Elie Rosen, Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz, ist seit Jänner auch Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Salzburg. Mit viel Engagement konnte er seit seinem Amtsantritt bereits einiges umsetzen.
Von René Wachtel
Elie Rosens Salzburger Büro befindet sich gleich neben der Salzburger Synagoge in einem idyllischen kleinen Garten mitten im Zentrum. Im Besprechungszimmer hängen Bilder seiner Vorgänger, darunter auch solche von Marko Feingold, der von 1983 bis kurz vor seinem Tod im Jahr 2019 amtierte. Vier Jahre später wurde der Hans-Makart-Steg, der die beiden Salzach-Ufer verbindet, in Marko-Feingold-Steg umbenannt, was in Salzburg durchaus Staub aufwirbelte, da so manche Stimme dagegen laut wurde. Die Eröffnung fiel dennoch feierlich aus und der Marko-Feingold-Steg gehört heute wie selbstverständlich zur Stadt.
Hanna Feingold trat nur für kurze Zeit die Nachfolge ihres Mannes an, die Kür von Elie Rosen zum Salzburger IKG-Präsidenten kam durchaus überraschend. Er habe bereits in seiner Jugend die Sommermonate regelmäßig in Salzburg verbracht, begründet Elie Rosen selbst seinen Schritt Richtung Salzburg, wo sein Großcousin Thomas Chaimowicz an der Universität unterrichtete. So habe er die Gemeinde und etliche ihrer Mitglieder kennengelernt und in Salzburg auch stets einen Wohnsitz gehabt. Schließlich seien Hanna Feingold und Gemeindemitglieder vor den letzten Wahlen an ihn herangetreten und das Ergebnis habe Klarheit geschaffen.
Die Gemeinde von Stadt und Land Salzburg ist zwar mit rund hundert Mitgliedern klein, doch das war in der Vergangenheit kaum anders. Laut Volkszählung waren 1934 im gesamten Bundesland nur 239 Menschen jüdischen Glaubens registriert, darunter allerdings Künstler von so internationaler Bedeutung wie Max Reinhardt und Stefan Zweig. Heute erhofft sich Rosen aus der Gruppe der Kunst- und Kulturschaffenden Zuwachspotenzial für Salzburgs IKG; auch internationale Studenten und Studentinnen sowie Touristen und Besucher der Festspiele würden Interesse an der jüdischen Gemeinde zeigen, deren Altersstruktur übrigens jünger sei als in anderen österreichischen Gemeinden. Große Unterstützung, betont Rosen, erhalte er von den Kultusgemeinden München und Oberbayern.
Seit Amtsantritt hat er jedenfalls einiges umsetzen können: So gibt es nach vielen Jahren wieder alle vierzehn Tage Minjanim am Schabbat. Freitagabends und Samstagvormittags sind die für einen Gottesdienst mindestens erforderlichen zehn Juden präsent, deren Gebet von einem professionellen Kantor geleitet wird. Nach den Gebeten finden für die Gemeindemitglieder Kiddushim (Segen mit anschließendem Imbiss) statt.
Die Öffnung nach außen soll mit einem pädagogischen Programm forciert werden. Die ersten Gespräche mit Politikern und Politikerinnen von Stadt und Land Salzburg seien, so Rosen, konstruktiv verlaufen. Das viel beachtete Konzert des US-amerikanischen Star-Kantors Shulem Lemmer aus New York etwa besuchten neben der Landtagspräsidentin, Mitgliedern des Landtags sowie des Bürgermeisters auch der Landeshauptmann. Wilfried Haslauer habe sich bei einem persönlichen Gespräch auch als Israel-Freund und -Kenner zu erkennen gegeben. Seinen ersten längeren Aufenthalt nach der Matura hatte Haslauer in Israel verbracht, einem Land, von dem er bis heute angetan ist.
