Als Haya Molcho 2009 das „Neni“ am Naschmarkt gründete, stiegen drei ihrer Söhne bald ins expandierende Familybusiness ein. Einer davon: Nuriel Molcho, zuständig für Marketing und PR. Und nebenbei auch noch Hutmacher.
Unterwegs ist er eigentlich ständig. Am Montag ist er von einem Lokalaugenschein aus London zurückgekehrt, am Donnerstag fliegt er nach Tel Aviv. Höchstens ein halbes Jahr ist er in Wien, sonst ständig in der Welt unterwegs. Klingt nach einem ziemlich stressigen Berufsleben, doch Nuriel Molcho, der als PR- und Marketingexperte für den Auftritt und die Entwicklung der mittlerweile europaweit bekannten Marke Neni zuständig ist, wirkt ziemlich tiefenentspannt. Enthusiastisch? Ja, unbedingt. Aber hektisch? Nein, ist weder gut fürs eigene Seelenleben noch fürs Geschäft. Auch jetzt sitzt der 35-jährige Sohn der Stargastronomin Haya und des berühmten Pantomimen Samy Molcho nicht still. Er gondelt von Tisch zu Tisch, an einem rapportiert das dreiköpfige Culinary Controlling Team, das ständig zwischen den Neni-Standorten pendelt, ob tatsächlich auch alles so auf den Tisch kommt, wie es die Unternehmensphilosophie wünscht: lässig, aber nicht nachlässig. Im ersten Stock wartet eigentlich auch schon der nächste Geschäftstermin auf ihn. Aber vorher schaut er noch auf einen Sprung ins Neni gegenüber.
Da residiert übrigens auch „Nomade Modern“: Es ist ein geradezu programmatischer Name, den der Vielreisende seiner kleinen, feinen Hutwerkstatt gegeben hat, die er gemeinsam mit seiner Frau Audrey seit zwei Jahren betreibt – gerade so, als hätte er nicht schon genug zu tun. Aber, typisch Molcho irgendwie: „Ich wollte einen coolen Hut kaufen, fand aber keinen, der mir gefiel.“ Als die Hutmacher, die er anschrieb, ob sie denn einen Hut nach seinen Entwürfen machen würden, abschlägig antworteten oder vor langen Wartezeiten warnten, machte er sich auf Youtube schlau, brachte sich das Hutmachen einfach selber bei und holte bei einem alten jüdischen Hutmacher im sechsten Bezirk Ezzes ein. Etwa, dass ein Hut matt wird und einen anderen Look kriegt, wenn man ihn anbrennt: „Ich habe natürlich übersehen, dass er nur schwarze Hüte für die Orthodoxen macht. Als ich es mit einem weißen Hut probiert habe, hat der braune Brandflecken gehabt. Aber das hat cool ausgeschaut, durch diesen Zufall sind angekokelte Hüte nun das Markenzeichen unserer Maßanfertigungen.“
Neues ausprobieren
Angst, dass die Hutmacherei womöglich ein Flop werden könnte, hatte er nicht. Und wenn er denn einer geworden wäre, auch egal: „Wir wurden nie wegen unsere Erfolge wertgeschätzt. Wenn uns etwas nicht gelang oder wenn wir schlechte Noten hatten, haben die Eltern nie Druck ausgeübt. Sondern sie haben uns ermutigt, Neues auszuprobieren, bis wir das finden, was zu uns passt. Und im Sport haben wir auch gelernt, mit Niederlagen umzugehen. Wenn es beim Skateboarden einen Trick gab, den ich unbedingt können wollte, habe ich wochenlang trainiert, bis er gelang. Das Glücksgefühl, wenn ich es geschafft habe, war unglaublich.
Diese Zielsetzung und die Disziplin, es immer wieder zu probieren, auch den Mut zu haben, obwohl man weiß, dass man sich wehtun könnte, hat uns, glaube ich, dazu gebracht, Dinge einfach zu tun. Und wenn es nicht geht, dann das Nächste ausprobieren. Ich glaube, deshalb machen wir alle so viel.“
Nein, langweilig wird ihm vermutlich so bald nicht, zur Zeit schreibt er mit seiner aus Los Angeles stammenden Frau ein Kochbuch über L.A., „weil es da wirklich eine der weltweit aufregendsten und vielfältigsten Küchen gibt.“
Kreativität, Mut, Unternehmergeist: drei Eigenschaften, die offenbar zur DNA des Molcho-Clans gehören. So hatte Mutter Haya zwar immer schon leidenschaftlich gern gekocht, aber keinerlei gastronomische Erfahrung, als sie 2009 das „Neni“ am Naschmarkt eröffnete – übrigens ein Akronym aus den Namen ihrer Söhne Nuriel, Elior, Nadiv und Ilan. Drei von ihnen arbeiten im Familienbetrieb, nur der jüngste, Nadiv, ist Schauspieler geworden. Die hebräischen Buchstaben für „Neni“ haben sich übrigens alle vier tätowieren lassen.
