Von Harry Bergmann
Wie oft habe ich diese Frage schon gehört: „Ist das noch dein Israel?“ Eine Frage, die keine Antwort erwartet, denn die hat sich der Frager meist längst schon selbst gegeben: „Israel ist nicht mehr das, was es einmal war. Israel ist ein Aggressor, Besetzer, Unterdrücker, Kolonisator, verachtet die Menschenrechte“. Eben all der Headline-Müll, den CNN & Co. täglich in die behaglichen Wohnzimmer dieser Welt kippen. Oder anders: „Das kann doch nicht mehr dein Israel sein!?“
An dieser Stelle muss ich zum besseren Verständnis hinzufügen: Ich lebe mit meiner Familie in Wien. Wir haben in Israel einen „zweiten“, sagen wir Ferienwohnsitz. Als vor zwei Wochen der Wahnsinn über die Region hereinbrach, waren wir gerade alle dort. Katjuscha um Katjuscha stellte sich die Frage: Sollen wir nicht „nach Hause“ fliegen? Warum sollen wir die Kinder in Gefahr bringen? Schließlich ist ja unser Lebensmittelpunkt woanders …Aber je mehr Katjuschas geflogen kamen und je weniger man das in den internationalen Nachrichten zu hören, zu sehen und zu lesen bekam (denn die hatten alle Hände voll damit zu tun, Ursache mit Wirkung zu verwechseln), desto mehr stellte sich heraus, dass „zu Hause“ auch ein Begriff sein könnte, der vom Geschehen des Augenblicks diktiert wird. Jetzt war unser Zuhause dort und nur dort.
Solidarität – bleiben und mitzittern – war das Einzige, was wir in dieser Situation beitragen konnten. Das mag nicht nach sehr viel klingen, aber es war zu spüren, dass es einigen Menschen in Israel doch einiges bedeutet hat.
Solidarität mit meiner Geburtsstadt Haifa und ihren Einwohnern, die zu Tausenden in den Süden flüchteten – wieso sind eigentlich flüchtende Libanesen ein so viel besserer Stoff für breaking news als flüchtende Israelis? Solidarität mit der Ohnmacht über das, was einem angetan wird, aber auch über das, zu dem man gezwungen wird, es anderen anzutun. Solidarität mit den libanesischen Kindern, die wohl mit Gewalt in ihren Häusern festgehalten werden, von denen aus Raketen abgeschossen werden, und die dann zu Opfern der israelischen Luftwaffe werden. Solidarität mit der Wut über die Welt-Berichterstattung, die aus unschuldig Angegriffenen blindwütige Angreifer macht.
Sollte ich jetzt wieder gefragt werden, hier meine Antwort: „Israel war noch nie so sehr mein Israel wie heute.“