„Was ist Lachen?“ und „Was macht lachen?“ Über das Lachen und seine Beziehung zur Psychoanalyse, den Wahrheitsgehalt des Witzigen, das Geistreiche im Humor und die Seriosität des Lachhaften.
Von August Ruhs
Zahlreiche Philosophen und Literaten von der Antike bis zur Gegenwart haben sich mit dem Phänomen des Lachens und den unter der Wissenschaftsbezeichnung Gelotologie zusammengefassten theoretischen Überlegungen und Erkenntnissen dazu beschäftigt und sind dabei vor allem dem Wesen von Komik, Scherz und Jux nachgegangen. Ludwig Wittgenstein sah sich sogar zur Behauptung veranlasst, dass man ein seriöses, gutes philosophisches Werk verfassen könne, das ausschließlich aus Witzen bestehe.
„Was ist Lachen?“ und „Was macht lachen?“ Antworten auf die Frage, was uns zum Lachen bringt, sind häufiger und offensichtlich auch leichter zu finden, wenngleich sich erhebliche Schwierigkeiten einstellen, gemeinsame Merkmale aller Quellen der Lachlust herauszuarbeiten. Dies gilt auch für Sigmund Freud, der mit den Begriffen Witz, Komik und Humor zu einer Differenzierung des Lachhaften und Lächerlichen gelangt.
Ablachen
Geht man in Bezug auf die elementaren Begriffe des Witzes und seiner kategorialen Anverwandten vom Begriff des Einfalls und dessen Nähe zum Spontanen, Unvermuteten und Unbewussten aus, so war Freud schon sehr früh mit Witzigem, Komischem oder Humorvollem konfrontiert, und zwar sowohl in seinem therapeutischen Praxisbereich als auch in seinem Bemühen, eine allgemeine Psychologie des Unbewussten zu entwickeln. Für seine Abhandlung Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten (1905) konnte Freud auf eine umfangreiche Sammlung von „tiefsinnigen jüdischen Geschichten“ und Witzen zurückgreifen, was darauf hinweist, dass er auch privat für Lachen und Humor einiges übrighatte. In witzigen, komischen oder erheiternden Situationen entsteht Lachen durch Ersparnis an energetischem Aufwand, also durch Freiwerden von Besetzungsenergie, die sich nun in ihrer ganzen Lustqualität äußern kann. Somit ist das Lachen in diesem Zusammenhang immer ein Ablachen im Sinn einer lustvollen und befreienden Abreaktion ansonsten gebundener Energiequanten.
Bei der Lachgattung Witz (und deren Vorläufer, dem Wortspiel in Schüttelreimen, Anagrammen, Scherzfragen etc.) wird Hemmungsaufwand erspart, indem durch das Vernehmen eines Witzes Verdrängungen aufgehoben werden. Ein vorbewusster und aus der Spontaneität eines Einfalls kommender Gedanke taucht ins Unbewusste, wird dort den primärprozesshaften Bedeutungsgesetzen unterzogen und schließlich von der bewussten Wahrnehmung erfasst. Damit der Witz innerhalb dieser Triebdynamik seine volle Wirkung erzielen kann, bedarf es einer zusätzlichen Aggressionslust. Sie ist mithilfe des Dritten, auf dessen Kosten der Witz geht, gewährleistet.
Das Ablachen ist mit einem Auslachen verbunden. Dies gilt insbesondere für den tendenziösen und obszönen Witz, der nach Freud einem derb-frivolen männlichen Annäherungsversuch entsprungen ist und als eine aggressive Reaktion des Mannes auf die sexuelle Zurückweisung durch die Frau zu verstehen ist. Die erlittene Frustration findet im Witz eine Kompensationsmöglichkeit.
Bei der vorbewusst determinierten Komik wird Vorstellungsaufwand erspart: Die Vorstellungserwartung wird durch das vorzeitige Misslingen eines Handlungsablaufes überflüssig und kann abgelacht werden. Freilich kann auch hier aggressive Lust als Schadenfreude bzw. als Überlegenheitstriumph gegenüber einem Mangel, von dem man selbst nicht betroffen ist, freigesetzt werden. Ein abwesender und auszulachender Dritter wie beim Witz ist allerdings dafür nicht erforderlich.
