Die Kultusgemeinde Wien kämpft mit leeren Kassen, dennoch soll in Baden die Synagoge um 2,75 Mio. Euro revitalisiert werden – so manches Wiener Gemeindemitglied versteht angesichts von Einsparungen und Kündigungen diese Ausgaben nicht. NU versuchte im Gespräch mit dem Kritiker Harry Bergmann und dem Projektverantwortlichen und Präsidenten des Synagogenvereins Baden, dem Kultusrat Thomas Schärf, Argumente und nicht nur die Gerüchteküche zu Wort kommen zu lassen.
Von Alexia Weiss
Beinahe hätte es ja gar nichts mehr gegeben, was revitalisiert oder renoviert werden könnte: 1988 hatte man im Vorstand der Kultusgemeinde Wien den Abbruch der Überreste der 1873 erbauten Synagoge in Baden beschlossen. Dagegen formierte sich Widerstand – die Hauptaktivisten: Peter D. Eggenhofer, Georg Chaimowicz und eben Thomas Eliezer Schärf. Sie machten es sich zum Ziel, die zusehends verfallende Bausubstanz mit Mitteln der öffentlichen Hand wieder in Stand zu setzen. Der Abbruch war verhindert, doch es zogen wieder mehr als zehn Jahre ins Land, bevor der Synagogenverein Baden und der nunmehrige Präsident der auch für Niederösterreich und das Burgenland verantwortlichen IKG Wien, Ariel Muzicant, im Oktober 2002 feste Unterstützungszusagen vorweisen konnten. Demnach kommt das Land Niederösterreich zur Hälfte für die Kosten auf, die Stadtgemeinde Baden für ein weiteres Viertel. Die Kultusgemeinde sollte das Restviertel tragen. Eben diese verbleibenden 25 Prozent – in absoluten Zahlen 687.000 Euro – erregen derzeit den Unmut einiger Gemeindemitglieder, zumal bezüglich der Aufbringung des Betrages diverse Gerüchte die Runde machten. Da ist zum einen die Rede von einem knappen und auf Druck herbeigeführten Kultusratsbeschluss, auf Grund dessen das Bauprojekt – trotz Finanzmisere und strengem Sparpaket – bestritten werden soll. Da wird zum anderen kolportiert, der Nationalfonds werde für diese Kosten aufkommen. Dann wieder heißt es, es gelte, Sponsoren zu finden. Und im Hintergrund lauert das Killer- Argument: Komme man nicht für das Viertel auf, seien die bereits zugesagten Mittel von Land und Stadt dahin. Die Reaktionen der Mitglieder reichen von „Da kündigen wir Mitarbeiter, aber das können wir uns leisten?” bis zu „Was interessiert uns Wiener eine Synagoge in Baden?”. Was bei so manchem aber zunehmend für Verwirrung sorgt, sind die unklaren Aussagen zu diesem Projekt. Werbe-Experte und Gemeindemitglied Harry Bergmann, dessen Vater auf dem Badener Friedhof begraben liegt, meint dazu: „Da ist von verschiedensten Beträgen die Rede, unter anderem von zehn Millionen Schilling. In einer Situation, wo Kündigungen ausgesprochen werden, ist es vollständig unverständlich, da zuzustimmen.” Vielleicht gehe es aber auch um einen ganz anderen Betrag, vielleicht werde der auch gar nicht von der Gemeinde aufgebracht, jeder sage etwas anderes. Genau dieses Informationsloch gelte es zu füllen, fordert Bergmann die Gemeindeführung auf. Dann wäre es nämlich auch möglich, sachlich über die Angelegenheit zu sprechen. Etwas Licht in die Angelegenheit bringt nun Thomas Schärf. Zum Ersten sei bereits ein privater Sponsor für zwei Prozent gefunden – offen sei daher noch ein Betrag von 23 Prozent. Für diesen gibt es nun folgenden Stufenplan: In Gesprächen mit Nationalratspräsident Andreas Khol (ÖVP) und dem Zweiten Nationalratspräsidenten Heinz Fischer (SPÖ) habe Muzicant von diesen eine Zusage erhalten, sich für eine Bundesfinanzierung der noch fehlenden Mittel zu verwenden. Abgewickelt werden könnte diese über den Nationalfonds, zuvor müsste aber noch ein