Above and Beyond, ein Dokumentarfilm über jüdisch-amerikanische Piloten, die in Israel während des Israelischen Unabhängigkeitskrieges kämpften, geht auf Tournee. Ein Interview mit der Produzentin Nancy Spielberg.
VON IDA SALAMON
ÜBERSETZUNG: KITTY WEINBERGER
Lebhaft, warmherzig und freundlich, dazu noch unternehmerisch und energisch: So kennt man Nancy Spielberg, die zierliche blonde Philanthropin und erfolgreiche Fundraiserin aus Riverdale, einem von vielen Juden bevölkerten Stadtteil New Yorks. Wenn sie über sich redet, dann hört man mit Begeisterung als erstes einiges über ihre Familie: „Ich bin mit Shimon Katz verheiratet, ein unglaublicher Mensch! Wir haben zwei Kinder: Jessie, die zurzeit in Israel lebt und in der Castingshow ‚The Voice of Israel‘ sehr weit gekommen ist. Die andere Tochter, Melissa, studiert an der Rutgers Universität in New Jersey. Sie ist eine Springreiterin und Tierliebhaberin.“ Die Familie Katz-Spielberg ist modern- orthodox: „Ich sage oft, dass ich ‚schomer schabbes‘ bin, koscher, aber ich trage enge Hosen und fluche wie ein Cowgirl! Das muss aus meiner Jugendzeit in Arizona kommen!“, wo Nancy mit ihrem berühmten Bruder Steven Spielberg wohlbehütet aufwuchs. Der Film Above and Beyond wurde beim Jerusalem Filmfestival im Juli dieses Jahres uraufgeführt. Seitdem ist Nancy Spielberg auf Filmtournee, sie zeigt den Film auf College Campuses und bei verschiedenen Organisationen. Gleichzeitig ist sie auch Produktionsleiterin eines neuen Dokumentarfilms, Wer wird unsere Geschichte aufschreiben, über Oneg Schabbat, das geheime Archiv, das im Warschauer Ghetto von einer jüdischen Untergrundgruppe aufgebaut wurde. „Ein unglaubliches Projekt“, sagt sie: „Jetzt versuchen wir Geld aufzutreiben, in einigen Wochen werden wir in Polen und Israel zu drehen beginnen.“ Über ihre zukünftigen Pläne befragt, hat Nancy auch eine Antwort parat und zeigt, wie unermüdlich sie ist: „Ich werde eine dramatisierte Version des Filmes Above and Beyond drehen.“
NU: Was hat Ihr Interesse an diesem Thema und an Machal geweckt?
Nancy Spielberg: Erstens arbeitete ich als Jugendliche freiwillig ein Jahr lang in einem Kibbuz, aber es ist ein ziem-belicher Unterschied, ob man freiwillig den Küchenboden aufwischt oder nicht sehr zuverlässige Flugzeuge gegen die Feinde fliegt. Was wirklich mein Interesse erweckte, war der Nachruf auf Al Schwimmer, mit dem Titel „Pate der israelischen Luftwaffe gestorben“, in dem beschrieben wurde, wie ein Amerikaner, ein Flugtechniker der TWA, entgegen dem Embargo der USA Flugzeuge aus den USA schmuggelte und Piloten engagierte. Damit wurde 1948, als der Staat Israel ausgerufen und danach von allen benachbarten, gut ausgestatteten arabischen Staaten attackiert wurde, der Grundstein für die israelische Luftwaffe gelegt. Das war eine unglaubliche und unbekannte Geschichte, und ich dachte, das muss ich machen, diese Menschen interviewen, solange sie noch unter uns weilen.
Warum heißt der Film Above and Beyond?
Ursprünglich hieß der Film Above it All, aber ich hatte Angst, dass das süffisant klingen könnte. Die Leute würden sagen „diese Burschen glauben, sie stehen über den Dingen“, daher nahm ich Above and Beyond, da es beschreibt, was eine Handvoll Amerikaner (und alle anderen Freiwilligen, die 1948 nach Israel gingen) tat – sie gingen über ihre Pflicht hinaus. Eigentlich war es ein Arbeitstitel, aber als der siebenminütige Trailer im Internet auftauchte und sich schnell verbreitete, bekam er plötzlich eine Bedeutung, hatte eine Fangemeinde, und eigentlich passte der Titel zum Film.
Ist der Film eine Kombination von originalem Archivmaterial und kürzlich geführten persönlichen Interviews?
Der Film ist eine Kombination unglaublicher Archivfunde, Interviews mit einer Handvoll tapferer Männer, die ihre Geschichte in der Ich-Form erzählen, was noch packender ist, einigen kleinen Wiederherstellungen und ein bisschen CGI – Computer- Generated Imaging.
Wie sind Sie zu dem Archivmaterial gekommen?
Wir durchkämmten Archive auf der ganzen Welt – wir hatten Leute in Tschechien, in Israel, in den National Archives in den USA und so weiter. Wir erhielten auch Hilfe von israelischen Historikern, die private Fotoalben dieser Piloten durchstöberten.
Wer sind diese Menschen, die für Israel gekämpft haben? Können Sie uns einige persönliche Geschichten erzählen?
