Das Südbahnhotel am Semmering wird mit hochkarätigen Kulturevents wieder zum Leben erweckt.
Von Michael J. Reinprecht
Eröffnet 1882, erlebte der schlossartige Prachtbau des Grandhotels an der Semmeringbahn um 1900 seine Blüte: Der Adel und das jüdische Großbürgertum gingen im Südbahnhotel ein und aus. Hier verbrachte man seine wochenlang dauernde Sommerfrische, hier holte sich Sigmund Freud die Inspiration zur Erforschung der menschlichen Seele und Gustav Mahler Ideen für seine Musik.
Doch ab den 1960er Jahren versank das ehemalige Luxushotel in Bedeutungslosigkeit und verfiel. Das leerstehende Schloss wurde zur Ruine. Auch ein paar saisonale kulturelle Aktivitäten konnten es nicht retten.
Doch seit Juli erwacht das Südbahnhotel aus seinem Schlaf, nachdem der Investor Christian Zeller das geschichtsträchtige Gebäude Anfang des Jahres erwarb. In zwei, drei Jahren wird das Hotel eröffnet, doch schon jetzt füllt es Ingrid Skovhus, künstlerische Direktorin des Südbahnhotels, mit Kultur und, natürlich, Kulinarik.
„Wir wollen die Natur des zauberhaften Semmerings mit Musik, Literatur und Wissenschaft verbinden“, so Skovhus. Die ehemalige Leiterin des Freundeskreises der Wiener Staatsoper und engagierte Kulturmanagerin sprüht vor Ideen und Energie. Und vor Lebensfreude. Die will sie auch auf den Semmering bringen und das ehemalige k.u.k.-Grandhotel ganzjährig bespielen. Sie weiß sich damit einer Meinung mit dem Kulturmäzen Christian Zeller. Er habe das Gebäude nicht erworben, korrigiert Zeller, „das Südbahnhotel hat mich gefunden“. Einwände, das Projekt der Wiederbelebung sei gegen die kaufmännische Vernunft, entkräftet er mit Fantasie: „Es ist ein Traum, der jetzt verwirklicht wird.“ 2025 soll die Renovierung in Teilen abgeschlossen sein und das Haus als Hotel wiedereröffnet werden.
Neuer Glanz
Kultur gibt es allerdings schon jetzt, das diesjährige Sommerprogramm las sich wie ein Bilderbuch kreativer Kulturschönheit: Poesie, das Wiedererleben verblichener Eleganz und der Zauber des Fin de Siècle stehen im Vordergrund, durchmischt mit Klassik, Jazz und Literatur.
Doch das Programm soll kein saisonales Sommererlebnis sein; man geht ganz bewusst das Risiko eines Ganzjahresprogrammes ein. So findet einmal im Monat die Freitag-Tanzstunde mit anschließendem Open Floor statt; Franz Schuberts Winterreise wird im Art-déco-Schwimmbad und eine Bühnenbearbeitung von Saint-Exupérys Der kleine Prinz im Speisesaal aufgeführt. Wöchentlich gibt es Themenführungen, da geht es um den „Glanz vergangener Zeiten“, „Skandale und Sensationen am Semmering“ und um „Kunst und Poesie“. Im Winter wird die „schönste Terrasse des Semmering“ – wie das Südbahnhotel seine Aussichtsplattform umschmeichelt – zum Eislaufplatz umfunktioniert und unter dem Motto „Comedy on Ice“ mit Kabarett-Einlagen bespielt.
Silvesterball wird es allerdings noch keinen geben, sagt Ingrid Skovhus: „Das machen wir erst, wenn der Hotelbetrieb aufgenommen ist, also frühestens in zwei, drei Jahren.“ Wer zu den kulturellen Events öffentlich anreist, wird auf Wunsch vom hoteleigenen Elektro-Shuttle vom nahegelegenen Bahnhof abgeholt. Und wenn am 14. Februar 2023 „ein dem Patron der Liebe gewidmeter Abend“ mit einem poetisch-musikalisch unterlegten Galadinner am Programm steht, wird sogar ein Shuttle von Wien angeboten. „Denn“, so Skovhus, „die große Frage ist, wie wir die Leute hier herauf auf den Semmering bringen“. Es bleibt zu wünschen, dass die Übung gelingt.