Mit ihrer Erfindung einer Funkfernsteuerung für Torpedos legte Hollywoodschauspielerin Hedy Lamarr den Grundstein für drahtlose Kommunikation. Lochkarten für ein Pianola spielten dabei eine Hauptrolle.
Von Katharina Stourzh
Hedy Lamarr war ein Hollywoodstar, galt als „schönste Frau der Welt“ und lieferte den berühmten skandalumwitterten Auftritt in Ekstase. So weit, so bekannt. Doch der Leistung Lamarrs würde man mit dieser bekannten Aufzählung nicht gerecht, denn auch ihr Erfindergeist war atemberaubend: Das Frequenzsprungverfahren, das sie gemeinsam mit dem Avantgarde-Komponisten George Antheil erfand, ging in die Geschichte ein. „Hedys ,Face Value‘ erschien kurioserweise weit weniger wichtig als ihr Geist“, drückte es ihr Sohn Antony Loder später aus. „Das ,Secret Communication System‘ wiegt im Nachhinein mehr als ihre Hollywoodkarriere.“
Zu Lebzeiten belächelt – sie solle als Hollywoodschauspielerin doch lieber Kriegsanleihen verkaufen gehen –, mit Skepsis beobachtet und erst spät geehrt, wurde Lamarr erst spät als Wissenschaftlerin gewürdigt. Erst seit einiger Zeit etabliert sich ihr Ruf abseits des Kinos als Erfinderin. Drei Jahre vor ihrem Tod wurde der damals 82-Jährigen im Jahr 1997 in den USA der Pionier Award der amerikanischen Electronic Frontier Foundation (EFF) verliehen – der späten Anerkennung sollte schließlich 2014 die posthume Aufnahme in die National Inventors Hall of Fame folgen.
Flugzeugflügel und Brausewürfel
„The brains of people are more interesting than the looks.“ Lamarrs Bonmot könnte als einer ihrer Leitsätze gelten, stand jedoch in großem Widerspruch zu ihrer Hollywoodkarriere. Denn auch Lamarr erfüllte zunächst das Klischee des sich unterwerfenden, bildhübschen Stars. Doch letztlich wollte sie sich dem Druck nicht beugen und wurde selbst als Produzentin tätig. Mit einem unkonventionellen Zugang zum Leben erwies sie sich, wie ihre Tochter feststellte, „als Feministin, auch wenn sie nie so genannt wurde, ihrer Zeit weit voraus“.
1914 in eine großbürgerliche jüdische Familie geboren, widmete sich die Schulabbrecherin Hedwig Kiesler zunächst dem Theater und wurde von Max Reinhardt in Berlin unter die Fittiche genommen. Durch ihre Bekanntschaft zum legendären Filmproduzenten Louis B. Mayer, dem Mitbegründer von MGM, gelang ihr nicht nur die Flucht aus Wien und aus ihrer unglücklichen Ehe mit dem Munitions- und Waffenproduzenten Fritz Mandl, sondern auch der Sprung ins US-Filmgeschäft, wo sie fortan unter ihrem Künstlernamen Hedy Lamarr das Publikum eroberte. Dass sie bereits 1937 aus privaten Gründen nach Amerika ging, wurde für sie zum Glücksfall: Damit war sie rechtzeitig vor den Nazis in Sicherheit.
Lamarr hatte zwar keinerlei technische Ausbildung absolviert, arbeitetet aber mit Interesse und Talent für Technik an mehreren Erfindungen. Denn das Leben als Hollywoodstar füllte sie nicht aus: „Maybe I came from a different planet, who knows; but whatever it is, inventions were easy for me to do“, bemerkte sie später. Einige ihrer Erfindungen verfolgte sie nicht weiter, einige misslangen. So kreierte sie für den Luftfahrtunternehmer Howard Hughes einen aerodynamischen Flugzeugflügel, er wiederum unterstützte sie bei der Erfindung des Brausewürfels „Cola Cubes“, letztlich ein Fehlschlag. Daneben beschäftigte sich Lamarr mit einer Ein- und Ausstiegshilfe für die Badewanne für bewegungseingeschränkte Menschen. Eine erste Zusammenarbeit zwischen Lamarr und Antheil wiederum betraf eine Flugabwehrgranate, die beim Erreichen der Flughöhe des feindlichen Flugzeugs automatisch explodieren sollte.
