Im Museumsshop des Jüdischen Museums gibt es seit 2018 Design aus Israel. Ein Besuch bei „Gottfried & Söhne“.
Schlichte Keramikschüsselchen, aufregende Strümpfe für modemutige Damen, lässiger Schmuck, kühne Brillen, handgeschöpfte Notizhefte, fabelhaftes Kinderspielzeug, historische Postkarten, außergewöhnliche Uhren, coole Unisex-Taschen, ein ansehnliches Büchersortiment, allerhand Nippes, lustige Gimmicks: Sicher, ein ähnliches Potpourri findet man auch in anderen Museumsshops. Dennoch ist Gottfried & Söhne im Jüdischen Museum Wien anders. Und besonders. Denn all die schönen Dinge kommen aus Israel oder sind von jüdischen Designern gestaltet, viele erstmals in Österreich, ja überhaupt zum ersten Mal außerhalb von Israel zu entdecken. Keine Massenware jedenfalls, sondern vornehmlich in kleinen Werkstätten und oft eigens für Wien gefertigte Handarbeit.
„Die israelische Kunst- und Designszene ist unglaublich vielfältig und lebendig, es herrscht eine so gute Stimmung dort. Das möchte ich hier gern vermitteln“, sagt Shop-Chefin Elisabeth Maria Gottfried. Dabei hat alles mit einer eher beiläufigen Plauderei begonnen. Oder, genauer gesagt, mit dem in New York lebenden israelischen Künstler Yigal Ozeri. Denn über ihn lernten Gottfried, damals Chefredakteurin der internationalen Fotozeitschrift Eikon, und Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums Wien, einander kennen und schätzen. Auf der Suche nach einem zeitgemäßen Shop-Konzept fragte Spera schließlich auch ihre Freundin, ob sie eventuell jemanden wisse. „Sie hat das gar nicht auf mich gemünzt. Aber während ich mir noch überlegt habe, wer das sein könnte, habe ich mich total hineingesteigert, war voller Ideen für diesen speziellen Ort und habe selbst ein Konzept entwickelt“, erzählt die Mutter des sechsjährigen Vito und des mittlerweile wenige Wochen alten Stanislaus. „Ich bin Danielle für ihr Vertrauen unendlich dankbar. Denn sie hätte es sich auch leichtmachen können, viele Museumsshops werden von Ketten betrieben. Doch sie war auf der Suche nach dem Besonderen.“
Und so finden sich neben berühmten Namen wie Ron Arad, Architekt des spektakulären Designmuseums Holon in Tel Aviv, der den Wiener Shop mit seinen kühnen Brillenfassungen beliefert, oder Fredi Brodmann, einem vor dreißig Jahren nach New York ausgewanderten Wiener Juden, dessen fabelhafte, von der berühmten Wiener Würfeluhr inspirierte Armbanduhren in Vitrinen ausgelegt sind, viele junge, noch weniger bekannte Designerinnen und Designer.
„For those who pray“
Amit Shimoni etwa, der Geschichte mit moderner Hipster-Kultur mischt und auf seinen Bildern historischen Persönlichkeiten einen poppigen Anstrich verpasst. Sigmund Freud ist, eigens für Wien, gerade in Arbeit. Oder die drei jungen Israelinnen, die das Label Braillodesign gegründet haben. Ihr Name ist Programm, die erlesen schönen Armreifen, Halsketten, Ringe oder Ohrstecker sind mit Blindenschrift verziert. Und wer eines der Stücke kauft, tut automatisch Gutes: Denn zehn Prozent des Verkaufserlöses leiten die Braillo-Frauen an einen Verein weiter, der junge Menschen mit Sehbehinderung unterstützt.
