Kulinarische Expedition mit Alma Mahler-Werfel ins Wiener Fin de Siècle.
Es heißt, die Liebe ginge durch den Magen. Ein Selleriesalat, bekränzt mit Vogerlsalat, soll Alban Bergs Leibspeise gewesen sein. Und ihn ganz glücklich einerseits und gefügig andererseits gemacht haben. So hatte es zumindest Alma Mahler-Werfel in ihrem Kochbuch notiert.
Dieses Kleinod Wiener Kochkunst des Fin de Siècle hat die Autorin Claudia Nemec vor ein paar Jahren am Friedhof des Vergessens exhumiert und für das Hier und Jetzt perfekt adaptiert. Interessant, wie groß der Anteil Kohl und Kohlgemüse, Kohlsprosserln und Kohlwürstel in der gutbürgerlichen Küche der Salonière gewesen sein muss.
Vielleicht war das strenge Odeur aber nur den exzentrischen Geschmacksnerven der Exzellenzen und Exaltiertheiten ihrer Herren Gemahle und Geliebten geschuldet. Die Vorlieben von Walter Gropius, Franz Werfel, Oskar Kokoschka und dem asketisch lebenden Gustav Mahler sind jedenfalls anhand von sechzig ausgewählten Rezepten nachzulesen.
Von gefüllten Paprika und Fleischknödeln über Schinkencroquettes und Käsepudding bis hin zu Gugelhupf, Zwetschgenfleck und Topfentorte ist alles versammelt, was die Alt-Wiener Küche zu bieten hat, verfeinert mit Almas spezifischer Note. Wobei, so Nemec, die Geschmacksnerven heute anders sein müssen, als die Papillen jener Epoche. Freundlich formuliert bedeutet das, dass die Speisen (gekocht nach den Original-Rezepten) ziemlich fad bis öde schmecken. Sogar Alban Bergs „Leibspeise“ und Walter Gropius’ „Lieblingsmehlspeis“ sind vermerkt.
Frische „gefilte Fisch“ wird man sich vom nahe gelegenen Naschmarkt liefern haben lassen. Auch das von Gustav Klimt, dem Champagner und Schnaps zugeneigt, leicht verächtlich als „Tschopperlwossa“ bezeichnete „Damengetränk“ nahm angeblich hier seinen Ursprung: eine Art historischer Vorläufer von heutigen – unter dem Nimbus der Wellness firmierenden, mit Farbstoff und Geschmacksextrakten exotischer Früchte versetzten – Gesundheitswässerchen mit Namen wie „Balance“ und „Emotion“.
Besonders angetan soll übrigens Otto Wagner von der Backkunst der erotisierenden Alma gewesen sein. Allerdings seien die Rezepte im Original nahezu ungenießbar, wie Claudia Nemec berichtet. Waren auch Gustav Klimt und Otto Wagner von Almas Erotik geblendet? Gut möglich. Derart bekäme das Sprichwort „Man isst auch mit den Augen“ eine ganz neue, sinnliche Bedeutung.
PS: Wer kulinarisch den Fährten Almas folgen will, kann dies regelmäßig tun: Mit Passion und Verve führt Kulturvermittlerin Waltraud Wawerka zu spannenden kulinarischen Adressen der Stadt. Sie lädt fachkundig und sprachgewandt zu Expeditionen an Orte wie Almas Küche, die Mazzesinsel, mitunter ins Jüdische Museum, bis zum koscheren Wien.
Dieser leicht adaptierte Text ist erschienen in Gregor Auenhammers „Auf den Spuren von Otto Wagner“, Styria, Wien 2018. Waltraud Wawerkas Spaziergänge finden Sie unter „Wiener Genusswelten“.
Infos, Termine & Buchungen: wienergenusswelten@gmx.at