Der Wiener Stadttempel ist das Herzstück der Wiener jüdischen Gemeinde. Jetzt nähert sich die 200-Jahr-Feier. Daher hat die IKG beschlossen, ihn komplett zu restaurieren. Ohne Ausschreibung und Architekturwettbewerb, jedoch nach einem einstimmigen Beschluss des Kultusvorstandes der IKG, wurde das Architekturbüro KENH mit der Durchführung und Überwachung der Sanierung beauftragt.
von Rene Wachtel
In ihrem Büro im zweiten Bezirk gaben die beiden ausführenden Architekten dieses Projekts, Eric Emanuel Tschaikner und Natalie Neubauer, Auskunft. Zunächst mit dem Hinweis, dass eine Sanierung überfällig sei und einem Exkurs in die Geschichte: Gleich nach dem II. Weltkrieg begann man mit der Sanierung des kompletten Innenteils des Stadttempels, damit wieder jüdische Gottesdienste stattfinden konnten. 1987/1988 wurde neben Umbauten das Gemeindezentrum, das koschere Restaurant und der Eingangsbereich neu errichtet. Nun sei eine Sanierung zwecks Barrierefreiheit, Brandschutzmaßnahmen und der Haustechnik notwendig. Auch der Eingangsbereich wird neu gestaltet. Aus Sicherheitsgründen wird es einen gemeinsamen Eingang für den Stadttempel und die Büros der IKG, sowie für die Führungen geben. Eine neue Garderobe und ein Info-Point sollen gestaltet werden. Die Vorhalle zum Gebetsraum bekommt auf Wunsch des Rabbinats einen eigenen rituellen Brunnen. Dazu wird ein siebeneckiger Brunnen aus Jerusalemer Sandstein gebaut. Stufen werden entfernt, und ein Schabbes-Lift errichtet. Sowohl bei den Herren als auch bei den Damen werden eigene Rollstuhlplätze eingerichtet.
Im Gebetssaal wird der Platz um die Bima vergrößert, der Chor bekommt eigene Sitzplätze. Bei den Plätzen für die Betenden bleibt es beim Bestand von 500 Sitzplätzen in den drei Stockwerken. Hier werden neue Theatersessel angeschafft. Auf der zweiten Galerie bleibt alles unverändert. Der „Aufstieg“ wird in jeder Hinsicht durch den Schabbes-Lift und durch einen zusätzlichen Aufgang erleichtert. Geplant ist weiters ein ausgeklügeltes Lichtsystem, sowie spezielle Schallschutz- und Sichtschutzelemente, um die Akustik im oberen Bereich verbessern. Die Heizungs- und Klimaelemente werden modernisiert, um den Betenden bei jeder Witterung ein angenehmes Raumklima zu bieten. Im Untergeschoß werden die Holzpaneele durch neue Paneele ersetzt. Die Gedenktafeln, die bisher dort montiert waren, werden an die Familien zurückgegeben. An deren Stelle sollen die Inschriften direkt in die Paneele eingraviert werden. Mit den Sanierungsarbeiten, die ein Jahr dauern sollen, wird nach den hohen Feiertagen 2025 begonnen. In der Zwischenzeit soll das Gemeindezentrum als Ausweichort für die Gottesdienste dienen. Nach der Sanierung des Stadttempels sollen das Gemeindezentrums und danach die Fassade renoviert werden. Dafür wird allerdings ein eigenes Budget erforderlich sein. Über eine Sanierung des koscheren Restaurants, die mehr als überfällig ist, wird nichts verlautet. Laut Schätzungen der IKG belaufen sich die Kosten für die Sanierung des Stadttempels auf 10,5 Millionen Euro. Zwei Drittel davon übernehmen der Bund und die Stadt Wien. Die IKG führt umfangreiche Fundraising-Maßnahmen durch – unter anderem mit einer Chanukkah-Gala zugunsten des Stadttempels. Möge die Übung gelingen!
