Sie ist in der „jüdischen Gasse“ in verschiedensten Funktionen bekannt, als Religionslehrerin oder als Reiseleiterin. Judith Weinmann-Stern steckt mit ihrem Optimismus und Engagement viele an. Aus ihrer jüngsten Idee ist ein Erfolg geworden. Im November dieses Jahres finden bereits zum zweiten Mal österreichische Kulturtage in Tel Aviv statt – mit Staraufgebot. Ein Gespräch mit Projekt-Initiatorin.
VON DANIELLE SPERA
NU: Wie ist die Idee entstanden, Kulturtage zu inszenieren?
Weinmann-Stern: Ich bin in einem kulturbeflissenen Elternhaus aufgewachsen. Mein Vater hat 1967 eine Bibliografie von jüdischen Autoren herausgegeben. Ich war damals 14 Jahre alt. Ich bin also nicht nur mit dem Schatten der Shoa aufgewachsen, mit einer Mutter, die Theresienstadt überlebt hat, sondern habe auch das Schicksal der jüdischen Autoren hautnah mitbekommen. Als ich 17 war, kam ich von der Schule nach Hause und fand meinen Vater weinend vor. Er hatte gerade erfahren, dass Paul Celan tot in der Seine gefunden worden war. Die meisten 17-Jährigen wussten nicht einmal, wer Paul Celan war.
Das hat natürlich eine Prägung hinterlassen.
Es hat mich nicht mehr losgelassen. Egal wo ich hinfuhr, habe ich Begegnungen mit sogenannten „Alt-Österreichern“ gesucht und ein unglaubliches Heimweh gespürt. Daher hatte ich schon lange das Bedürfnis, für diese Menschen etwas zu tun, vor allem für die vertriebenen Österreicher, die in Israel leben.
Das Zielpublikum ist also genau definiert.
Die älteste Person, die voriges Jahr kam, war 101 Jahre alt. Viele sind über 90, die haben mit einer Hingabe mitgesungen, als ob sie gerade vor einer Woche ausgewandert wären. Andrea Eckert sagte zu mir, so ein Publikum hätte sie noch nicht erlebt.
Sie haben viele Stationen durchlaufen, sind Sie jetzt angekommen?
Die Kulturtage sind mein Herzensprojekt. Voriges Jahr habe ich in Brasilien das Haus von Stefan Zweig besucht, wo er Selbstmord begangen hat. An seinem Grab sind mir die Tränen heruntergeronnen. Ich dachte, mein Gott, ein Europäer ist so fern seiner Heimat begraben.
Geboten wird ein klassisch-jüdisches Programm.
Ich wollte das Programm speziell auf die „Alt-Österreicher“ in Israel zuschneiden. Ich sehe mich auch als eine Art Botschafterin Israels.
Und auch als Botschafterin Österreichs.
Ich habe nicht nur eine Heimat, sondern zwei und möchte sie zusammenfügen. Wir sind nun einmal verbunden – Israel und Österreich.
Nun lebt aber bereits die dritte Generation nach der Shoa. Wollen diese jungen Menschen überhaupt noch an Österreich andocken?
Die Jugend empfindet Israel als wesentlich freier als Österreich. Tel Aviv z. B. ist eine Stadt without limits. Die jungen Menschen verbinden mit Österreich wenig, obwohl dort ihre Wurzeln liegen.
Es gibt ein großes Interesse der jungen Israelis an Deutschland, warum ist das Interesse an Österreich nicht da?
Berlin ist im Trend, ist Hype. Wien ist schön, aber es gilt als altmodisch. Da ist das k.u.k. Wien immer noch im Kopf. Berlin ist eine boomende Stadt, jeder drängt dorthin.
Wie lassen sich die jungen Israelis mit österreichischen Wurzeln motivieren, hierher zu kommen?
Vielleicht über den Sport, über das Skifahren oder Mountainbiking. Alle Israelis sind begeistert, wenn sie in Wien sind, aber sie würden es nicht mit dieser avantgardistischen Kultur verbinden, wie Berlin. Mein Großvater wäre entsetzt, wenn er wüsste, wie viele Israelis es heute nach Deutschland zieht.
Nach den vielen Initiativen, gibt es noch eine reizvolle Aufgabe?
Beruflich will ich nichts mehr. Ich möchte Großmutter werden.
Wunderbar. Mazel Tov!