Ende Oktober präsentierte die österreichische Bundesregierung ein Gesetz zur Förderung jüdischen Lebens in Österreich. Dem gilt es von allen Seiten gerecht zu werden.
Von René Wachtel
Ein immer wieder formulierter Grundkonsens dieser Bundesregierung ist es, jüdisches Leben zu fördern und den Antisemitismus zu bekämpfen. Das Existenzrecht Israels und seine Sicherheit sind für Österreich „Staatsräson“, wie Bundeskanzler Kurz erklärte. Die türkis-grüne Koalition beschloss auch, dass die lange geplante Namensmauer als Gedenkstätte für in der Schoah ermordete Juden errichtet wird, die Kurt Yakov Tutter als Initiator und langjähriger Kämpfer für das Mahnmal entwarf.
Das „Bundesgesetz über die Absicherung des österreichisch-jüdischen Kulturerbes (ÖJKG)“, das am 24. Februar im Parlament beschlossen wurde – einsehbar auch über die Homepage des Bundeskanzleramts –, gilt nun als klares Bekenntnis zum Weiterbestand jüdischen Lebens in Österreich. Es gewährt aktivem jüdischen Gemeindeleben und Einrichtungen wie Synagogen, Bethäusern, jüdischen Institutionen und Veranstaltungen Schutz („Schutz jüdischer Einrichtungen“) und der Bevölkerung breiten Zugang zum jüdischen kulturellen Erbe („Förderung von Initiativen des gesellschaftlichen Austausches und des Zusammenhalts“); es forciert den Ausbau interreligiösen Dialogs („Dialog der Religionen“) sowie die Sicherstellung der aktiven Beteiligung vor allem auch junger Jüdinnen und Juden am Gemeindeleben („Förderung von Projekten mit und zugunsten der jungen Generation“).
Auf Basis dieses Gesetzes erhält die Israelitische Religionsgemeinschaft (IRG), in der alle Kultusgemeinden vertreten sind, zur Umsetzung der Ziele vier Millionen Euro. Ein Passus besagt, dass das Gesetz rückwirkend ab 1. Jänner vergangenen Jahres gilt und für 2020 somit sogar ein einmaliger Budgetrahmen von fünf Millionen Euro vorhanden ist, die sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Auszahlung gelangen.
Innerhalb der möglichen Begutachtungsfrist vor dem Gesetzesbeschluss gab es noch Anmerkungen von Or Chadasch sowie dem Verein der bucharischen Juden. Diese wollten die „Vielfalt jüdischen Lebens“ verankert wissen („angemessene Vertretung aller innerhalb der Religionsgemeinschaft bestehenden Traditionen“). Damit wiesen beide Gruppierungen darauf hin, dass eine gerechte und der Vielfalt des jüdischen Lebens entsprechende Verteilung der Budgetmittel erfolgen sollte, was auch in den „Erläuterungen“ zum Gesetz festgehalten wurde.
Gerechter Schlüssel
Die Frage lautet daher, wie die jährlichen Zuwendungen tatsächlich aufgeteilt werden. Der Hauptanteil (etwa zwei Mio. Euro) wird wohl für die Sicherheit jüdischer Einrichtungen verwendet werden müssen. Bedeutsam wird ein gerechter Verteilungsschlüssel zwischen der IKG Wien (dazu gehören auch Niederösterreich, Burgenland, Steiermark und Kärnten) und den drei kleineren Kultusgemeinden Oberösterreich, Salzburg, Tirol/Vorarlberg sein. Die drei kleinen Kultusgemeinden (mit jeweils etwa hundert bis zweihundert Mitgliedern) benötigen sicher einen größeren Anteil, als ihnen von der Mitgliederzahl her zustehen würde.
In weiterer Folge ist es von substanzieller Wichtigkeit, dass die IKG Wien tatsächlich, dem Gesetz entsprechend, die Vielfalt jüdischen Lebens fördert und alle Teile des Judentums ihren gerechten Anteil erhalten. Leider ist die derzeitige Führung der IKG eher ihrer Klientenpolitik verpflichtet („die Koalitionspartner müssen befriedigt werden“) als an einer gerechten Aufteilung der Mittel interessiert. Das darf künftig nicht passieren.
Denn die Fördermittel sollten nicht in das allgemeine Budget der IKG fließen, sondern verpflichtend in einem eigenen Topf transparent verwaltet werden. Die österreichische Bundesregierung hat in dem Gesetz genau definiert, wie die Abrechnung der jährlich ausbezahlten vier Millionen Euro erfolgen soll.
Es wird jährlich geprüft, ob die Mittel gesetzeskonform verwendet und verteilt werden: Die IKG kann also nicht beispielsweise damit Immobilien kaufen. Vereine, die aus dem Titel Budgetmittel erhalten, sollen und müssen verpflichtet werden, dafür korrekte Aufzeichnungen zu führen.
Regionale Vielfalt
Für das Jahr 2020 gibt es, wie bereits erwähnt, sogar eine Million Euro zusätzlich – ein Betrag, mit dem beispielsweise ein vielfältiges, genreübergreifendes und nachhaltiges Kulturfestival veranstaltet werden könnte, an dem zahlreiche jüdische Künstlerinnen und Künstler teilnehmen könnten; ein Festival, das nicht nur in Wien, sondern auch in den Bundesländern stattfinden sollte. Denn auch hier fühlen sich zahlreiche Initiativen seit vielen Jahren dem interreligiösen Dialog verpflichtet.
Ebenfalls anzudenken wäre eine Wanderausstellung in Kooperation mit dem Jüdischen Museum Wien, um den Menschen in den Bundesländern zu zeigen, wie wichtig das vielfältige jüdische Kulturerbe für Österreichs war und ist. Und man könnte die Bedeutung jüdischen Lebens in bestimmten Regionen thematisieren („Sommerfrische im Salzkammergut“). Auf jeden Fall gilt es, den Ambitionen dieses Gesetzes gerecht zu werden.