Von Christian Orthner
Österreich ist bei den wirtschaftlichen und intellektuellen Eliten Europas, wieder einmal, nicht gut angeschrieben; diesmal nicht ganz zu Unrecht. Denn dass der dämliche Holocaust-Leugner David Irving zu drei Jahren Haft verknackt worden ist, finden die wichtigsten europäischen Leitmedien eher befremdlich. „Das Bestreiten des Holocaust sollte nicht strafbar sein“, meinte etwa das globale Opinion-Leader-Magazin „Economist“ schon vor dem Urteil. Die einschlägigen Gesetze seien „…unbrauchbar und kontraproduktiv und daher abzuschaffen“, schreibt Christopher Caldwell in der „Financial Times“. „Drei Jahre Haft sind drei Jahre zu viel dafür, sein Recht auf freie Meinung in einer Demokratie auszuüben“, ätzt der „Independent“. Und fand sich damit in argumentativer Parallele zum Doyen der europäischen Liberalen, Sir Ralph Dahrendorf, aber etwa auch zu 19 bedeutenden (vollkommen unverdächtigen) französischen Historikern und Philosophen, die erst jüngst dafür warben, falsche und unappetitliche historische Darstellungen nicht mehr unter Strafe zu stellen, sondern sich selbst richten zu lassen. Denn, so deren These: „In einem freien Staat ist es weder Sache des Parlamentes noch der Justiz, geschichtliche Wahrheit zu definieren.“ Offenbar nicht überzeugt hat Europas Opinion-Leader, dass „Standard“-Kommentator Hans Rauscher gänzlich anderer Meinung ist und angesichts dieses eher homogenen Meinungsbildes der medialen Eliten bloß „…einige konservative und libertäre Kommentatoren, die mangels anderer Sorgen den Neonazis Meinungsfreiheit zubilligen wollen …“, ausmachen kann. Da werden sich „Economist“, „FT“ und Dahrendorf aber sehr kränken. Das Problem dabei ist, dass sich Österreich mit dem Irving-Urteil, das nach herrschender Gesetzeslage nicht viel anders hätte ausfallen können, abermals im historischen Kontext auf der falschen Seite findet. Denn in den ersten Jahrzehnten nach 1945 war der Kampf gegen die Reste des Nazismus tatsächlich eine der zentralen Auseinandersetzungen und waren die Verbotsgesetze daher wohl angemessene Einschränkungen der Meinungsfreiheit – in diesem his-torischen Kontext also angemessen. Die Umsetzung dieses Gedankengutes in die Wirklichkeit gelang in Österreich freilich nur sehr zäh und unter dementsprechender Beschädigung der Reputation der Republik. Heute ist der Kontext freilich ein völlig anderer. Nicht mehr die lächerlichen Reste des Nazismus stellen die zentrale Bedrohung unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung dar, sondern ein totalitärer Islamismus, dem die schiere Existenz genau dieser Ordnung unerträglich ist. In dieser Auseinandersetzung aber untergräbt jedes Gesetz irgendwo in Europa, das irgendeine noch so beknackte Meinung unter Strafe stellt, den an sich berechtigten Anspruch des Westens auf so etwas wie moralische Überlegenheit. Man kann nicht gleichzeitig die Meinung geschmackloser Karikaturisten schützen, aber jene geschmackloser Holocaust-Leugner nicht – damit untergräbt man die eigene Glaubwürdigkeit. Deshalb hat Österreich schlechte internationale Presse – und diesmal leider zu Recht. Hans Rauscherarbeitet als Buchautor und Journalist in Österreich und schreibt derzeit Kolumnen für die Tageszeitung „Der Standard“ sowie das Magazin „Format“. Über Irving schrieb er unter anderem auch einen großen Kommentar im „Standard“. hans.rauscher@derstandard.at Christian Ortner ist Publizist und Journalist in Wien, unter anderem als regelmäßiger Kolumnist der Tageszeitung „Die Presse“. Dort erschien auch der hier abgedruckte Irving-Kommentar. christian-ortner@chello.at