Der Österreicher Thaddäus Ropac zählt zu den international erfolgreichsten und einflussreichsten Galeristen. Seine Prominenz setzt er unter anderem auch für den von ihm 2012 gegründeten Freundschaftsverein für das Israel Museum in Jerusalem ein.
An sich ist eine Woche im Leben von Thaddäus Ropac ziemlich reiseintensiv. Zwei Tage Paris, ein Tag London, dazwischen rund um die Welt, mit Stationen in Hongkong, Tokio, Düsseldorf, New York und Los Angeles. Ja, so geht es einem der Biggest Player am internationalen Kunstmarkt, mit Wohnsitzen in Paris, London, New York, Salzburg und auf einer griechischen Insel; mit einem Büro in Hongkong und zwei Galerien in Salzburg und Paris – eine im jüdischen Viertel Marais, die andere in einer ehemaligen Kesselfabrik im von Migranten geprägten Vorort Pantin –, sowie einer in London, wo er im eleganten Stadtteil Mayfair unter strengsten Auflagen des Denkmalschutzes das Ely House, einen ehemaligen Bischofssitz aus dem 18. Jahrhundert, in einen atemberaubenden Kunsttempel verwandelt hat.
„London und Paris sind die zwei wichtigsten Städte in Europa, hier gibt es die größten und wichtigsten Sammlungen, die besten Museen. Ich habe in Salzburg und Paris viel erreicht, London war also keine Notwendigkeit. Aber es machte Spaß, dieses Riesending gemeinsam mit meinen hundert Mitarbeitern anzupacken.“ Noch während der Umbauarbeiten begann der jahrelange Brexit-Prozess, an seinen London-Plänen hat das nichts geändert: „Kunst bewegt sich anders. So, wie Museen miteinander agieren, wie Sammler gewisse Orte anfliegen, wie und wo Künstler schaffen, hebelt das existierende Grenzen aus.“
Historisches Gepäck
Freilich, fügt er hinzu, sei der Nationalismus der Briten schon irritierend, „aber die Engländer und Franzosen haben nicht das gleiche historische Gepäck geschultert wie wir Österreicher. Das ist der wesentliche Unterschied.“
Und was ist der Unterschied zwischen London, wo wir verabredet sind, und seinem Lieblingswohnsitz Paris? „London ist sehr geld- und erfolgsgetrieben geworden, sehr amerikanisch, das war es früher nicht. In Paris wäre man sofort in ‚Social Siberia‘, wenn man anfinge, den Erfolg so ungeniert raushängen zu lassen. In Paris macht man das Geschäft, wenn es das Geschäft verlangt, aber abends oder privat darüber zu reden ist total daneben. Da sind die Franzosen viel mehr ‚gauche caviar‘. Das ist natürlich auch ein wenig verlogen, aber das macht es vergnüglicher, hier zu leben. Bei Abendgesellschaften selbst in bürgerlichen Häusern sitzen Künstler, Literaten, Schauspieler, Politiker, Unternehmer – und dazwischen schöne Frauen. Das ist ein Klischee, aber so funktioniert Paris. Das ist Lebensqualität.“
Wir haben einander vor Corona in Paris getroffen; und in London. Nach einem Rundgang durch die sich über zwei Stockwerke erstreckende, wahrlich museumsreife Ausstellung der österreichischen Avantgarde-Pionierin Valie Export im Ely House geht sich sogar ein Quick Lunch bei Chucs aus, einem ebenso angesagten wie unprätentiösen Italiener gleich neben der Galerie. Mit einem leichten Anflug von Müdigkeit seufzt der gestresste Galerist: „Ich bin bis zum Sommer durchgetaktet und kann fast nichts mehr spontan machen. Da darf nichts schiefgehen, ich darf keinen Flug versäumen. Das ist auf Dauer schon anstrengend.“
Die Krise nutzen