Der Keramikbetrieb Adamar, den Elisabeth Gottfried in einem Tel Aviver Restaurant entdeckt hat, ist in einem Kibbuz beheimatet und entwarf für Gottfried eine eigene Produktlinie. Yaara Nir Kochlon wiederum liefert ihre hauchfeinen Backformen und federleichten Vasen nicht mehr nur in den Shop des Jüdischen Museums in New York, sondern jetzt auch nach Wien. „For those who pray“ nennt Avigail Talmor sein Slow-Fashion-Anti-Bling-Label, unter dem er lässigen Schmuck und Accessoires aus recyceltem Leder auf den Markt bringt. Und dann sind da noch die betörenden modernen Judaika – Chamsas, Menora, Mesusot von Marit Meisler, Tochter des deutsch-britisch-israelischen Bildhauers und Architekten Frank Meisler, dessen aufwühlendes Denkmal zur Erinnerung an die Kindertransporte während der Nazi-Zeit auf persönliche Initiative von Prinz Charles in London enthüllt wurde.
Aus dem legendären Fotohaus, das der weltberühmte Fotograf Rudi Weissenstein, Dokumentarist des jungen Staates Israel, in Tel Aviv gründete – heute führt es sein Enkel Ben Peter Weissenstein –, hat die studierte Kunsthistorikern Gottfried nicht nur eine respektable Auswahl historischer Postkarten und Fotoabzüge in ihr Sortiment übernommen.
Insel der Kontemplation
In der Lounge-Nische am Fenster hängt auch eines von Weissensteins Plakatfotos, auf dem er das fröhliche Treiben am Tel Aviv Beach festhält. „Und da schließt sich ein Kreis“, erzählt Danielle Spera. „Als ich die Künstlerin Maya Zack in Israel besuchte, die für das Jüdische Museum Wien den Schabbat-Raum von Isidor Kaufmann virtuell nachgebaut hat, hing bei ihrem Vater auch dieses Plakat. Einer der Burschen auf dem Foto ist er.“
Diese Nische am Fenster ist ein bewusst gewähltes Salonzitat und so etwas wie eine Insel der Kontemplation in dem vom Wiener Architekten Florian Ketter subtil gestalteten Geschäftslokal: „Hier können die Menschen in Ruhe etwas aus dem Café Eskeles konsumieren oder in den Büchern schmökern.“ Immerhin stehen achthundert Titel – Belletristik, interreligiöse Sachbücher, Bildbände, Kochbücher, antiquarische Preziosen – in den Regalen. Ausgewählt und kuratiert hat sie ihre Mitarbeiterin, die Judaistin und Schriftstellerin Anna Albinus, die zwecks literarischer Neuheiten regen Kontakt mit der exquisiten Tel Aviver Buchhandlung Sipur Pachut hält.
Ingo Hanghofer, Gottfrieds zweiter Mitarbeiter und unter anderem für die geschmackvolle Dekoration zuständig, leitete sieben Jahre den Museumsshop im Liechtenstein und war auch in verschiedenen anderen Geschäften als Shopmanager tätig. „Die beiden haben ein unglaubliches Designgefühl, innerhalb von drei Tagen haben sie den Shop eingerichtet. Ohne diese zwei wunderbaren Mitarbeiter hätte ich es sicher nicht geschafft.“
Inspirieren ließ sich Gottfried für ihr Shop-Konzept übrigens nicht zuletzt von der Sonderausstellung „Kauft bei Juden!“, in der die Geschichte einer großen Wiener Geschäftskultur aufgerollt wurde: „Diese Tradition, die spezielle und nachhaltige Kundenbetreuung in diesen Familienbetrieben, hat mich sehr beeindruckt.“ Daran knüpft auch der Name ihres eigenen kleinen Warenhaus-Salons an. Nicht hip sollte er sein, sondern gediegene Tradition vermitteln. Und so ist der Name des Geschäfts – auch – eine Referenz an ihren jüdischen Urgroßvater, einen Tuchgroßhändler. Sie selbst sei katholisch getauft, aber sehr offen erzogen worden: „Wir sind alle Menschen, das ist wichtig, unabhängig von der Religion. Das möchte ich auch hier vermitteln. Und die Kombination aus Gott und Friede schien mir der ideale Name für diesen besonderen Ort.“