Die Graphic Novel „Exodus“ von Esther Shakine ist ein kindliches Tagebuch, verpackt in eine Comicgeschichte.
Von René Wachtel
Esther Shakines Exodus erzählt die Geschichte der fünfjährigen Ticka in Ungarn im Zweiten Weltkrieg und ihren Weg nach Palästina nach der Befreiung. Es ist eine autobiografische Geschichte: Esther Shakine wurde 1932 im südungarischen Szeged geboren und überlebte den Holocaust versteckt in einem Kloster. Sie gelangte auf abenteuerlichen Wegen nach Israel, denn sie war eine der mehr als 4000 Überlebenden des Flüchtlingsschiffs „Exodus“. Nach der Irrfahrt und Aufbringung der „Exodus“ im Herbst 1947 durch die britische Marine und der Rückholung in ein britisches Camp in Hamburg kam sie gleich nach der Staatsgründung nach Israel.
Exodus ist eine Graphic Novel der besonderen Art: Schon das Format ist unüblich – ein einfaches Büchlein, etwas größer als ein Heft mit knapp Seiten. Bereits das Coverbild zeigt eine der Schlüsselszenen der Geschichte – das Überleben von Ticka. Während einer Razzia in der Wohnung ihrer Eltern, die von den Nazis mitgenommen werden und die Ticka nie mehr sehen wird, versteckt sich das Mädchen mit ihrer Katze Pitsy im Kleiderschrank. Worauf diese aus dem Kasten springt, für entsprechende Unruhe sorgt und Ticka damit das Leben rettet: „Ich blieb allein im Schrank zurück. Ich weinte nicht mehr. Dann habe ich lange Zeit nicht mehr geweint.“ Ticka irrt durch die Stadt und ein Pfarrer versteckt sie in einem Kloster. Bis nach dem Krieg dann die Odyssee durch das zerstörte Europa nach Israel beginnt.
Shakine erzählt in Tagebuchform, in der Gegenwart des Kindes, und versieht die Geschichte mit kindlichen Zeichnungen, die der schwarze Hintergrund besonders intensiv zur Geltung kommen lässt. Es ist die Unmittelbarkeit, die Exodus zu einer derart bemerkenswerten Graphic Novel macht.
Esther Shakine
Exodus
Klinkhardt & Biermann, München 2020
48 S., EUR 15,50