Ja, und dann kam Corona. Und die Welt – auch die der Kunst – machte Pause. Diese stille Zeit verbrachte Ropac in seiner Villa Emslieb in Hellbrunn, die einst Markus Sittikus für den Erzbischof von Hohenems erbaut hatte. Seit er Kunst nicht nur verkauft, sondern auch selbst sammelt, ist Emslieb ein kleines, atemberaubendes Privatmuseum geworden. Sogar der Pool wurde von einer Künstlerin, Sylvie Fleury, gestaltet: „Meine Chance ist, bei Künstlern, die ich seit 30 Jahren begleiten darf, Werke einzubehalten.“ Lächelnder Zusatz: „Seit ich es mir leisten kann.“
Während die Londoner Galerie aller Voraussicht nach frühestens im Juli, eher aber erst im Herbst aufgesperrt wird, öffnete Ropac am 15. Mai seine Pariser Galeriepforten mit Arbeiten des britischen Bildhauers Antony Gormley; eine Einladung für die Vernissage des deutschen Malstars Daniel Richter am 6. Juni in der Salzburger Villa Kast ließ er vorsorglich auch schon Mitte Mai drucken, ohne allerdings genau zu wissen, ob das überhaupt möglich sein wird. „Österreich hat die Coronakrise sehr gut abgefangen, das wurde auch international so gesehen. Daher hat mich das unprofessionelle Vorgehen in der Kulturpolitik schon überrascht. Während es in Paris ganz klare Anweisungen gab, aufgrund derer man sich vorbereiten konnte, bekam man in Österreich vom Wirtschaftsministerium ganz andere Informationen als aus dem Kulturstaatssekretariat. Es war eine Farce!“ Nun gut, Ulrike Lunacek ist als grüne Kulturstaatssekretärin zurückgetreten. Und die Kunstgeschäfte laufen wieder langsam an, besonders im asiatischen Raum, aber „ich habe ein gutes Gefühl, auch was Europa betrifft. Allerdings nicht für dieses Jahr, von dem müssen wir uns verabschieden. Doch in den Ateliers passieren gerade die tollsten Sachen, die Künstler nützen die coronabedingte Zurückhaltung und Ruhe. Von der Seite wird es sehr viel Begeisterung geben und den Kunstmarkt beleben.“
Auch Anfang der 1980er Jahre sah es nicht so rosig aus, als er – jung, unerfahren, aber voller Tatendurst und von Joseph Beuys höchstpersönlich mit dem Kunstbazillus infiziert – in Wien seinen ersten Galerieraum suchte und bei Maria am Gestade um läppische 4000 Schilling (umgerechnet rund 300 Euro) fand. Genauer gesagt: gefunden hätte. Denn die eingesessene Kollegenschaft verdarb ihm die gute Galeriegründerlaune: „Sie ließen mich wissen: Auf einen wie dich haben wir nicht gewartet.“ Zufällig stieß er just zu dieser Zeit auf Oskar Kokoschkas Die Schule des Sehens und entdeckte die große Ähnlichkeit zwischen seinem Mentor und Übervater Beuys und Kokoschka: „Kokoschka war weniger radikal als Beuys, aber er hat mit seiner Idee einer Akademie für alle letztendlich dasselbe formuliert.“
Brücke nach Jerusalem
In seiner ersten, 60 Quadratmeter kleinen Galerie über einem Army-Shop in der Salzburger Kaigasse blieb ein Bild des New Yorker Malers Jean-Michel Basquiat noch im engen Stiegenhaus stecken. Heute passen die gigantomanischen Anselm Kiefers spielend in die Ropac-Hallen in Salzburg, London oder Paris. Kiefers Auseinandersetzungen mit der deutschen und österreichischen Geschichte, mit National(sozial)ismus und Mythen, mit Kabbala und jüdischen Philosophien wurden auch im Kunstmuseum Tel Aviv und im Israel Museum in Jerusalem gezeigt. Das ist nicht nur, aber doch auch das Verdienst seines bestens vernetzten Galeristen Thaddäus Ropac. Vor acht Jahren, im Sommer 2012, gründete er einen Freundesverein für das Israel Museum in Jerusalem. Dabei sei es ihm nicht um geschäftliche Interessen gegangen, sondern bei seinen jährlichen Besuchen des Israel Museums sei ihm aufgefallen, dass unter der stetig wachsenden Zahl internationaler Freundesvereine keiner aus Österreich dabei war: „Mein Motiv zur Gründung dieses Freundesvereins ist eine Art ‚mea culpa‘ als Österreicher. Ich habe jahrelang überlegt, wie ich diese Brücke zum jüdischen Leben bauen könnte. Alle haben erwartet, dass ich mich für das Kunstmuseum in Tel Aviv engagieren würde, weil ich dort im Jahr davor eine Kiefer-Ausstellung organisiert habe. Aber ich habe mich für das Israel Museum in Jerusalem entschieden.“