Gefühlsersparnisse
Der Humor schließlich, der auch einem vorbewussten Prozess entspricht und im Galgenhumor am sinnfälligsten in Erscheinung tritt, ist durch eine Ersparnis an Gefühlsaufwand gekennzeichnet. Angesichts einer misslichen Situation kann ein Teil der tragischen Emotionen durch eine Art Verkehrung ins Gegenteil freigelacht werden kann. Bei diesem auf das eigene Selbst bezogenen Vorgang ist eine zweite Person nicht nötig. Freud charakterisiert das Humoristische durch Verschiebung vom Ich auf das Über-Ich.
Zusammengefasst ist für Freud das lustvolle Lachen immer ein kommunikativer und sozialer Vorgang, wobei man beim Humor über sich selbst als einen anderen, bei der Komik über einen äußeren Anderen und beim Witz mit einem Anderen über einen Dritten lacht. Im letzteren Fall ist das Lachen des Anderen für den Witzeerzähler einerseits der Garant dafür, dass er sich noch in einem sozial vertretbaren Bereich befindet und andererseits die Bestätigung für das Gelingen der Witzarbeit.
Das Genießen des Witzes wiederum kann in den Kontext einer sublimen und gesellschaftlich gestützten Perversion gestellt werden: Ein wesentliches Merkmal perversen Triebstrebens besteht darin, für die Lust eines Anderen zu arbeiten. Dies gilt in besonderem Maß für das Erzählen von anstößigen und ordinären Witzen. Selbstverständlich wirken sich kulturelle Einflüsse und Bedingungen auf Produktion und Rezeption von Witzigem und Komischem relativierend aus. Gesetze, Gebote und Verbote stellen eine kräftige Nährlösung dar.
Auslachen
Freud bezieht sich in seiner Abhandlung über den Witz auch auf den französischen Philosophen und Literaturnobelpreisträger Henri Bergson (1859-1941). Ausgehend von den Fragen: „Was bedeutet das Lachen? Was steckt hinter dem Lächerlichen? Was haben die Grimasse eines Clowns, ein Wortspiel, eine Verwechslung in einem Schwank, eine geistvolle Lustspielszene miteinander gemein?“ entwickelt Bergson eine Theorie des Komischen als soziales Verhältnis: Außerhalb dessen, was wahrhaft menschlich sei, gäbe es keine Komik. Der Mensch sei ein Tier, das lachen könne und lachen mache. Das Lachen sei zwangsläufig mit einer Empfindungslosigkeit verbunden, so Bergson, der größte Feind des Lachens folglich die Emotion: „Die Komik bedarf einer vorübergehenden Anästhesie des Herzens, um sich voll entfalten zu können. Sie wendet sich an den reinen Intellekt.“
Unumgänglich sei, dass dieser Intellekt mit anderen Intellekten in Verbindung stehe; Komik entstehe innerhalb einer Gruppe von Menschen, „die einem einzelnen unter ihnen ihre volle Aufmerksamkeit zuwenden, indem sie alle persönlichen Gefühle ausschalten und nur ihren Verstand arbeiten lassen.“ Diese Entpersönlichung trenne das Komische vom Tragischen und die Komödie von der Tragödie. Die Erzeugung von Heiterkeit festigt das soziale Milieu und wirkt gesellschaftsbejahend, die Tragödie stellt immer auch einen Bruch mit der Gesellschaft dar. Was einen Menschen zur komischen Figur stempelt, werde von außen gleichsam wie ein fertiger Rahmen an ihn herangetragen. Gemäß Bergson besteht das Lachen letztlich mehr oder weniger bewusst in einem Auslachen.
Kritiker bemängeln, dass Bergson niemals über den Grund des Lachens spreche, sondern immer nur über seinen Zweck. Auch Freud relativiert Bergsons Standpunkt, indem er zwischen Lachhaftem und Lächerlichem, zwischen Humor und Witz differenziert.
