Viel Aufregung gab es um die Beflaggung des Bundeskanzleramtes mit der israelischen Fahne anlässlich der Gewalteskalation im nicht endenwollenden Nah-Ost Konflikt. Zwei kontroversielle Beiträge zum Thema.
Keine Äquidistanz zu Terroristen und Terrorisierten
Gemeinsame Sache mit Hisbollah-Anhängern und islamistischen Ultranationalisten: Österreichs Linke waren schon in besserer Gesellschaft.
Von Andrea Schurian
Auf dem Dach des Bundeskanzleramts und des Außenministeriums weht aus Solidarität mit der Bevölkerung Israels die israelische Fahne. Und? Gut so. Es rennen dieser Tage sowieso schon beängstigend viele Antisemiten durch die Straßen.
Die vom rechten Narrensaum verpesten auf ihren Anticorona-Wandertagen schon seit Monaten das gesellschaftliche Klima mit verschwörungstheoretischem Schwachsinn, verharmlosen den Holocaust, vergleichen Lockdowns mit Auschwitz, Bill Gates mit Adolf Hitler. Und sie glauben ernsthaft daran, dass eine pädophile Elite Kinder tötet, weil sie mit einer aus diesem Jungblut destillierten Forever-young-Droge gemeinsam mit George Soros, den Rockefellers und Rothschilds die Weltherrschaft an sich reißen wollen, nachdem sie der Weltbevölkerung im Zuge der Covid-Impfungen Gehorsamschips eingepflanzt haben.
Die aus dem link(sradikal)en Eck wiederum überschminken ihre Judenfeindlichkeit mit Sozialengagement und Israel-Bashing. Sie fordern eine neue Intifada und ein freies Palästina „vom Jordan bis zum Mittelmeer“, also auf dem gesamten Staatsgebiet Israels. Frieden? Klingt anders.
Schon in den 1970er- und 1980er-Jahren schlangen sich Menschen Palästinensertücher um den Hals und verehrten PLO-Chef Jassir Arafat wie einen Popstar. Der betrieb, ehe er gemeinsam mit Yitzhak Rabin zum Brückenbauer und Friedensnobelpreisträger avancierte, rege besuchte PLO-Trainingslager, um Flugzeugentführer und (Selbstmord-)Attentäter möglichst gut auszubilden. Auch deutsche RAF-Terroristen, Mitglieder der italienischen Brigate Rosse oder der französischen Untergrundorganisation Action Directe waren gelehrsame Gastschüler in den Camps und wurden für erfolgreich absolvierte Gewaltausübungskurse mit Waffen und Munition belohnt.
Und nun, während die Hamas aus dem Gazastreifen Tausende Raketen auf Israels Zivilbevölkerung abfeuert, plärren (angeblich) antifaschistische Linke Seite an Seite mit homophoben Islamisten, arabischen Ultranationalisten, rechtsradikalen Erdoganisten, Grauen Wölfen, Hisbollah-Anhängern und Muslimbrüdern Parolen wie „Israel-Kindesmörder“ und schwingen neben Holocaust verharmlosenden Transparenten auch eifrig Hamas-Flaggen.
Das ist so, als würden rechte Wiederbetätiger mit Hakenkreuzfahnen durch Wien laufen, denn Symbole der radikalislamistischen Terrororganisation Hamas sind in Österreich verboten. Im Rahmen des Anti-Terror-Pakets hat Österreich – nach Israel, Kanada, den USA, Argentinien, Großbritannien, den Niederlanden, Deutschland und Honduras – im Mai endlich auch die Hisbollah und deren Insignien verboten. Gedauert hat es bis zur Gesetzwerdung immerhin ein ganzes Jahr, ein diesbezüglicher Entschließungsantrag wurde bereits Ende Mai vorigen Jahres im Nationalrat eingebracht. Sogar die Arabische Liga war schneller als Österreich und erklärte die Partei Gottes, die 1982 von den iranischen Mullahs als antiisraelische Außenstelle im Libanon gegründet worden war, bereits 2016 zur Terrororganisation.
Wichtigste geistliche (und spendable) Autorität der Hisbollah ist Irans Ajatollah Ali Khamenei, der die Vernichtung des Judenstaates bekanntlich zur Staatsräson erklärt hat: „Das Krebsgeschwür, genannt Israel, muss aus der Region herausgerissen werden. Iran wird jedem helfen, der das zionistische Regime bekämpft, so wie es schon in der Vergangenheit Hisbollah und Hamas geholfen hat.“
Der iranische Außenminister Mohammed Javad Zarif hat seinen Wien-Besuch wegen des blauen Davidsterns auf österreichischen Regierungsgebäuden bekanntlich kurzfristig abgesagt. Die Opposition und auch die außenpolitische Sprecherin der Grünen sind empört, weil: Österreich ist neutral. Doch Neutralität bedeutet nicht, äquidistant zu Terroristen und Terrorisierten sein zu müssen.
