Der Zwiekommentar von Peter Menasse und Erwin Javor
Menasse: Ich glaube, wir kommen nicht darum herum, über die Aufreger-Themen der jüngsten Zeit zu reden, also über alles, was Recht ist: Die Rechtschreibreform und die Rechte von gleichgeschlechtlichen Paaren.
Javor: Was die Rechtschreibreform betrifft, bin ich für eine radikale Lösung. Nieder mit den Zauderern. Als Vorbild sollte man sich Sprachen suchen, die seit über 2.000 Jahren ohne Reform ausgekommen sind. Hebräisch und zum Teil auch Jiddisch werden bekanntlich ohne Vokale geschrieben und sind dennoch verständlich. Das sollten sich die Reformer hierzulande als Beispiel nehmen. Stell dir doch einmal vor, wie viel Platz und Kosten man sich ersparen könnte, wenn man ab sofort im Deutschen keine Selbstlaute mehr verwendete. Auch unsere „Gemeinde“ wäre schon auf Grund des eingesparten Papiers wesentlich kostengünstiger und vor allem dünner.
Menasse: Wnn d mnst, dss m Dtschn s ws mglch st.
Javor: Was macht dich derart stottern, die Rasanz meines Vorschlags?
Menasse: Ich habe nur Selbstlaut-los kommentiert: „Wenn du meinst, dass im Deutschen so was möglich ist.“
Javor: Na ja, kleine Adaptionen sind wahrscheinlich noch notwendig. Ich bin jedenfalls für radikale Positionen. Schalom Asch hat auf die Frage, warum er denn seine Romane in Jiddisch schreibe, geantwortet: „Weil, men farstajt jejdes Wort.“ (Weil man jedes Wort versteht.)
Menasse: Ich verstehe. Also, ich habe einen alternativen Vorschlag. Ich bin für die völlige Abkoppelung der Wiener von allen anderen Deutschsprachigen. Ich bin für eine urbane Sprache und Kultur. Wonn mir nämlich so schreibn mechaten, wia uns der Schnabel gwochsn is, kenntaten die anderen si brausn geh. Und des warat net deppat, wann ma uns um die Gscherten weniger scheißn taterten.
Javor: Contenance, Herr Kollege. Oder wie die germanistischen Reformer vermutlich sagen würden: Haltung!
Menasse: O.K., ich benehme mich wieder. Aber im Sinne der Liberalität wäre das doch wirklich die richtige Vorgangsweise: Jeder schreibt, wie er gerade will, und trägt eigenverantwortlich das Risiko, verstanden zu werden.
Javor: Also ich glaube, wir müssen das noch in der Redaktionskonferenz diskutieren. Wir haben jetzt drei Vorschläge für unser NU: Wir schreiben deutsch ohne Selbstlaute, eine herausfordernde, aber billige Variante. Oder wir schreiben Jiddisch, was allerdings mehr als die Hälfte unserer RedakteurInnen nicht versteht, und dann bleibt noch Wienerisch, was hieße, dass uns die Hälfte unserer LeserInnen nicht mehr folgen könnte. NU, das sind ja schöne sprachliche Aussichten.
Menasse: Ich merke, du nimmst das alles nicht ernst genug. Also reden wir lieber über die laufende Diskussion zur Verbesserung der Rechte von gleichgeschlechtlichen Partnern. Da hat ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer aus seiner klassisch katholischen Sicht gemeint, die Ehe sei „unantastbar“. Wie schaut denn das aus einer jüdischen Sicht aus? Wird da die Institution der Ehe auch so überhöht gesehen?
Javor: Im orthodoxen Judentum ist Homosexualität wie in allen Weltreligionen verboten und natürlich pfui gack. Die jüdischen Schwulen haben sich damit geholfen, dass sie internationale Reformgemeinden gründeten, um ihr Judentum in liberalen Synagogen leben zu können. Was die Ehe im Judentum anbelangt, hat die biblische Vielweiberei bekanntlich abgewirtschaftet und wurde durch die wesentlich weniger anstrengende, monogame Ehegemeinschaft abgelöst. Meinen Beobachtungen zufolge werden jedoch auch andere – sagen wir einmal – Mischformen diverser Beziehungen gelebt.
Menasse: Das gibt es überall. Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist ja nirgends so groß wie bei religiösen Regeln. Oder anders gesagt: St. Pölten ist immer und überall. Und dabei wäre es schon hoch an der Zeit, dass man die Menschen nach ihren Bedürfnissen leben lässt und ihnen nicht Regeln aus längst versunkenen Zeiten aufzwingt.
Javor: Jedenfalls ist St. Pölten die Hauptstadt von Niederösterreich, und in Niederösterreich befindet sich bekanntlich die Zentrale von Magna, der Nabel der österreichischen Fußballwelt.
Menasse: Diese Überleitung, mein Freund, ist echt schräg, um nicht zu sagen wagemutig. Sozusagen ein dajgezzerisches Gesamtkunstwerk. Tja, Stronach hat offensichtlich einen Geheimplan. Erst hat er Rudas, den erfolgreichen Reformer der SPÖ, mit bekanntem Erfolg eingesetzt, um die Austria neu zu strukturieren, und jetzt will er Westenthaler, den Reformer der FPÖ, auch ein großer Sieger, den Rest besorgen lassen.
Javor: Und um ganz sicher zu gehen, dass diesmal die Übung gelingen möge, hat er zum guten Schluss noch Otto Baric, den Reformer der kroatischen Fußball-Nationalmannschaft, zu seinem Berater gemacht.
Menasse: Eines haben diese drei Hoffnungsträger jedenfalls gemeinsam: Sie sind ungeheuer beliebt.