Vom Ballet Mécanique zum Torpedo
Das ausgeklügelte System des Frequenzsprungverfahrens, mit dem sichergestellt werden sollte, dass Torpedos störungsfrei zu ihrem Ziel gesteuert werden können, kombinierte schließlich die Welten von Lamarr und Antheil: eine Verbindung von mechanischem und musikalischem Wissen. In beiden steckten Neugier, Erfindergeist und der unbedingte Wille, gegen die Nazis tätig zu werden. Lamarr wollte ihre Mutter nach Amerika holen, fürchtete aber, dass sie bei der Überfahrt Opfer eines Torpedeoangriffs der Deutschen werden könnte. Antheils Bruder wiederum war durch einen Flugzeugabschuss ums Leben gekommen. Die kongeniale Partnerschaft der beiden unkonventionellen Charaktere und Talente führte denn auch zur – zunächst unterschätzten bzw. nicht anerkannten – Errungenschaft eines sicheren drahtlosen Kommunikationssystems.
Als Basis für ihre Idee diente Lamarr eine Komposition Antheils: das 1926 in Paris skandalträchtig, aber erfolgreich uraufgeführte Ballet Mécanique mit seiner Kombination von außergewöhnlicher Technik und Instrumenten, vom Pianola über Propeller bis zu Sirenen. Die von Antheil ursprünglich geplante Synchronisierung von sechzehn Pianolas, welche die Noten über Lochkarten abspielen sollten, funktionierte zwar nicht, doch genau diese Erfahrung brachte ihn und Lamarr ein Stück weiter. Denn durch die Synchronisierung zweier Lochkarten kamen sie zu der Lösung, wie Sender und Empfänger im Torpedo im gleichen Moment die Frequenz wechseln könnten, „sodass ein Feind ohne Kenntnis der Datensätze nicht in der Lage wäre, festzustellen, mit welcher Frequenz ein Steuerimpuls gesendet wird. Darüber hinaus erwägen wir, Datensätze des seit vielen Jahren in mechanischen Klavieren verwendeten Typs zu verwenden, der aus langen Papierrollen mit Perforationen besteht, die in einer Vielzahl von Längsreihen entlang der Lochkarten unterschiedlich positioniert sind.“
U.S. Patent 2292387
Am 10. Juni 1941 reichte Lamarr unter ihrem bürgerlichen Namen Hedwig Kiesler Markey mit George Antheil die Unterlagen für das Patent für das „Geheime Kommunikationssystem“ ein. Ein gutes Jahr später, am 11. August 1942, erhielten sie das U.S. Patent 2292387. Es galt bis 1959, übrigens das Todesjahr Antheils, der den späteren Erfolg nicht mehr erleben konnte. Warum der Einsatz von der U.S. Marine abgelehnt wurde, dazu kursieren mehrere Vermutungen. Einerseits sei es „exzellent ausgearbeitet, aber zu schwierig“, andererseits schien man der Sache nicht zu trauen. Als Eigentum einer feindlichen Ausländerin wurde es noch im selben Jahr beschlagnahmt und unter Verschluss gehalten. Das Potenzial dieser Erfindung war nicht erkannt worden. Erst 1962 wurde es in der Kubakrise erstmals angewendet und in den 1980er Jahren für die zivile Nutzung freigegeben. Das Frequenzsprungverfahren wurde zur Basis für die Entwicklung mobiler Kommunikation, von der Mobiltelefonie bis WLAN, Bluetooth oder GPS.
Hedy Lamarr hatte immer wieder von der Rückkehr in ihr „geliebtes Wien“ gesprochen. Auf ihren Wunsch hin wurde ein Teil ihrer Asche „Am Himmel“ im Wienerwald verteilt, 2014 schließlich erhielt sie ein Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof. Der Ankauf des Nachlasses ist von außerordentlicher, fast symbolischer Bedeutung, eine bemerkenswerte Form der Rückkehr ihres Erfindergeistes in ihre Geburtsstadt. Mit der Sicherung dieses kultur- und wissenschaftsgeschichtlichen Schatzes ist dem Jüdischen Museum Wien tatsächlich ein Coup gelungen. Denn damit ist es möglich geworden, Hedy Lamarr in ihrer ganzen Vielfalt zu würdigen – und ihren Pioniergeist weiterzutragen.