Ausscheidung
Zweifellos ist Lachen eine Kategorie des Lusterlebens, aber warum nimmt diese auf spezifische Auslöser und Provokationen reagierende seelische Erregung bzw. Erregungsabfuhr gerade diesen spezifischen Weg bzw. ergießt sie sich gerade in diese besondere Form der Körpermanifestation? Helmut Plessner (1892-1985), einer der Hauptvertreter der philosophischen Anthropologie, geht in seinem Essay Lachen und Weinen. Eine Untersuchung nach den Grenzen menschlichen Verhaltens von den zwei Begriffen „Positionalität“ und „Haltung“ aus, wobei er diese beiden Begriffe zu Körper-Sein und Körper-Haben in Beziehung setzt. Unter dem Aspekt des Körper-Seins, der Leiblichkeit, befindet sich der Mensch in der Peripherie der Welt; unter dem Aspekt des Körper-Habens ist er hingegen in deren Zentrum. Jede Beanspruchung seiner Existenz verlangt einen Ausgleich zwischen der Weise des Seins und der Modalität des Habens. In Grenzsituationen bleibt uns die Möglichkeit, uns der Automatik jener körperlichen Abreaktionen zu überlassen, die wir Lachen oder auch Weinen nennen. Dabei lässt sich eine Analogie von Lachen und Erbrechen in dem Sinne feststellen, dass es einerseits ein Erbrechen von Luft aus der Lunge gibt, dass aber andererseits auch eine Analogie zwischen dem Weinen und dem „Saufen“ von Luft zu konstatieren ist, was sich im Schluchzen besonders deutlich äußert.
Lachen und Weinen sind somit Reaktionen auf Grenzsituationen. Sie überkommen einen und setzen doch stets die Bereitschaft voraus, sich in den beinahe unkontrollierbar ablaufenden „Mechanismus“ des Lachens oder Weinens hineingleiten zu lassen. Mit dieser freiwilligen Unfreiwilligkeit erinnern Lachen und Weinen an Ausscheidungsprozesse oder an die Kopulation. Immer geht es um ein Spiel mit dem Unkontrollierbaren, um die Herbeiführung eines Aussetzens der Selbstbeherrschung. Sexualität, Lachen und Weinen sind lustvoll, weil sie anarchisch sind.
Lachen gehört zu jenen Zuständen, die sich als Grenzzustände des Daseins in einem durchaus existenzialistischen Sinn bezeichnen lassen. Es sind Ausnahmeerscheinungen, wie sie uns auch, abgesehen vom Nullpunkt Tod, in der Gewalt, im Wahnsinn, in Rauschzuständen, in Ekstasen und im Orgasmus entgegentreten.
Dabei wäre zu überlegen, ob sich ein Überschuss an Repräsentation durch dessen vomitierendes Ausscheiden als Lachen (Manie) reguliert, wohingegen sich am anderen Ende des Prozesses das als inhalatorisch-inkorporierend anmutende Weinen als Sättigungsversuch im Hunger nach Repräsentation erweisen könnte (Melancholie).
Fröhliche Wissenschaft
Hat die Psychoanalyse ihren Witz verloren? Hat sie das Lachen verlernt? In diesem Zusammenhang ist die Vertreibung der Psychoanalyse und die Zerstörung ihrer angestammten Institutionen durch den Nationalsozialismus von großer Bedeutung. Sofern sie sich vor der Ermordung retten konnten, mussten viele ihrer Vertreter ihr Leben und Wirken unter geänderten Bedingungen in der Diaspora fortsetzen.
Sofern die Psychoanalyse ihrem Kerngeschäft nachgeht, ist sie mit dem Aufspüren eines Unbewussten befasst. Die frühe Entdeckung, dass dieses Unbewusste als ein anderer Diskurs und als Diskurs eines Anderen nicht nur verdrängtes Lustvolles beinhaltet, sondern auch grundsätzlich geistreich und witzig ist, lässt es gerechtfertigt erscheinen, der Psychoanalyse den Status einer „fröhlichen Wissenschaft“ zu verleihen. Sigmund Freuds humorvoller Charakter, seine literarische Begabung und seine rhetorischen Fähigkeiten hatten immer schon ihren Niederschlag in seinem Werk gefunden, sowohl in seinen theoretischen Abhandlungen als auch in den Beschreibungen seines empirischen Fallmaterials.
Die Erkenntnis, dass der Mensch zwar nicht so gut sei, wie er glaube, aber auch nicht so böse, wie er befürchte, dürfte einiges zur Überwindung der Widerstände beigetragen haben, die man der Psychoanalyse wegen ihrer bitteren Wahrheiten von Anfang an entgegenbrachte. Als Freud sehr spät der Professorentitel verliehen wurde, stellte er mit der ihm eigenen Ironie fest: „Die Teilnahme der Bevölkerung ist sehr groß, es regnet auch jetzt schon Glückwünsche und Blumenspenden, als sei die Rolle der Sexualität plötzlich von Sr. Majestät amtlich anerkannt, die Bedeutung des Traumes vom Ministerrat bestätigt und die Notwendigkeit einer psychoanalytischen Therapie der Hysterie mit Zweidrittelmehrheit im Parlament durchgedrungen.“