George Soros sorgt für Aufregung: mit seinem Reichtum bei den Linken, mit seinem Engagement für eine liberale Gesellschaft bei den Rechten. Nun machen ihn seine Äußerungen zur Flüchtlingskrise zum Sündenbock schlechthin.
Für Geld kann man alles kaufen – fast alles zumindest, möchte man glauben, wenn man die Finanzseiten der großen Zeitungen liest. Und doch: Zu jenen Dingen, die auch Milliardeninvestitionen nicht möglich machen, gehört – neben Gesundheit – offenbar politisches Wohlwollen. Das muss der ungarischstämmige Milliardär George Soros jetzt auch in Österreich erleben. Nach einer Hetzkampagne von Ungarns Regierung und vor allem deren Chef Viktor Orbán gegen den Selfmademan – die in dem Vorwurf gipfelte, er sei mit einem „Masterplan“ Drahtzieher hinter den Flüchtlingsströmen –, fiel die Entscheidung: Die von Soros gegründete Central European University (CEU) übersiedelt ab 2019/20 zum Teil nach Wien. Aber auch hierzulande schlägt Soros nicht ungeteilte Freude ob dem Investment entgegen.
Doch warum regt der 88-Jährige so auf? Brillanter Starinvestor, gefürchteter Spekulant, spendabler Philanthrop, verhasster Linksaktivist mit jüdischem Hintergrund: Der als György Schwartz 1930 in Budapest geborene Soros (sein Vater, ein Rechtsanwalt, änderte im aufkeimenden Nationalsozialismus den Familiennamen) wurde in seinem langen Leben mit unterschiedlichsten Etikettierungen versehen – und er lieferte häufig Stoff für Verschwörungstheorien. Wobei Soros vor allem die Gemüter erhitzt, wenn es um sein gesellschaftliches Engagement und um seine politischen Aktivitäten geht.
In Finanzkreisen gilt er – neben Warren Buffett, Carl Icahn und Paul Singer – als weiser Mann des Geldes. Aber auch in diesem, seinem angestammten Metier, hat der zweite Sohn einer jüdischen Familie, der mit 17 Jahren vor den Nationalsozialisten floh und allein nach London auswanderte, nicht nur Freunde. Meisterspekulant: Allein dieses Prädikat trägt schon Kritik, vor allem von links, in sich. Soros hat diesem Namen allerdings auch alle Ehre gemacht. Es war der 16. September 1992, zwei Jahre nach dem Eintritt Großbritanniens in den Europäischen Wechselkursmechanismus: Das Pfund war total überbewertet, Soros vom baldigen Zusammenbruch des britischen Währungssystems überzeugt. Er kaufte Pfund im Wert von zehn Milliarden Dollar – und verkaufte sie. Die Bank of England hielt dagegen – vergebens. Der Kursrutsch war nicht zu stoppen, Soros verdiente an einem einzigen Tag rund eine Milliarde Dollar.
Das Wissen, wie die Finanzmärkte und die Wirtschaft funktionieren, erwarb er sich anfänglich im Studium an der London School of Economics. 1956 ging er in die USA, ins Epizentrum des Finanzmanagements. Dort lernte er die Praxis kennen und hatte offenbar auch den richtigen Riecher: Sein 1970 mit Jim Rogers (einem ebenfalls legendären Fondsmanager) gegründeter Soros Fund, der später in Quantum Fund umbenannt wurde, zählt zu den erfolgreichsten Hedgefonds der Geschichte. Im Unterschied etwa zu Warren Buffett, der sich bei unterbewerteten Unternehmen einkauft und auf Wertsteigerungen setzt, folgte Soros meist seinem Gespür für makroökonomische Entwicklungen.
Die Milliarden sieht man Soros dennoch nicht an. Er besitzt zwar schöne Anwesen, unter anderem auf Long Island, aber sein Büro mitten in Manhattan spiegelt ebenso Understatement wider wie Soros selbst. Vor allem jedoch leugnete und vergaß er nie seine Wurzeln, im Gegenteil. Oft und gerne erzählt er, dass er in Budapest, gleich nach der Besetzung durch die Nazis, eine Erfahrung gemacht habe, die ihm sein ganzes langes (Finanz-)Leben hindurch nützlich gewesen sei: dass man nämlich in Extremsituationen nicht mit normalen Aktionen weiterkomme. Denn nur mit den falschen Papieren, die sein Vater besorgt hatte, überlebte die Familie.
Mächtig gegen den Mainstream
Apropos Wurzeln: An der London School of Economics lehrte in den fünfziger Jahren ein Mann, der Soros nachhaltig prägen sollte: der Philosoph Karl Popper. Dessen Konzept der „offenen Gesellschaft“ inspirierte Soros zu seinem sozialen und philanthropischen Engagement. Die von ihm gegründeten Open Society Foundations fördern Studenten und Universitäten auch, um das kritische Denken und den Austausch zwischen Menschen aus verschiedenen Nationen, Ethnien und Religionen zu unterstützen. Da war der Schritt in seine ehemalige Heimat naheliegend. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sollten Soros-Stipendiaten die Idee der „offenen Gesellschaft“ in ihren Heimatländern aufbauen. Ironie der Geschichte: Einer von ihnen hieß Viktor Orbán, er erhielt 1989 die Mittel für ein Studium in Oxford. Anfang der neunziger Jahre wurde dann in Budapest die Central European University gegründet, die nun von Orbán zur „Auswanderung“ gezwungen wird.
Soros ging es aber nicht nur um den Sturz des Kommunismus in Osteuropa. Als glühender Verfechter einer demokratischen Zivilgesellschaft, die allen Gruppen Entfaltungsmöglichkeiten bietet, ging er in vielen Ländern zu deren Regimes auf Konfrontationskurs, so auch in der Ukraine. Und er tut es nach wie vor. Soros fördert NGOs, Oppositionelle, kritische Journalisten – mit einem Wort alle, die nicht mit dem Mainstream schwimmen. Dass ihn das bei den Mächtigen rund um den Globus suspekt macht, ist kein Wunder. Aber es geht nicht nur um Politik im engeren Sinn. Wenn Soros sich für die Anerkennung von Minderheiten wie den Roma starkmacht oder für die Gleichberechtigung von Homosexuellen, dann ist er ebenso Zielscheibe, wie wenn er den drohenden Zerfall der EU, den Brexit und Fehlentwicklungen der modernen Marktwirtschaft aufs Korn nimmt. Weil er Angst um seine Milliarden hat? Nein. „Ich mache mir Sorgen um unsere Zivilisation“, sagte er in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit. Hoffentlich sieht der greise Milliardär zu schwarz.