Eine neue Verfassung

© KURIER/Gerhard Deutsch

Von Paul Chaim Eisenberg

Vor einem Jahr wurde ich von Globart Academy – einer gescheiten Organisation – angeschrieben, die anlässlich 100 Jahre österreichische Bundesverfassung 36 Personen aus Kunst, Wissenschaft und öffentlichem Leben zu einem Gedankenexperiment einlud. Die Eingeladenen mögen Ideen zu einer „neuen Verfassung“ zu Papier zu bringen, diese wiederum sollten beim Festakt am 10. November 2020 im Plenarsaal des Parlaments am Rednerpult verlesen werden. Die Texte wurden geschrieben, aber zur Verlesung kam es natürlich nicht, sie werden jedoch in einer Druckfassung veröffentlicht werden. Mein Beitrag, etwas aktualisiert, lautete wie folgt.

Krieg und Frieden

Jedes Land braucht ein Militär, das ist unbestritten. Aber schon seit dem 20. Jahrhundert oder sogar früher haben Staaten, die vor einem bewaffneten Konflikt standen, immer aufgerüstet, um stärker als der mögliche Gegner zu sein. Meine Verfassung ist nicht nur für Österreich, mit solch kleinen Staaten gibt sich der Rabbiner nicht ab. Sie ist für die ganze Welt bestimmt. Militär braucht man, aber eine faire Abrüstung der Weltgemeinschaft wäre jedenfalls gescheiter und billiger. Das ersparte Geld könnte man viel nützlicher in den Kampf gegen den Hunger und gegen die Klimaerwärmung einsetzen.

Mein Vorschlag für Österreich wäre, keine neuen wertlosen, aber teuren Abfangjäger zu kaufen. Es steht zwar in der Verfassung, dass jedes Land seinen Luftraum schützen muss, aber müssen es urteure Abfangjäger sein? In letzter Zeit sind leider schon einige Male irrtümlich Passagierflugzeuge von Abfangjägern abgeschossen worden. Ich schlage daher vor, den Schutz des österreichischen Luftraums durch Helikopter und Drohnen durchführen zu lassen. Außerdem glaube ich als unverbesserlicher Optimist, dass dank der EU ein Krieg in Europa sehr unwahrscheinlich ist. Bei Staatsbesuchen ist es vollkommen unnötig, Salutschüsse abzugeben oder Gardesoldaten aufmarschieren zu lassen. Stattdessen sollten Kinder mit Blumen auftreten. Der Empfang mit „militärischen Ehren“ ist in meinen Augen unnötig. Das Militär ist keine Ehre, sondern eine Notwendigkeit.

Konflikte und Lösung

Bei Friedensverhandlungen zur Lösung territorialer Konflikte sollte nur wenig Rücksicht darauf genommen werden, welches Volk für sich beansprucht, früher dort gewesen zu sein. Wer vor hundert, fünfhundert oder tausend Jahren dort gelebt hat, ist völlig egal. Entscheidend ist, wer heute dort lebt. Die österreichischen Beispiele hierfür sind Südtirol und Südkärnten. Der langjährige Ortstafelstreit in Kärnten war völlig unnötig. Ich habe im Jahre 2019 einen Vortrag in Kärnten gehalten. Auf der Ortstafel stand groß „Tainach“ und etwas kleiner darunter „Tinje“. Und heute kräht kein Hahn danach.

Wer Frieden haben will, muss sich von Stehsätzen verabschieden. Ich gebe drei Beispiele:

  1. Das war schon immer so.
  2. Wir haben schon alles versucht, aber es hat nichts genützt.
  3. Wir wollen ja den Frieden, aber die anderen nicht.

Manche meiner Freunde sagten mir, dass meine Position „meschugge“ sei, deshalb möchte ich eine noch extremere kurze Anregung eines meiner Kollegen erwähnen. Ein bekannter Designer kann sich vorstellen, dass die österreichische Nationalflagge verändert wird, d. h. nicht mehr rot-weiß-rot sein soll. Ich habe im Internet gefunden, dass die rote Farbe das Symbol für Blut ist und Weiß das Symbol für Unschuld. In meinem Gedächtnis geht dies auf eine Schlacht zurück, in der ein Ritter so viele Feinde tötete, dass sein Hemd ganz blutig war. Er trug im Kampf eine Schärpe, und als er sie nach der Schlacht herunternahm war sein Hemd rot-weiß-rot …

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