Wie lebt es sich in der Welt der Super-Reichen und Schönen? Wie geht man mit dem Absturz aus dem vermeintlichen Paradies auf Erden um? Wie verkraftet man letztendlich den Selbstmord des Ehemanns, der am tiefen Fall seiner Familie zerbricht? Zwei Bücher geben detaillierte Einblicke in das Leben der Familie von Bernard Madoff und skizzieren die handelnden Personen mit einer Präzision, die den Leser unmittelbar in das dramatische Geschehen zieht.
Von Danielle Spera
Beide Bücher sind keine große Literatur, aber unglaublich spannend zu lesen, erinnert doch der Aufstieg und Fall der Familie Madoff an Shakespeare-Tragödien. Immer wieder taucht auch das jüdische Leben der Madoffs auf, die Tatsache, dass die zweiten Schwiegertöchter bzw. die Schwiegertochter in spe nicht jüdisch sind, die Assimilation der Familie bis hin zur Diskussion über die Beerdigung von Mark David Madoff nach seinem Selbstmord. Die (nichtjüdische) Witwe schlägt das Angebot eines Grabs auf einem jüdischen Friedhof aus. Sie lässt die Leiche ihres Mannes verbrennen und verstreut die Asche an dessen Lieblingsorten. Am Platz ihrer Hochzeit oder anderen „romantischen“ Orten, die für das Ehepaar von Relevanz waren. Oder aber, dass Ruth Madoff vor einem Konzert der Harlem-Sängerknaben schnell das Programm ändern lässt, da in einem der Lieder „Jesus Christus“ vorkam.
Geld spielt keine Rolle, so beschreibt die Schwiegertochter das Leben, großzügigste Geschenke zu Chanukka, oder ein Einkauf, bei dem „Bernie“ Madoff zur Verkäuferin sagt, „Was auch immer meine Schwiegertochter berührt, wird gekauft“. Seiner Frau Ruth machte Madoff allerdings keine Geschenke. Sie trägt es mit Fassung: „Wenn ich etwas haben will, gehe ich und kaufe es mir.“ Bernard Madoffs Besessenheit in punkto Reinlichkeit war legendär. Die nassen Schuhe müssen in der luxuriösen Wohnung ausgezogen werden, der Nussholz- Fußboden auf seiner Jacht oder im privaten Jet ist ihm heilig. Kein Tropfen Wasser darf darauf kommen, ständig werden von Bediensteten Tücher ausgelegt, damit der Boden keinen Kratzer bekommt. Dennoch konnte man mit Bernard Madoff gut auskommen, allerdings beschreibt ihn seine Schwiegertochter Stephanie als ungebildeten Narziss, mit dem keine kultivierte, wertvolle Konversation möglich gewesen sei. Bei einer Geburtstagsparty sagt er zur verdutzten Freundin seines Sohnes Andrew: „Du glaubst, wir sind reich? Wir kommen aus dem Nichts, mein Vater war pleite. Wir sind ganz einfache Leute …“
Nach seinem Geständnis des Milliardenbetrugs bricht die bislang unzertrennliche Familie auseinander. Die Söhne sind entsetzt und wollen mit dem Vater nie wieder zu tun haben. Ruth Madoff, die seit ihrem 13. Lebensjahr an Bernards Seite ist, bleibt ihrem Mann eisern treu. In beiden Büchern wird sie als unschuldig, blauäugig und völlig ahnungslos beschrieben. Nach dem Geständnis ihres Mannes soll sie gefragt haben: „Was ist ein Pyramidenspiel?“ In diesen „Tagen der Schande“, wie Stephanie Madoff sie nennt, werden die Familienmitglieder – bis hin zu den Schulkindern – verfolgt, beschimpft, über lange Zeit will niemand etwas mit ihnen zu tun haben, da durchwegs alle Verwandten und Bekannten durch Bernard Madoff ihr Geld verloren haben. Von der Friseurin bis zum Gynäkologen wird Abfuhr erteilt. Ruth und Bernard nehmen Schlaftabletten, wachen aber nach vielen Stunden wieder auf. Bernard wird verurteilt – zu 150 Jahren Gefängnis. Die Söhne beteuern ihre Unschuld, werden aber immer wieder aufs Neue in der Presse beschuldigt und verdächtigt. Ein Selbstmordversuch von Mark Madoff scheitert, der zweite gelingt, während seine Frau mit der Tochter in Disneyland ist. Der Verlust seiner Integrität wäre für ihn so schmerzhaft gewesen, dass er sein Leben nicht mehr ertragen konnte, schreibt seine Frau. Im Wohnzimmer erhängt er sich an der Leine seines Hundes.
Spannend ist, dass beide Bücher die Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven erzählen. In einem erzählt die Ehefrau des älteren Sohnes Mark, der letztendlich am Betrug des von ihm verehrten und gefürchteten Vaters zerbricht und Selbstmord begeht, während im Nebenzimmer sein kleiner Sohn schläft. Das zweite Buch basiert auf vielen Gesprächen mit dem jüngeren Sohn der Madoffs und der Ehefrau von Bernard Madoff, Ruth.
Der so genannte Fall Madoff hat das Leben der Juden in den USA nachhaltig erschüttert. Der betrügerische Spekulant, Bernard Madoff hat tausende Menschen um ihr Erspartes gebracht, Unzählige ihrer Versorgung für ihre Pensionsjahre beraubt und zahlreiche jüdische Institutionen, die bei ihm ihre (Spenden-) Gelder angelegt hatten, an den Rand des Ruins gebracht. Durch sein charismatisches Auftreten hatte Bernard Madoff es geschafft, dass gutgläubige Menschen ihr Geld bei ihm anlegten – in Wahrheit ein gigantisches Pyramidenspiel. Die „Gewinne“ der alten Investoren hat er mit den Einzahlungen der Neuen finanziert. Beide Bücher zeichnen eine Sozialgeschichte der Wirtschaftseliten und haben durch die aktuelle Bankenkrise in den vergangenen Monaten nur an Aktualität gewonnen.
Stephanie Madoff Mack
The End of Normal
Blue Rider Press, New York, 2011,
253 Seiten
Laurie Sandell
Truth and Consequences: Life Inside The Madoff Family
Little, Brown and Company, N.Y, Boston, London. 2011
340 Seiten