Ein trüber Tag in Amsterdam, man sitzt im Hotelzimmer, dreht den Fernseher auf und befindet sich plötzlich in einer wunderbar heiteren Welt. René Wachtel ist zufällig auf die Dokumentation „Hava Nagila“ gestoßen und war fasziniert.
Vor kurzem saß ich in einem Hotel in Amsterdam, zappte durch die TV-Kanäle und blieb bei einer Dokumentation mit dem Titel Hava Nagila hängen. Zuerst war ich noch zögerlich, denn was konnte ich von einem solchen Film noch erfahren, wo ich doch das gleichnamige Lied in- und auswendig kenne. Zunehmend aber belehrte mich der Film der US-amerikanischen Filmemacherinnen Roberta Grossman und Sophie Sartain eines Besseren. Die beiden hatten sich auf die Suche nach dem Grund für den Erfolg von Hava Nagila gemacht. Gelungen ist ihnen ein so genialer und kurzweiliger Film, das über ihn zu berichten lohnt.
Die beiden starteten auf den Straßen von New York und L.A. mit der einfachen Frage: „Was ist Hava Nagila?“ Und sie bekamen die unterschiedlichsten Antworten: „Keine Ahnung!“ – „Das ist doch etwas Jüdisches!“ – „Wie Bagel?!“ – „Ja, das ist doch der Bar-Mizwa-Song?“
Für uns alle, die Juden sind oder dem Judentum nahestehen, gehört dieses Lied zu jeder guten jüdischen Feier. Aber das Lied ist mehr, wie sich im Film herausstellte. Es ist ein Lied mit einer einzigartigen Story, ein Lied, das in den Stetln Galiziens (Polen, Russland, Ukraine) entstanden ist und auf der ganzen Welt, in vielen Kulturen, als Synonym für die Lebensfreude der Juden angesehen wird. Und es hat weltweit immer wieder neue und moderne Interpretationen erfahren.
„Lasst uns glücklich sein“
Entstanden ist es ursprünglich als wortloser chassidischer Niggun, was so viel wie Melodie bedeutet, und wurde erst später, in den Zeiten der englischen Besatzung in Palästina, von Abraham Zvi Idelsohn und Moshe Nathanson mit dem bekannten Text versehen. Die Worte sind simpel: „Lasst uns glücklich sein, lasst uns singen und fröhlich sein – mit einem glücklichen Herzen!“
Aus dem einfachen Lied mit seiner fröhlichen Botschaft ist ein Ohrwurm mit einer spannenden Biografie geworden – und heute ein absoluter Youtube-Star. Wenn man dort „Hava Nagila“ eingibt, erhält man rund 212.000 Ergebnisse. Es finden sich Interpretationen vom Chor der Roten Armee über André Rieu bis hin zu Versionen als Techno-Song, Dance oder auch Bollywood-Varianten. Ivan Rebroff hat den Song interpretiert, Bob Dylan, Elvis Presley, Dalida. Einer der bekanntesten Interpreten war Harry Belafonte, der König des Calypso-Songs, der im Film auch interviewt wird. Für ihn enthält Hava Nagila eine schöne Botschaft von Freude, Hoffnung und Frieden: „A deep message of joy, hope and peace!“ Die Filmemacherinnen interviewten auch Connie Francis, die das Lied ebenfalls aufgenommen hat. Das mag überraschen, aber mehr noch die Tatsache, dass ihre Interpretation die bis heute meistverkaufte Plattenaufnahme von Hava Nagila ist. Im Film wird sie gefragt, ob sie das Lied gesungen habe, weil sie jüdisch sei. Ihre Antwort: „Nein, ich nicht, aber mein damaliger Manager war jüdisch!“
Auch der Country-Sänger und Gitarrist Glen Campbell hat das Lied interpretiert, es war die B-Seite seines Oscar-nominierten Songs für den Film True Grit.
In der Dokumentation sieht man Filmausschnitte mit den Simpsons, aus der Muppet-Show und auch aus Bollywood. Man erfährt darüber hinaus, dass der Song für die Hippie-Generation der 1960er- Jahre in den USA von großer Bedeutung war. Es symbolisierte Offenheit und Freude. Und für viele Juden in der ehemaligen Sowjetunion war es ein Lied der Freiheit und ihr einziger Bezug zu Israel.
So begegnete mir in Amsterdam per Zufall ein Film, der mich fröhlich stimmte, ein Film, der das Phänomen des Liedes Hava Nagila zeigt, seine weltweite Bedeutung und wie es auf der ganzen Welt Musiker immer wieder animiert hat, ihre eigene Versionen zu entwickeln. Hava Nagila steht tatsächlich und immer wieder für „Lasst uns glücklich sein, lasst uns singen!“
Mehr Informationen über den Film: http://www.havanagilamovie.com/