe The Squad, verlor schon bei den Vorwahlen innerhalb der demokratischen Partei gegen einen Kandidaten, der ebenso von AIPAC unterstützt wurde.

Die Tumulte an den Universitäten werden im Kontext einer schon längeren Entwicklung gesehen: Alexander Bickel, Jus-Professor der renommierten Yale Universität beschreibt ,wie es an den Unis seit Jahren zunehmend um gesellschaftlichen Wandel, insbesondere um die Befreiung der Unterdrückten von den Unterdrückern geht. Dieser Kampf beinhaltete auch die Einschränkung der Meinungsäußerung von missliebigen Professoren – Cancel Culture genannt. Im Zuge der anti-israelischen Demonstrationen kooperierten die Universitäten zunehmen mit jenen Leuten, welche diese niederbrennen wollten. Statt die Unis zu verteidigen hätten sie mit den Angreifern verhandelt, welche die Universitäten sukzessive übernehmen konnten, statt sie zerstören zu müssen, schrieb Bickel.

Unter dem Druck von gewichtigen Geldgebern, welche ihre Unterstützungen einzustellen drohten und deutlich gesunkenen Inskriptionen an den Brennpunkt-Unis, verschärften die US-Unis jetzt, zu Beginn des neuen Studienjahres, ihre Verhaltenskodizes: Die Universität von Kalifornien verbietet nunmehr das Aufstellen von Zeltlagern und das Tragen von Gesichtsmasken. Mehrere Universitäten haben radikal anti-israelische und antisemitische Studentenorganisation von deren Campus verbannt. Antisemitische Äußerungen, Drohungen gegen jüdische Studenten und bestimmte anti-israelische Parolen sollen nicht mehr geduldet werden. Möglicherweise ist das der Beginn einer längst überfälligen Gegenbewegung zu den besorgniserregenden Entwicklungen auf den US-Universitäten.

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