„Die Mutter ist natürlich die Seele des Unternehmens, Ilan, der auch in London Schauspiel studiert hat, ist Geschäftsführer des gesamten Unternehmens, Elior Geschäftsführer der Wiener Betriebe und zuständig für Human Resources, ich für Marketing und PR. Jeder respektiert den Bereich des anderen, daher gibt es keine Konkurrenz zwischen uns“, erläutert Nuriel das Geheimnis für erfolgreiche Familienzusammenarbeit: „Es ist mehrheitlich schön, ein Privileg, gemeinsam mit der Familie zu arbeiten, täglich mit seinen Geschwistern und Eltern zu sein. Man liebt sich und kämpft mit ganzer Energie für ein gemeinsames Ziel, von dem wir alle profitieren. Der Nachteil ist: Man kann nichts wegstecken. Wenn man in einer Fremdfirma arbeitet und es Missstimmungen mit Kollegen gibt, dann kann man ihnen aus dem Weg gehen. Das geht mit der Familie nicht. Du musst über alles reden. Das ist aber auch Teil unseres Erfolgs: Dass nichts unter den Teppich gekehrt, sondern alles ausdiskutiert wird.“
Kleine Hochzeit
Der Erfolg lässt sich in Niederlassungen messen: Zu Neni gesellte sich in Wien alsbald das Tel Aviv Beach als sommerlicher Hotspot am Donaukanal; und mittlerweile gibt es Neni-Niederlassungen in Amsterdam, Berlin, Hamburg, Köln, Paris, Port de Soller auf Mallorca und Zürich, in Kopenhagen ist eines im Entstehen, außerdem ein eigenes Catering sowie Produktion und Vertrieb von gut zwei Dutzend unterschiedlichen Neni-Produkten in 1600 Spar-Filialen sowie Hotels in ganz Europa, kurzum: Neni ist heute eine markenstarke Gastronomiekette mit insgesamt 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 160 davon in Wien, wo in Bälde noch zwei Lokale eröffnet werden sollen, eines davon am Rudolfsplatz: Es wird, verrät Nuriel, eher klein sein, keinen Namen und keine Speisekarte haben, dafür einen grandiosen Koch, der jeden Tag etwas anderes auftischen wird, dazu gute Weine und gute Musik. Neni halt, ohne dass Neni draufsteht.
So wie auch seine Hochzeit im vergangenen Jahr mit ganz viel „Neni“-Zutaten gewürzt war. „Wir wollten eine kleine Hochzeit, also für jüdische Verhältnisse eine kleine Hochzeit“, sagt er lachend. „Ich wusste, in Wien würde das nicht gehen, weil wir zu viele Leute kennen. Tel Aviv wäre noch größer und Los Angeles, wo meine Frau herkommt, zu weit gewesen. Also haben wir in Wien nur standesamtlich geheiratet und am ‚Tel Aviv Beach‘ mit 300 Leuten gefeiert, für unseren eigentlichen Herzensevent aber haben wir nach einem Ort gesucht, der magisch ist, aber zu dem keine familiären Verbindungen existieren.“
Fündig für das Dreitagesfest mit Familie und hundert besten Freundinnen und Freunden aus aller Welt wurde das Brautpaar im Beldi Country Club vor den Toren von Marrakesch: Ein Ambiente wie aus Tausendundeiner Nacht, nur das kulinarische Angebot ließ zu wünschen übrig. Als man dies den beiden französischen Besitzern mitteilte, hatten die einen guten Rat fürs Catering parat: Sie wären kürzlich in Berlin gewesen und hätten vorzüglichst gegessen. Wie das Restaurant geheißen habe? Neni!. Also wurden Köche aus allen Standorten nach Marrakesch eingeflogen und der Deal „Neni Meets Beldi“ ausgehandelt: „Weil auch deren Köche etwas lernen wollten, haben unsere Teams im Februar drei Tage mit ihnen gemeinsam gekocht, dafür durften wir für die Hochzeit die Küche für uns allein haben.“
Er selbst kocht übrigens fast nie, im Betrieb sowieso nicht, „weil wir so viele gute Leute haben“. Aber auch zu Hause will er lieber seine Ruhe haben, Musik hören, Zeit mit seiner Frau verbringen: „Ich gehe viel lieber auswärts essen, am liebsten jeden Tag woanders. Bis vor zwei Jahren hatte ich nicht eine Küche“, sagt er und lacht vergnügt: „Ja, klingt seltsam für einen Gastronomen. Aber ich habe viele Freunde, die DJs sind. Die haben oft daheim keine Anlagen, weil sie sagen, sie müssen eh die ganze Zeit Musik hören. Aber dafür haben die meisten sehr große Küchen. Bei mir ist es eben genau umgekehrt.“ Aber wenn er auf seinen vielen Reisen neue Gewürze, interessante Speisen oder Anrichtungsweisen entdeckt, dann bringt er seine Fundstücke freilich ins Neni-Reich ein.