Krummschwert und Fleischerbeile

VON PETER MENASSE

Mit den journalistischen Kommentaren ist das so eine Sache. Da schreibst du in bester Überzeugung, der Welt die Wahrheit erklären zu müssen – und keiner will es wissen. So ist es allen Medienleute gegangen, als das von Saudi-Arabien finanzierte „König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog“ mit Sitz in Wien gegründet wurde. Viele von uns schrieben empört dagegen an. In NU 46 (Dezember 2011) brachte es David Rennert auf den Punkt: „Das fundamentalistisch-islamische Land hat den Wahhabismus zur Staatsdoktrin erhoben. Freie Religionsausübung ist verboten, der ‚Abfall vom Islam‘ ist mit der Todesstrafe bedroht, und die Gesetzgebung wird dogmatisch nach der Scharia ausgelegt – mit allen Konsequenzen, insbesondere für Frauen.“

Warum nur, fragt man sich bis heute, beurteilte das die österreichische Politik damals ganz anders und räumte einem menschenverachtenden System eine Plattform zur Weißwaschung ein? Die Antwort lautet wohl: Die Saudis haben Öl und Geld, Österreich charmiert die Mächtigen an, um deren ökonomische Zuneigung zu erlangen.

Erst drei Jahre später wurde durch ein Interview mit der Generalsekretärin des Zentrums, Claudia Bandion-Ortner, deutlich, welche Entscheidung die österreichischen Politiker da getroffen hatten. Kein Kritiker und kein Kabarettist hätte es besser auf den Punkt bringen können als sie. Als eine Redakteurin des Profil bei einem Interview darauf hinwies, dass im Jahr 2014 in Saudi-Arabien bereits 60 Menschen mit Krummschwertern hingerichtet worden waren, immer an Freitagen nach dem Gebet, sagte sie: „Das ist nicht jeden Freitag. Natürlich bin ich gegen die Todesstrafe.“ Und sie sei als Frau bei ihren Reisen auch immer gut behandelt worden.

Es scheint nun dank dieser Aussagen drei Jahre nach den Kommentaren unabhängiger Journalisten auch die Politik langsam zu begreifen, warum ein interreligiöses Zentrum eines monolithischen Religionssystems nur eine Farce sein kann.

Am 18. November konnte einem eine andere, völlig unverständliche Reaktion eines österreichischen Politikers in Erinnerung kommen. An diesem Tag haben zwei Palästinenser eine Synagoge in Jerusalem gestürmt und betenden Juden mit Schlachtbeilen Arme und Beine abgehackt.

Es gab daraufhin noch am selben Tag scharfe Verurteilungen von US-Präsident Barack Obama („Eine Rechtfertigung für derartige Attacken gegen unschuldige Zivilisten gibt es nicht und kann es nicht geben“), UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon oder dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier. In Österreich herrschte Funkstille, keine Reaktion eines wesentlichen Politikers war zu vernehmen.

Nun hatte Bundespräsident Fischer im Zuge des Gaza-Konflikts bekanntlich Israels Vorgehen kritisiert, weil die Zahl der palästinensischen Opfer eine „beträchtliche, wenn nicht extreme Unverhältnismäßigkeit“ aufgewiesen habe. Die Klarstellung, ob er meine, dass Israel den Schutzschirm gegen die Raketenangriffe öffnen hätte sollen, um genügend Opferzahlen darstellen zu können, hat er nie gegeben.

Zurück zum Attentat vom 18. November: Die Hamas begrüßte den Terroranschlag erwartungsgemäß jubelnd. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte ihn zwar, forderte aber im gleichen Atemzug Israel auf, „Provokationen auf dem Tempelberg in Jerusalem und in den Palästinensergebieten zu unterlassen“.

Nun hätte sich erwarten lassen, dass der auf Verhältnismäßigkeit drängende Herr Bundespräsident den Reaktionen der Palästinenser seine Kritik entgegenstellen würde. Juden zu Tode hacken und mit „Provokationen am Tempelberg“ aufzurechnen, ist nicht eben ein Muster von ausgeglichener Argumentation. Aber weit gefehlt. In einem Interview in der Presse vier Tagen nach dem Attentat meinte Heinz Fischer auf die Frage der Redakteure nach der Mordattacke: „Ohne Wenn und Aber: Dieser Terroranschlag gegen Betende in einer Synagoge war ein schreckliches Verbrechen, das ich schärfstens verurteile.“ – Um dann aber doch in der selben Antwort ein „Wenn und Aber“ hinzufügen: „Was ich noch sagen möchte: Die Tendenz der derzeitigen israelischen Regierung, das Problem mit den Palästinensern primär durch eine Politik der Repression und mit einer forcierten Siedlungspolitik zu lösen, kann ich nicht nachvollziehen.“

Was ist das nur? Der stets umsichtig formulierende, staatsmännisch argumentierende Heinz Fischer verurteilt ein Attentat auf amerikanische, englische und israelische Juden und bringt es im selben Atemzug in einen Zusammenhang mit Handlungen der israelischen Regierungspolitik. Das ist mehr als Unverhältnismäßigkeit, das ist bei aller verbalen Abgrenzung vom Terroranschlag doch eine Unterstützung der krausen Argumentation der Mörder.

Dem Bundespräsidenten Antisemitismus zu unterstellen, wogegen er sich in Alpbach verwahrt hat, wäre in der Tat falsch. Antijüdische Ressentiments sind es mit Bestimmtheit nicht, die Heinz Fischer treiben. Aber es wäre hochinteressant zu erfahren, warum sich Österreichs Bundespräsident so sehr in die Nähe von militanten Gruppen stellt, die nichts anderes wollen, als einen befreundeten Staat, nämlich Israel, von der Landkarte zu tilgen.

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