Warhol sei Dank
Thaddäus Ropac ist ein Global Player. Seine (Geschäfts-)Freunde zählen zur worldwide (und worldwild) Crème de la Crème. Könnte ihn arrogant gemacht haben. Hat es aber nicht. Im Gegenteil, er unterstützt junge Galeristen – und damit auch junge Kunstschaffende. Weil er nicht vergessen hat, wie es ist, wenn die Ambition groß und das Budget klein ist. Am Beginn von Ropacs Galeristenkarriere kosteten Zeichnungen von Beuys um die 7000 Schilling (rund 500 Euro), „doch nicht einmal das konnte ich mir leisten.“ Geschweige denn verkaufen! Doch Beuys, dessen Witwe Eva mit Ropac in Sachen Nachlass eng kooperiert, verschaffte dem gebürtigen Kärntner schließlich auch den Erstkontakt zu Andy Warhol. Der hatte Anfang der 1980er Jahre gerade eine in den USA durchaus umstrittene Serie mit jüdischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts geschaffen. „Warhol“, erinnert sich Ropac an diesen für seine eigene Karriere wichtigen Künstler, „war ein Superstar! Er mochte mich und borgte mir die Zeichnungen der Most important Jews of the 20th Century“ (das Jüdische Museum Wien zeigte diese Serie übrigens im Jahr 2012). Warhol nahm den jungen Galeristen aus Österreich mit zu Basquiat, der wiederum schleppte ihn zu Keith Haring. Es folgten Jasper Johns, Roy Lichtenstein, Robert Mapplethorpe, Francesco Clemente, Carl André, Georg Baselitz, Gilbert & George, Anthony Gormley, Tony Cragg, Kiefer, Richter, Polke, Koons. Die Elite. Nachlassverwaltungen. Und, natürlich, Neuentdeckungen: „Eine Galerie ist tot, wenn sie keine neuen Künstler mehr ins Programm nimmt.“
Als er 1990 die Galerie im Marais-Viertel eröffnete, schwärmte Le Monde vom internationalen Flair des kunsthändlerischen Neuzugangs. Ropac war damals gerade einmal 30 Jahre alt und seit sieben Jahren am Kunstmarkt zugange. In Salzburg hatte er drei Jahre vorher seine zweite Galerie in einer Villa in der Arenbergstraße eröffnet, später sollte er beide Standorte schließen und stattdessen die Villa Kast am Mirabellplatz und, 2010, eine 2500 Quadratmeter große Halle am Salzburger Stadtrand eröffnen. Nun schaut er, wenn nicht gerade Coronakrise ist, nur mehr im Festspielsommer vorbei. In Salzburg spielen sich, wie er sagt, maximal zehn Prozent der Aktivitäten ab. Dennoch wird er, der Bub aus bescheidenen Verhältnissen, als Paradegastgeber der Festspiele in den Gesellschaftsspalten gefeiert, nach zähen und gewinnarmen Anfangsjahren verkauft er heute Kunstwerke in Millionenhöhe.
Das „Salesding“ sei nicht mehr unbedingt seines, aber „die großen Sammler, Arnaud, Pinot, die Museen wollen natürlich von mir persönlich betreut werden. Und das mache ich auch sehr gerne.“ Wichtiger als der Verkauf, das Wichtigste überhaupt, sei allerdings die Künstlerpflege: „Jeder Künstler“, sagt Ropac, „hat sein eigenes Universum. Es zu ergründen, zu erforschen, daran teilzunehmen und als Galerist zu helfen, die Vision zu verwirklichen, ist das Faszinierende.“