Schwierig, in traumatischen Zeiten wie diesen den Humor nicht zu verlieren. Über Antisemitismus lässt sich nicht spaßen. Auch Ronni Sinai und Nathan Spasić sind diesmal nachdenklich.
Nathan: Ronni, mir ist eigentlich nicht zu spaßen.
Ronni: Vielleicht lassen wir es diesmal bleiben und überlassen das vorletzte und das letzte Wort unserem geschätzten Rabbiner. Ob ihm wohl was Humoriges in dieser Zeit einfällt?
Nathan: Ich denke, man kann traumatische Ereignisse bestimmt auch mit Humor abhandeln. Ich fände es ein wenig grotesk und deplatziert, wenn wir „business as usual“ machen würden. Wie siehst du das?
Ronni: Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. Schließlich zeigte uns Sigmund Freud, dass der humoristische Lustgewinn aus erspartem Gefühlsaufwand hervorgeht. Tatsächlich kann man sich Mitgefühl mit den Opfern von Krieg und Barbarei sparen, denn Heuchelei solcher Art hat noch niemandem geholfen. Wie hältst du es denn mit deiner Anteilnahme?
Nathan: Ich versuche mich nicht auf politische Diskussionen einzulassen, die darauf abzielen, diese Barbarei in Kontext zu setzen. Man stelle sich nur vor, Leute wären nach dem Bataclan-Anschlag auf die wirren Motive der Terroristen ernsthaft eingegangen. Leider passiert das im Fall von Israel und ist entweder unüberlegt, wider besseren Wissens oder einfach nur Zeugnis einer allgemeinen Haltung in Bezug auf Juden. Terror ist kein Widerstand. Terror ist Terror.
Ronni: Selbstverständlich gibt es keine Rechtfertigung für Terror. Die Tatsache, dass wir als Juden geboren wurden, hat uns natürlich in unserem Mindset geprägt. Dennoch stelle ich mir oft die Frage, wie ich wohl über den Nahostkonflikt denken würde, wenn ich kein Jude wäre, den gleichen Wissensstand vorausgesetzt. Ich wäre vermutlich der Ansicht, es liegt in der Verantwortung einer gebildeten und aufgeklärten Gesellschaft, wie man sie in Israel vorfindet, Terroristen mit Gewalteinsatz wohl auszuschalten, aber eine Lösung für die Zivilbevölkerung voranzutreiben – anstelle eines dauerhaften Militäreinsatzes. Wie würdest du es denn als Nichtjude sehen?
Nathan: Der dauerhafte Militäreinsatz ist aber leider Produkt einer jahrelangen Abkehr der Palästinenser vom Frieden. Ach, ich weiß es nicht. Eine Lösung wird es wohl nicht geben, sondern eher ein Spiel auf Zeit. Den Versuch, möglichst lange eine Gefährdungssituation zu vermeiden. Wenn dein Gegenüber eine Terrormiliz ist, dann ist Frieden unmöglich. Aber was weiß ich. Jedenfalls endet es dann immer so, dass jüdische Einrichtungen in Europa attackiert werden und Leute auf den Straßen antisemitische Parolen skandieren. Wie, findest du, sollte man gegen BDS- und Hamas-Sympathisanten vorgehen? Eine Erweiterung des Verbotsgesetztes?
Ronni: Ich glaube, dass mit Verboten wenig erreicht werden kann. Wäre es nicht vielleicht einmal ein Ansatz, die Berichterstattung über Demos zu unterbinden? Den Sympathisanten macht man doch die größte Freude mit Aufmerksamkeit. Würde es den Medien nicht um Umsatz gehen, sondern wären sie sich ihrer Verantwortung bewusst, könnte der Aktivismus dieser Art ins Leere zielen. Man versteckt sich halt hinter der Pressefreiheit und macht sie zum unantastbaren Tabuthema. Kannst du meinen vielleicht provokanten Argumenten etwas abgewinnen?
Nathan: Ich verstehe was du meinst. Und man sollte wohl in Schulen und auch in der Erwachsenenbildung nicht nur auf den historischen, sondern auch den israelbezogenen Antisemitismus aufmerksam machen. Es ist vor allem bedauerlich, dass sich einige Linke oftmals auf die falsche Seite schlagen. Der Ursprung dessen ist wohl ein Gemenge aus einem falsch verstandenen Antirassismus und einer vermeintlich antiimperialistischen Weltanschauung. Das führt dazu, dass Politiker wie etwa Mélenchon in Frankreich, aber auch einige hierzulande, sich unwiderruflich auf die Seite von Barbaren schlagen, die nicht nur Israel, sondern auch ihre eigene Bevölkerung tyrannisieren. Und Politiker haben es ja bislang leider mit jedem Blödsinn immer in die Medien geschafft.
Ronni: Ja, mittlerweile kenne ich Menschen, die sich Nachrichtensendungen und den sozialen Medien verweigern. Die oft erwähnten sich häufenden psychischen Probleme von Jugendlichen hängen wohl weniger mit den realen Umständen zusammen, in denen sie sich befinden, sondern viel mehr mit dem übermäßigen Medienkonsum. Nathan, mich interessiert, wie du als junger Mensch mit der Flut von erschreckenden Informationen umgehst. Was macht das eigentlich mit dir?
Nathan: Ich habe vor rund einem halben Jahr alle sozialen Medien und Nachrichtendienste, abseits der SMS-Funktion meines Handys, gelöscht – aus Gründen der Psychohygiene. Es ist wirklich ein befreiendes Gefühl. Schreckliche Bilder sieht man ohnehin auch in klassischen Medien wie Zeitung oder Fernsehen, doch die Informationen sind sortiert und meistens einigermaßen gut recherchiert. Und guten Journalismus bekommt man ohnehin nur im NU, je nachdem, wie unser vorletztes Wort ausfällt.
Ronni: Dem kann ich mich nur vollinhaltlich anschließen … und das ist mein letztes Wort!