Erschienen am 18.5.2021 in der Rubrik „Quergeschrieben“ in der Tageszeitung „Die Presse“
Flagge zeigen statt hissen
Israel befindet sich nicht im Krieg mit Arabern oder mit den Bewohnern Palästinas, sondern mit der Hamas, einer vom Iran unterstützten Terrororganisation. Hier gilt es Flagge zu zeigen. Nicht aber, sie auf einem österreichischen Regierungsgebäude zu hissen.
Von Ronni Sinai
Im Sommer 1979 mühte sich der damalige österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky in diplomatischer Mission ab, den Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, Jassir Arafat, dazu zu bewegen dem Terror abzuschwören und das Existenzrecht Israels anzuerkennen. Israel sollte dafür die besetzten Gebiete räumen und einer Zwei-Staaten-Lösung zustimmen. Kreisky scheute sich nicht, Arafat, der immerhin als Pate des Nah-Ost-Terrors galt, als Freund zu betrachten und dies sogar mittels Umarmungen zu bekräftigen. 42 Jahre danach ist ein solches Verhalten seitens einer Regierung westlicher Ausprägung nicht mehr denkbar, und das ist gut so.
Der Konflikt und mit ihm die Gewalteskalation ist leider unvermindert da, eine Lösung scheint wieder in weiter Ferne. Verständnis für Terrororganisationen wird nun jedoch – anders als damals seitens Österreichs Bundesregierung – eine klare Absage erteilt, die Aggression der Hamas scharf und unmissverständlich verurteilt, und dies natürlich völlig zu Recht. Soweit so gut.
Das Hissen der israelischen Flagge ist jedoch überschießend und problematisch. Dafür gibt es folgende Gründe:
- Israel ist ein souveräner Staat und bedarf als solcher keiner symbolhaften Solidaritätsbekundungen. Es kann sich durch wirtschaftliche und militärische Kraft gegen Bedrohungen selbst verteidigen. Österreich hätte ebenso wenig erwartet, dass nach dem Terroranschlag in Wien im vergangenen Jahr die österreichische Flagge auf israelischen Regierungsgebäuden weht.
- Bundeskanzler Kurz spricht oft von einer Freundschaft Österreichs mit Israel. Man kann sich des Verdachtes kaum verwehren, dass dies vorwiegend seiner persönlichen Sympathie für Benjamin Netanyahu geschuldet ist. Dies kann durchaus eine Rolle für die Beflaggung des BKA gespielt haben. Es sei dahingestellt, ob diese Sympathie von einer Mehrheit hierzulande geteilt wird.
Im Übrigen halte ich generell den Begriff Freundschaft im Zusammenhang mit Regierungen, für die die Interessen der eigenen Bevölkerung im Vordergrund stehen sollten, für unpassend. Natürlich sind bilaterale wirtschaftliche, politische und kulturelle Beziehungen unabdingbar, aber mit Freundschaft hat das wenig zu tun. Idealerweise kann und soll eine solche interkulturell und interreligiös zwischen Menschen und Familien verschiedener Staaten gepflegt werden.
- Die Beflaggung einer staatlichen Einrichtung kann ausschließlich Emotionen wecken und sonst nichts. Außer, wenn Fahnen als Trauerbekundung auf Halbmast gesetzt werden. Eine Beflaggung trägt weder zur Lösung eines Konfliktes bei noch zur Information und Bildung der Bürger. Sie kann nur emotionalisieren statt aufklären und ist wohl ungeeignet, den Sachverhalt eines so komplexen Konfliktes zu erklären.
- Wollen wir etwa nach einem Anschlag der als terroristisch eingestuften kurdischen Organisation PKK auf die Zivilbevölkerung in der Türkei dann die türkische Flagge auf dem Bundeskanzleramt sehen?
Der romantischen Kritik einiger JournalistInnen sowie sogenannter Brückenbauer an der Beflaggung, Österreich sei ein neutraler Staat und solle sich nicht auf die Seite einer Kriegspartei stellen, sondern eher vermitteln, kann ich mich nicht anschließen. Israel befindet sich nicht im Krieg mit Arabern oder mit den Bewohnern Palästinas, sondern mit der Hamas, einer vom Iran unterstützten Terrororganisation, die sich als Vertretung des gesamten palästinensischen Volkes inszeniert. Hier gilt es Flagge zu zeigen, sie zu hissen ist eine andere Sache.