entsprechendes Budgetüberschreitungsgesetz für den Fonds beschlossen werden. Ähnlich sei man im Fall der Synagoge Graz vorgegangen. Stufe zwei: das Auftreiben von Sponsorengeldern. Und Stufe drei: die Veräußerung der an das Synagogen-Grundstück grenzenden Liegenschaft. Das könne aber nur „das äußerste Mittel” sein, betont Schärf. Kein Eigentümer, der über ein angrenzendes Grundstück verfüge, würde das heute verkaufen, noch dazu, wo es sich im Zentrum von Baden befinde, das wäre „ein großer Verlust”. Definitiv nicht finanziert werden die verbleibenden 23 Prozent demnach aus dem Budget der Kultusgemeinde. Dazu meint Schärf: In seiner Brust wohnten zwei Seelen, jene des Wiener und jene des Badener Kultusrats. „Seitens der Wiener Kultusgemeinde wird es nach dem derzeitigen Stand der Dinge keine Vorfinanzierung geben. Sollten die Gelder nicht aufgetrieben werden, wovon ich derzeit angesichts der Gespräche mit Khol und Fischer nicht ausgehen möchte, wird der Synagogenverein sicher mit aller Vehemenz versuchen, die Gelder aufzutreiben. Nichtsdestotrotz wird es im äußersten Fall zu einer Verwertung der letzten dafür noch zur Verfügung stehenden Liegenschaft kommen müssen, um dieses Projekt zu verwirklichen.” Den auf Grund der fehlenden Mittel immer wieder verschobenen Baubeginn erhofft sich Schärf nun für die kommenden ein bis zwei Monate. Die Bauzeit wurde mit 14 Monaten veranschlagt. Die Entwürfe wurden von Architekt Ivan D. Weinmann gefertigt. Mit der Umsetzung von Restaurierung, Revitalisierung, Zubau sowie Innen- und Außenausstattung des Sakralbaus wurde die Hugo Durst GmbH als Generalunternehmer beauftragt. Nach Fertigstellung soll es 75 Plätze für Männer und 40 für Frauen geben, des Weiteren einen Veranstaltungsraum und eine Küche, in der für größere Gesellschaften koscher gekocht werden kann. Geführt wird die Synagoge nach orthodoxem Ritus werden, einen eigenen Rabbiner werde man sich aber nicht leisten können, so Schärf. Er hofft dennoch, die rund 150 in Baden und im südlichen Niederösterreich lebenden Juden in Zukunft verstärkt ansprechen zu können. Weitere Zielgruppe: jüdische Kurgäste aus dem Ausland. Früher sei Baden beliebter Ferienort von Exilanten gewesen, an diese Tradition wolle man anknüpfen und nun eben Nachfahren etwa aus den USA oder Israel nach Baden holen. Wienern, die gegen das Projekt wettern, hält Schärf entgegen: „Wenn manche Wiener meinen, wir brauchen in Baden keine Synagoge, so verstehe ich das – weil die Niederösterreicher brauchen auch keine Synagoge in Wien.” Zudem solle man berücksichtigen, dass in Niederösterreich mehr Juden leben würden „als in jeder anderen Kultusgemeinde außerhalb Wiens”. Und, noch schärfer: „Ich finde es eigentlich eine Frechheit, so etwas von sich zu geben – eine derartige Argumentation ist für mich mehr als verfehlt.” Schärf sieht außerdem eine Verpflichtung der Kultusgemeinde Wien gegenüber Baden, die sich historisch ergeben hat. Die IKG Wien sei in Folge der Sprengelerweiterung um Niederösterreich und das nördliche Burgenland nach dem Zweiten Weltkrieg auch Eigentümerin des umfangreichen Immobilienbesitzes der dortigen Gemeinden geworden. Viele dieser Liegenschaften seien veräußert worden, außer einer Teilrenovierung des Badener Bethauses 1999 sei aber kein Geld wieder reinvestiert worden. „Ich erachte es daher für mehr als recht und billig, dass die niederösterreichischen Juden nun das bekommen, was ihnen zusteht.” Über Jahrzehnte habe die Wiener Gemeinde hier eine Zuständigkeit für sich in Anspruch genommen, aber keinen Beitrag geleistet. www.synagogenverein.at