Kommentar von Andrea Schurian
Seit tausende Hamas-Kämpfer, palästinensische Mitläufer und gar nicht so wenige Mitarbeiter der UN-Flüchtlingsorganisation UNRWA am 7. Oktober 2023 in südisraelischen Dörfern grausamst wüteten, wächst auf der ganzen Welt, nein, nicht etwa Anti-Islamismus, sondern Israel- und Judenfeindlichkeit. Achtzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird Antisemitismus mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung schöngeredet. Wobei Meinungsfreiheit eine volatile Angelegenheit ist. Unter dem Titel „Morbus Israel“ geißelte etwa der deutsch-jüdische Schriftsteller Maxim Biller in einem harten Kommentar in der Die Zeit antisemitisch grundierte Gaza-Kriegs-Debatten und „Täterenkel“. Als Leser gegen Billers „Untext“ und „ekelhafte Hetze“ wüteten, ließ die Chefredaktion den Artikel hasenfüßig von der Website entfernen. So geht Meinungsunfreiheit in der freien westlichen Welt. Etliche „Zeit“-Autoren kündigten daraufhin die Zusammenarbeit.
Die Bestialität der Hamas löste bei der palästinensischen Bevölkerung nicht etwa Entsetzen aus, sondern jazzte im Gegenteil die Beliebtheitswerte der Terroristen in die Höhe. Im Westjordanland hat sich die Zustimmung zur Hamas sogar verdreifacht, wie eine Umfrage des Konrad Adenauer Instituts und des Palästinensischen Zentrums für Politik und Umfragenforschung (PSR) ergab. Die UNO, die Israel Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorwirft, scheint für die Mörderbanden der Hamas erstaunlicherweise keine richtigen Worte zu finden. 467 Berichte habe die UNO zu Gaza veröffentlicht, listet die Henry Jackson Society (HJS) auf. Aber nur vier Mal werde der Missbrauch der Zivilbevölkerung als menschliche Schutzschilde durch die Hamas erwähnt: „Auf Hunderten von Textseiten kann der Leser kaum erkennen, dass die Hamas in Gaza überhaupt existiert.“ Für die Hamas ist der Krieg jedenfalls ein unerwartet gutes Geschäft. Laut israelischem TV hat sie seit Kriegsbeginn gut eine halbe Milliarde Dollar durch humanitäre Hilfe „verdient“.
In Österreich hat sich 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Hoffnung, rechter Antisemitismus würde gemeinsam mit den alten Nazis aussterben, leider nicht erfüllt. Er ist durch die Allianz mit importiertem islamistischem Judenhass sogar noch erstarkt. Und linkerseits wird Israel als Kolonial- und Apartheidsstaat denunziert; die Hamas nicht als brutale Terrororganisation verurteilt, sondern als unterstützenswerte Befreiungsbewegung missinterpretiert. Just als SP-Vizekanzler Andreas Babler seine Eröffnungsrede bei den Salzburger Festspielen hielt, enterten pro-palästinensische Störaktivisten die Bühne, verspritzten Kunstblut, entrollten Transparente, brüllten „Blut an euren Händen“ und „Free Gaza now“. Bundespräsident Alexander van der Bellen bat immerhin, nicht den Kriegsgrund zu vergessen: das schlimmste Pogrom der Nachkriegszeit ím Oktober 2023. Babler hingegen bekannte, die Proteste inhaltlich zu teilen. Eventuell ist er immun gegen Hohn und Zynismus der Hamas; schaut weg, wenn die Terroristen Fotos abgemagerter, gequälter Geiseln veröffentlicht; liest nicht die erschütternden Interviews mit Menschen wie Tal Shoham, die nach ihrer Freilassung über Folter, Hunger, Verzweiflung in den Tunneln der Hamas sprechen.
Unbestritten ist die humanitäre Lage im Gazastreifen katastrophal. Man kann also Israels Regierung und Kriegsführung sachlich kritisieren, auch in Israel selbst wächst der Widerstand, tausende Menschen demonstrieren gegen den Krieg und Netanjahus Kolition mit rechtsnational-religiösen Fundamentalisten. Aber warum werden deshalb hebräischsprechende Gäste in einer Wiener Pizzeria nicht bedient? Ein israelisches Ehepaar von Tiroler Campingplatzbesitzern verjagt? Geht so „nie mehr wieder“, achtzig Jahre nach Kriegsende? Wer übrigens glaubt, Babler habe die Störfritzen wegen diverser Gesetzesverletzungen gerügt, irrt. Im Gegenteil: Er lud die Hamas-Versteher zu einem offenen Dialog zu sich ein. Denn, so der Kulturminister, Kunst und Kultur müssten „Raum für Protest und Widerstand bieten“. Eh. Künstlerische Transformation wäre freilich gefragt. Braucht der Kulturminister aber nicht. „Elendstourismus“ nannte der große Theatermann Claus Peymann Kunstmissverständnisse nach Babler-Art: „Man kann diese furchtbare Wirklichkeit nicht abbilden, sondern ihr nur den Traum einer anderen Wirklichkeit entgegenhalten. Das tat schon Goethe, der seine ‚Iphigenie‘ in Kriegszeiten schrieb.“
Auch nach 9/11 bedeuteten die Kriegshandlungen der USA und ihrer Verbündeten im arabischen Raum abertausendfachenTod. Damals schickte Frankreich, nun einer der härtesten Israel-Kritiker, seine Soldaten an der Seite Amerikas in den Kampf. Völkerrecht? War damals im Elyseepalast offenbar kein Thema. Ja, Krieg ist immer furchtbar. Denn er verletzt das fundamentalste, existenziellste Menschenrecht, das Recht auf Leben. Es wäre wünschenswert, würde die UNO daran erinnern, dass es ausschließlich an der Hamas liegt, den Gaza-Krieg zu beenden: nämlich mit der bedingungslosen Freilassung aller Geiseln.