Nach zweijähriger Renovierung wurde im April die ehemalige Synagoge St. Pölten als Kulturzentrum wiedereröffnet. Damit soll der Blick nach vorn in die zeitgenössische jüdische Kultur gerichtet werden.
Von René Wachtel (Text) und Ouriel Morgensztern (Fotos)
Wie die dort vor 1938 ansässige jüdische Gemeinde hat auch die Synagoge St. Pölten eine wechselvolle Geschichte. Die Israelitische Kultusgemeinde in der Stadt wurde 1863 gegründet, ein Gebäude am Schulring wurde von 1885 bis 1890 als Synagoge benützt. Die IKG St. Pölten bemühte sich um einen Neubau, der bis 1903 von der Stadtgemeinde abgelehnt wurde. Durch einen Grundstückstausch bekam die IKG dennoch die Möglichkeit, unmittelbar benachbart eine neue Synagoge zu bauen. Die Eröffnung des von den Architekten Theodor Schreier und Viktor Postelberg errichteten Gebäudes fand am 17. August 1913 statt. Das Haus bot Platz für 280 Männer und auf der Frauenempore für 195 Frauen. Damit ist die Synagoge, gemessen an der Anzahl der dort ansässigen Juden, der größte Tempel in Österreich.
Am 10. November 1938 wurde die Synagoge von den Nazis entweiht, zerstört und alle beweglichen Gegenstände geraubt oder verbrannt. Auf der großen Kuppel, die weit sichtbar ist, befand sich ein Davidstern, der heruntergerissen wurde. Die Bücher, die sich in der Bibliothek befanden, wurden fast alle verbrannt. Von allen Objekten sind eine Spendenbüchse und ein Gemälde von Kaiser Franz Josef erhalten. 321 Jüdinnen und Juden aus der Gemeinde wurden in der Schoa ermordet. 1952 wurde die Synagoge an die IKG Wien – als Nachfolgeinstitution der IKG St. Pölten – restituiert. Da sich nach der Vertreibung und Vernichtung der Jüdinnen und Juden in St. Pölten keine jüdische Gemeinde mehr bilden konnte, verfiel die Synagoge zusehends. Das Gebäude wurde unter Denkmalschutz gestellt und von 1980 bis 1984 restauriert. Seit 1988 beherbergt das angebaute Kantorenhaus das Institut für jüdische Geschichte Österreichs. Nun soll die Synagoge als Kulturzentrum dienen. Auf der Frauenempore erzählt eine Dauerausstellung die Geschichte des Hauses und der Gemeinde.
Zu besuchen ist die Synagoge täglich von 10 bis 17 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen von 10 bis 18 Uhr. Ouriel Morgensztern hat die renovierte Synagoge porträtiert.