Im Salzkammergut kam es in den vergangenen Monaten zu einer heftigen Debatte rund um eine Villa, die jahrzehntelang in jüdischem Besitz war – die sogenannte Kremenezky-Villa.
Von Theresa Absolon
Bereits die Idee sorgte für Entrüstung. Die im Wellness- und Hotelbereich tätige Firma „Vivamayr Sport“, im Besitz von Hannes Androschs Tochter Natascha Sommerer, erwarb das Grundstück, um die Kremenezky-Villa im Altausseer Stil abzureißen und darauf ein Luxushotel zu errichten. Schnell formierte sich im kleinen Sommerfrischeort Widerstand: In einer Online-Petition bezeichneten Architekturhistorikerin Edith Friedl und die Gruppierung „Dialog Lebenswertes Altaussee“ den Abrissplan als eine „echte Kultur-Schande“. In einem offenen Brief an Hannes Androsch verwies man auf die historische Bedeutung der Villa und darauf, dass das Grundstück deshalb für den Standort eines Hotels ungeeignet sei. Diesen Einwänden pflichtete auch Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitees, bei.
Erbaut in den 1870er Jahren von Péter Búsbach, wurde die Villa 1934 vom jüdischen Industriellen Theodor Kremenezky erworben. Dessen Vater Johann, Zionist und Gründer des jüdischen Nationalfonds, war ein enger Freund Theodor Herzls. Die Sommerfrische-Idylle der Kremenezkys fand ein rasches Ende, als die Villa am 1. Mai 1938 von der NSDAP beschlagnahmt, am 4. August gleichen Jahres arisiert und in der Folge von Gauleiter August Eigruber als Sommersitz genutzt wurde (das Ausseerland gehörte zum Reichsgau Oberdonau). Eigruber war es auch, der 1945 die Sprengung des Altausseer Bergwerkes und die Zerstörung der darin lagernden geraubten Kunstgegenstände anordnete. Mutige Altausseer Bergleute konnten dies jedoch verhindern und die Schätze retten.
Theodor Kremenezky, der 1938 aus Österreich fliehen konnte, wurde die Villa 1947 restituiert, und er kehrte nach Altaussee zurück, wo er auch begraben ist. Nach seinem Tod 1973 erbte das Anwesen seine Nichte, Erika Varay, die hier im Sommer internationale Gäste wie Jacques Chirac begrüßte. 1985 verkaufte sie die Villa an die Familie Kowall, die sie wiederum 2019 an die Vivamayr Sport GmbH weiterverkaufte.
Der Protest zu den kolportierten Hotelplänen begann prompt und fand seinen Höhepunkt im Dezember 2022, als es im Altausseer Gemeinderat zu hitzigen Diskussionen und teilweise gegenseitigen persönlichen Beleidigungen kam. Prominente Gegenstimmen waren schnell gefunden. Klaus Maria Brandauer brachte in einem offenen Brief an Hannes Androsch die Idee auf, auf dem Areal eine Gedenkstätte zu errichten. Diesem Vorschlag schloss sich auch das Bundesdenkmalamt sowie das Mauthausen Komitee an. Mernyi ist davon überzeugt, Androsch von dieser Idee begeistern zu können, weil „Hannes Androsch Bildungs- und Gedenkarbeit große Anliegen sind“. Anders sieht das Eli Rosen, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Graz und Salzburg. Er ortet einen Missbrauch der Gedenkkultur und erachtet die Villa als „historisch wenig wertvoll“. Schließlich verkündete Natascha Sommerer das Aus der Hotelpläne und betonte, dass diese ohnehin hinfällig geworden wären.
Doch wie soll es nun mit der „abgesandelten Villa“ (©Hannes Androsch) weitergehen? Pläne gibt es diesbezüglich noch keine. Dennoch wäre es eine vergebene Chance, die Debatte nicht dafür zu nutzen, jüdische Geschichte in und um Altaussee als Kulturerbe zu bewahren. Bekanntermaßen kann es in Österreich oft lange dauern, bis Gedenkprojekte realisiert werden.
So gibt es neben dem Vorschlag für eine NS-Gedenkstätte auch die Idee, in Aussee ein Bildungszentrum für jüdische Geschichte zu errichten. Weniger bekannt ist nämlich, dass es neben wichtigen jüdischen Sommerfrischlern wie Theodor Herzl, Arthur Schnitzler und Eugenie Schwarzwald auch ortsansässige Jüdinnen und Juden oder jüdische Wahl-Ausseer gab, die einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Region leisteten. Dazu zählen etwa Clara Schreiber, Autorin und Gründerin der Regionalzeitung Ausseer Alpenpost, ihr Mann, Josef Schreiber, der das Sanatorium Alpenheim in Bad Aussee gründete, sowie ihre Tochter, die Kunsthandwerkerin Lilli Baitz, der Volkstumsforscher Konrad Mautner oder die Malerin Christl Kerry.
Die Verantwortung hierfür sollte nach Vorstellung des Mauthausen Komitees aber nicht „Vivamayr Sport“ tragen, sondern der Bund und das Land Steiermark.