Kommentar von Martin Engelberg
Gilt diese Redewendung womöglich auch für die neue israelische Regierung? Tatsächlich sagten viele der neuen, sehr diversen Koalition keine lange Überlebensdauer voraus. Bekanntlich spannt sich der Bogen der Koalitionspartner von der weit rechts stehenden Partei des Premierministers Naftali Bennett, HeJamin HeChadasch, sowie der sekulär-nationalistischen Partei des Finanzministers Avigdor Lieberman, Israel Beitenu, über die traditionsreiche, aber sehr geschrumpfte linksgerichtete Arbeitspartei Awoda bis hin zur stark linksgerichteten Meretz-Partei. Die Koalition inkludiert sogar – erstmalig – die konservativ arabische Ra’am-Partei. Es war offensichtlich, dass all diese Parteien vor allem ein Ziel einte: „Nur nicht Bibi!“ Sie wollten alles tun, um Benjamin Netanjahu als Premierminister abzulösen. Doch gerade deshalb könnte sich diese Regierung vielleicht länger im Amt halten als erwartet.
Erstens schweißt dieses gemeinsame Ziel die handelnden Personen und Parteien zusammen. Schließlich wird ihnen von allen Seiten Verrat am Wähler und an der Sache vorgeworfen. Schon allein deshalb kann praktisch keine der Regierungsparteien rasche Neuwahlen riskieren.
Zweitens sind die handelnden Personen politische Vollprofis: Bennett bekleidete schon mehrfach Ministerämter und ging als Kabinettsmitglied durch die politische Schule von Netanjahu. Sehr ähnlich verhält es sich mit Lieberman. Auch der – im Rahmen der vereinbarten Rotation – als alternierender Premierminister vorgesehene Außenminister Lapid ist inzwischen kein Newcomer mehr. Die in Israel so wichtige Position des Verteidigungsministers wird weiterhin von Benny Gantz gehalten, der zudem ein Berufsmilitär und Generalstabschef war.
Drittens ist wohl die wichtigste Basis dieser so abwegigen Regierungskonstellation die Vereinbarung, alle heiklen politischen Themen auszuklammern. Brandheiße Fragen wie die mögliche Annexion des Westjordanlandes, Sozialpolitik oder Trennung von Staat und Religion werden nicht angerührt. Die Regierung wird sich wie eine Expertenregierung verhalten. Jeder Minister soll sein Sachgebiet bestmöglich verwalten, innenpolitischen Minenfeldern gilt es auszuweichen. Während man meinen könnte, dass dies fast eine Garantie für Probleme darstellt, könnte es das Gegenteil bewirken: nämlich genau jene Stabilität zu bringen, die das Land sehr dringend benötigt.
Wo ist also Bewegung zu erwarten? Ganz sicher nicht bei einem Friedensprozess mit den Palästinensern. Dazu sind die Positionen in der israelischen Regierung viel zu divergierend, und es gibt auch keine palästinensische Führung, die ein valabler Verhandlungspartner wäre. Außer einigen scheinbar unbelehrbaren europäischen Politikern wie dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, oder dem luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn, scheinen alle anderen Player dem Modell der klassischen Zwei-Staaten-Lösung bereits den Rücken zugekehrt zu haben.
US-Präsident Joe Biden deutet kein gesteigertes Interesse an einer Abkehr vom Kurs der Trump-Administration an. Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, die Akzeptanz der Annexion der Golanhöhen und auch der von Trump-Schwiegersohn Jared Kushner erarbeitete Friedensplan – nichts davon wird von der neuen US-Regierung in Frage gestellt oder rückgängig gemacht. Ähnlich verhält es sich mit den arabischen Staaten, die unter Trump nacheinander historische Friedensabkommen mit Israel schlossen. Deren Umsetzung wird jetzt intensiviert, die Handelsbeziehungen und der Tourismus zwischen den ehemals verfeindeten Ländern blühen und gedeihen. Dieser Prozess geht unaufhaltsam weiter; es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Saudi-Arabien auf den Zug aufspringt.
In den kommenden Monaten ist der einzige Knackpunkt für die neue israelische Regierung die Beschlussfassung über ein Budget für 2021 – Israel wird seit längerem mit Budgetprovisorien regiert – und gleichzeitig für 2022. Sollte darüber eine Einigung erzielt werden, dann sehen die Zukunftsaussichten der neuen Regierung noch rosiger aus.
Doch Netanjahu ist noch lange nicht von der politischen Bühne abgetreten. Vielmehr wartet er als Oppositionsführer an der Seitenoutlinie auf die Fehler und das Auseinanderbrechen der Koalition. Geschähe dies in den nächsten Monaten, wäre seine Rückkehr ins Premierministeramt wohl kaum aufzuhalten.