Größter Ansporn in all seinen verschiedenen Tätigkeitsfeldern ist für Elie Rosen, das jüdische Erbe „seiner“ Gemeinden in ganz Österreich zu vermitteln: „Ich erachte es als meine Aufgabe, die österreichische Bevölkerung, aber auch Freunde sowie jüdische und nichtjüdische Besucher mit jüdischem Leben, also mit unserem Erbe, vertraut zu machen. Ich will nicht, dass es in Vergessenheit gerät. Denn es gab ein facettenreiches jüdisches Leben vor der Schoa. Juden waren als stolze Österreicher in vielen Bereichen tätig und haben viel für das Land getan. Natürlich haben wir hier in Salzburg mit Max Reinhardt, dem Gründer der Salzburger Festspiele, ein besonderes Beispiel. Aber auch die Familie Mautner mit ihrer Liebe zum österreichischen Brauchtum zählt dazu, oder Rudolf Gomperz, der als Fremdenverkehrspionier des Arlbergs gilt.“ Nun wagt sich Elie Rosen an die Sanierung der Synagoge heran. Gemeinsam mit Stadt und Land Salzburg möchte der Präsident das 1901 errichtete Gebetshaus der Salzburger Juden wieder zu einem herzeigbaren Kleinod machen.
Elie Rosen war mehr als 21 Jahre Mitglied des Kulturates der IKG Wien und dort Leiter der Finanz- und Personalkommission. Doch aufgrund seiner vielfältigen Tätigkeiten für die jüdischen Gemeinden in ganz Österreich schied er aus dem Vorstand der IKG Wien aus und legte seine Funktionen zurück. Ein Schritt, der ihm schwerfiel, doch brauche er seine ganze Energie, um „dort, wo unser jüdisches Erbe fast erloschen ist, dessen Flammen zum Erleuchten zu bringen“.
In der Israelitischen Religionsgemeinschaft (IRG), der Dachorganisation aller Kultusgemeinden in Österreich, ist Elie Rosen einer der zwei Vizepräsidenten. Der Präsident wird von allen Mitgliedern des Vorstandes gewählt, bisher übernahm in der Folge stets der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) das Amt – was nicht sein müsste, da die IKG Wien keine Mehrheit im Vorstand hat. Als offizielle Vertretung aller Israelitischen Kultusgemeinden Österreichs verhandelt die IRG mit dem Bund, so auch das neue Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz (ÖJKG). Diesem entsprechend bekommen die jüdischen Gemeinden in Österreich jährlich eine Zuwendung von vier Millionen Euro. Allerdings verbietet das Gesetz dezidiert, dass mit dem Geld religiöse Aktivitäten, der Erhalt oder Ausbau der Infrastruktur gefördert werden. Für kleine jüdische Gemeinden ist es daher schwierig, Gelder für den Erhalt ihrer Infrastruktur, der Betriebskosten sowie Abhaltung von Gebeten (Kantor) abzurufen. „Was nützt es kleinen Gemeinden, wenn sie für tausende Euro jüdisch-jemenitische Bauchtänze abhalten können, aber nicht wissen, wovon sie ihren Strom oder ihren Kantor bezahlen sollen“, stellt Rosen dieses Gesetz in Frage.
Frei verfügbar sind nur Einnahmen, die alle Kultusgemeinden nach dem Israelitengesetz erhalten. Hier bekommen die IKG Wien und die Kultusgemeinden in den Bundesländern unterschiedlich hohe Zuwendungen. Für kleine Gemeinden, die in der Regel keinerlei sonstiges Einkommen etwa aus Vermietung und Verpachtung haben (wie die Wiener Kultusgemeinde), ist dies oft die einzige Einnahmequelle. Salzburg steht so ein jährlicher Betrag von rund 70.000 Euro zur Verfügung: damit werden Synagoge, Friedhof, die Mikwe (rituelles Bad), Betriebskosten, Reparaturen, Abhaltung von Gebeten und Feiern finanziert, aber auch Glühbirnen nachgekauft. Ausgaben für Kultur wären mit diesem Minibudget nicht möglich.
„Das sogenannte Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz fördert zwar den interkulturellen Austausch. Aber es exkludiert Religion als maßgeblichen Faktor jüdischer Kultur und als konstitutives Element jüdischen Gemeindelebens. Kleine jüdische Gemeinden außerhalb Wiens können sich kaum etwas leisten. Das Kulturerbegesetz gibt vor, etwas zu sein, was es nicht ist. Es akzeptiert, dass kleine Gemeinden untergehen werden.“