Gute Frage: Sie waren keine Zionisten. Nur einer der von uns Porträtierten hatte eine zionistische Erziehung, die anderen waren unglücklich darüber, Juden zu sein – es hatte sie behindert. Sie konnten keine Arbeit finden, kommerzielle Fluglinien stellten keine Juden als Piloten ein. Sie waren zumeist Helden aus dem Zweiten Weltkrieg, die versuchten, ihr Leben nach dem Krieg wieder in geregelte Bahnen zu bringen… Aber sie empfanden eine große Verantwortung; sie sahen, wie Überlebende in Scharen nach Israel kamen, und es war ihnen klar, dass Israel unmittelbar vor einem Angriff durch fünf benachbarte arabische Armeen stand. Sie wollten die Überlebenden beschützen. Außerdem vermissten sie die „Action“ ihrer glorreichen Tage.
Wie viele Juden und Nicht-Juden haben Sie interviewt?
Wir haben mehr als 15 Personen interviewt, verwendeten aber nur sechs bis sieben der Interviews. Wir haben keine Nicht-Juden interviewt, aber nur, weil wir keine finden konnten. Jeden Monat hörten wir von jemandem, der gestorben war. Es war schwierig, Interviewpartner zu finden, die ihre Geschichte klar erzählen konnten.
Welche Motivation hatten Nicht- Juden, für Israel zu kämpfen?
Einige waren wegen ihrer Sympathie für Juden nach dem Holocaust motiviert. Sie hatten die Lager befreit; hatten mit eigenen Augen gesehen, was geschehen war, und sie waren wirklich betroffen. Manche von ihnen beteiligten sich einfach, weil sie die glorreichen Tage vermissten.
Wie wurden Machal-Mitglieder von ihren Ländern behandelt, wenn sie für Israel kämpften?
In den USA verstieß es gegen das Gesetz, Waffen oder Flugzeuge in den Nahen Osten zu exportieren. Das FBI verfolgte viele von ihnen in den USA und klagte einige an. Aber sie machten das alles sehr geheim. Viele von ihnen sprachen bis zu ihrem Tod nicht über ihre Beteiligung, da sie fürchteten, dass das FBI eines Tages an die Tür klopfen würde.
Stimmt es, dass Ihr Bruder Steven Spielberg diesen Film produzieren wollte?
Vor vielen Jahren hatte mein Bruder überlegt, einen Film auf Basis der wahren Geschichte zu produzieren, aber er tat es nicht, aus vielen Gründen. Hat Ihr Bruder Einfluss auf Ihre Produktionskarriere gehabt? Wer ist nicht von meinem Bruder beeinflusst! Den größten Einfluss hatte in Wahrheit, dass es so dringend notwendig ist, Interviews zu machen und aufzunehmen. Wir alle wissen heute, wie wichtig es ist, die „oral history“ zu bewahren, sodass diese Geschichten nicht für immer verloren gehen.
In vieler Hinsicht hat das Aufwachsen mit meinem Bruder einen Einfluss gehabt, der mir gar nicht bewusst war. Er war einfach Teil meiner Psyche.
Wie lange suchten Sie Sponsoren, und wer ist Ihr größter Spender?
Ich suche noch immer! Anfang 2012 begann ich mich um die Finanzierung umzusehen. Als der Sieben- Minuten-Trailer im Internet herauskam, begannen Menschen mir Geld zu schicken! Aber ich arbeitete sehr hart für jeden Cent. Mein größter Sponsor war Danny Abraham, der Gründer von Slimfast und ein großer Philanthrop. Auch Al Berg, der Gründer von Marchon Eyewear. Beide sind sehr bei AIPAC (The American Israeli Public Affairs Committee) engagiert.
Können Sie uns von Ihren Eindrücken vom Jerusalem Festival erzählen, wo Ihr Film zum ersten Mal gezeigt wurde?
Man war überwältigt von Gefühlen und sehr dankbar.
Wissen Sie, wie viele der ehemaligen Machal-Mitglieder den Film sahen?
Ich hatte die Ehre, den Film einigen Piloten zu zeigen. Leider sind zwei von ihnen seit Beginn der Arbeiten am Film gestorben; aber einer, Coleman Goldstein, konnte zusammen mit seiner Familie eine erste Schnittversion sehen. Sie erzählten mir, dass es eine sehr bewegende Erfahrung war. Ihre Reaktion ist Dankbarkeit – Dankbarkeit, dass endlich jemand ihre Geschichte erzählt.
Sie zeigen Ihren Film in den USA, Kanada und Australien. Werden Sie ihn auch in Europa zeigen?
Ich hatte die Absicht, den Film zur Ausstrahlung in Europa freizugeben, aber man meinte, es sei keine gute Zeit, einen Film über Juden und über Israel zu zeigen, also werden wir warten müssen. Wir werden Vorführungen für Organisationen machen.
Welche Botschaft soll dieser Film dem Publikum vermitteln?
Wie weit man wohl gehen würde, um einem Bruder in Not zu helfen? Hier war eine Gruppe von Burschen, die meinten, es sei ihre Pflicht, einem Bruder in Not zu helfen, auch wenn das persönliche Risiko sehr hoch war.
Die Regisseurin Roberta Grossmann sagte in einem Interview, dass der Film „Abenteuer, Herz, Sex, alles“ habe. „Er ist universell.“ Was meinte sie?
Diese Burschen waren jung, gut aussehend, wilde Piloten – sie waren voller Chuzpe, Abenteurer, die sich für unbesiegbar hielten. Frauen schwärmten für sie, und sie nutzten das aus! Es gibt auch viel Herz – die Männer sind sehr emotionell, wenn sie erzählen, wie dieses Abenteuer ihr Leben verändert hat; es hat sie stolz gemacht Jude zu sein, und sich nicht dafür schämen zu müssen