Paulus Mankers Dauerbrenner „Alma“ erweist sich auch in Buchform erwartungsgemäß als distanzlos exzessiv.
VON GREGOR AUENHAMMER
„Sie ist mir artfremd. Kühl, überlegen und jüdisch. Es ist ein solcher Schmerz für mich, eine 150% Jüdin geboren zu haben“, schrieb Alma Mahler-Werfel, die als Grande Dame des österreichischen Kulturlebens Gefeierte, über ihre Tochter Anna. Dieser typisch austriakische, unverhohlen-latente, schizophrene Antisemitismus schwingt auch im Statement „Ich könnte ohne Juden nicht leben, lebe ja auch dauernd mit ihnen. Aber meine Seele ist so voll Harm gegen sie, dass ich trotzig mich aufbäume – unentwegt“ mit sowie in der Bewunderung für Adolf Hitler als „heldischen Menschen“, der „sieghaft über die Menschheit schreite.
Normalerweise begegnet man Säulenheiligen wie Alma Mahler-Werfel, von der diese irritierenden wie degoutanten Sätze stammen, mit Distanz, Bedacht, mit bewusster Aussparung oder Relativierung. Ganz anders näherte sich Paulus Manker der berühmt-berüchtigten femme fatale des Wiener Fin de Siècle. Manker exhumierte Schriften, Fotos, Skizzen, Tagebücher, sezierte ihren zur Schau gestellten Seelenstriptease, aalte sich in der Präsentation ihrer promiskuitiven, lasziven, grenzen- wie schamlosen Art. Ob Diva, Göttin, Hure. Besessen, ekstatisch, exzessiv. Grandios in den Details. Allein Alfred Kubins Todessprung, der ein Männchen zeigt, das in eine überdimensionale Vulva springt, als Synonym der „Sphinx Alma“ zu dekuvrieren, zeugt von Chuzpe und Größe. Manker hinterfragt, zerlegt, seziert Alma Mahlers Tagebücher und Interviews, enthüllt Widersprüche, Provokationen und Bekenntnisse.
Luzide wird ihre Ambivalenz sichtbar – zu den sie prägenden und von ihr geprägten, von ihr umgarnten (jüdischen wie nicht-jüdischen) Männern ihres bewegten Lebens. Man begegnet naturgemäß Gustav Klimt, Emil Jakob Schindler, Carl Moll, Oskar Kokoschka, Franz Werfel, Gustav Mahler, Walter Gropius und vielen mehr. „Nichts schmeckt besser als das Sperma von einem Genie“, bekannte Alma Mahler-Werfel Ende der 1940er. Eine Sequenz mit Fotografien von Mankers genial-orgiastischem Theaterevent Alma – a Show Biz ans Ende rundet das Porträt der Zerrissenen perfekt ab. Manker gelingt mit jener Ode an Leidenschaft, die Leiden schafft, ein geniales Kaleidoskop des Lebens.
P.S.: Paulus Mankers 1996 aufgeführter Dauerbrenner Alma – A Show Biz ans Ende von Joshua Sobol über Alma Mahler-Werfel hat am 23. Juni im renovierten Südbahnhotel am Semmering Premiere.
Paulus Manker
Das große Alma-Mahler-Album
Amalthea-Signum-Verlag
352 S., EUR 38,–