Von Erwin Javor
Diesmal habe ich besonders sorgfältig reflektiert, bevor ich diese Kolumne geschrieben habe. Es ist mir nämlich aufgefallen, dass ich eigentlich immer nur über zwei Themen schreibe. Erstens darüber, was gewisse Nichtjuden den Juden antun. Zweitens darüber, was gewisse Juden den Juden antun. Da hab ich mir gesagt, ich bin doch ein denkender Mensch, objektiv, witzig, belesen, vielseitig, selbstkritisch und bescheiden, es muss doch noch ein drittes Thema geben. Und ich hatte, wie immer, recht. Nach gar nicht so langem Überlegen fielen mir sogar viele Themen ein.
Wirtschaft und Tourismus, zum Beispiel. Nehmen Sie die architektonische Umgestaltung der Wiener Innenstadt. Gerade in der Wirtschaftskrise möchte man doch glauben, dass es sinnvoll wäre die Tourismuswirtschaft zu unterstützen und nicht gleich die ganze Fußgängerzone aufzureißen und zu zernepfen, bis auch der mutigste japanische Tourist ohne zu fotografieren wieder abreist, und das schnell. Als Wirtschaftstreibender, denn das bin ich bekanntlich auch, halte ich das für eine kontraproduktive Strategie, die, vermutlich ohne eine Vorstellung der Umsatzprobleme und schwindenden Gewinnspannen der Geschäfte, nicht einmal mit viel wirtschaftspolitischer Fantasie als antizyklische, konjunkturstützende Investition gelten kann. Ganz abgesehen davon, dass es den Juden, die im Café Europe sitzen, die Aussicht versperrt. Ups.
Zurück zum Tourismus, der in einem Land wie Österreich eine wesentliche Funktion in der Begründung und Erhaltung des nationalen Wohlstands spielt. Wohin man sieht auf weiter Flur, von der ungarischen bis zur Schweizer Grenze, haben wir in diesem Land unbeschreiblich schöne Berge, Seen und Gletscherspalten zu bieten, für deren Anblick Millionen bereit sind, gutes, wirtschaftsbelebendes Geld zu bezahlen. Wir können zu Recht darauf hoffen, dass die österreichische Gastlichkeit und Gemütlichkeit das Bruttonationalprodukt sicher über die Krise bringen wird, sei es dank der Touristiker in Bad Gastein, Kitzbühel, Velden oder Ebensee. Ups.
Wie dem auch sei, wäre die österreichische Tourismusindustrie nicht so professionell und erfahren, müssten in Zeiten wie diesen wohl schon viele Hotels zusperren. Im Tiroler Serfaus war das im einen oder anderen Betrieb ja schon fast ein Thema. Dann aber stellten sich einige innovative Hoteliers auf die Bedürfnisse von Spezialzielgruppen ein, und die Lokalwirtschaft ist erfolgreich belebt, seit einige Beherbergungsbetriebe sich – zumindest eine Zeit lang – auf die Bedürfnisse von orthodoxen Juden eingerichtet haben. Ups.
Verzeihung, ich war kurz unkonzentriert. Wo waren wir? Ach ja, Tourismus. Im Ernst. Stellen Sie sich einmal vor, Österreich hätte nicht diese üppigen, natürlichen Ressourcen, die allein die Wälder darstellen! Wo würden unsere Rehe spazieren gehen? Wo die Singvögel zwitschern? Wo Strache und Co. Paintball spielen? Ups.
Entschuldigung. Ich muss einfach noch üben. Drittes Thema haben wir gesagt. Drittes Thema. Dritter Mann, Dritte Welt, dritte Zähne, drittes Lager, Drittes Reich. Ups.
Versuchen wir’s mit etwas anderem. Etwas Harmlosem, Vergnüglichem. Ehmm … Ahhh … Ja, das ist es: Dancing Stars! Viele von uns, manche heimlich, haben sich Dancing Stars angeschaut. Wirklich schade eigentlich, dass trotz der vielen Sendezeit und der vielen Staffeln sich kaum wer an die B- und C-Promis erinnern kann, die sich so enthusiastisch abgemüht haben. Außer an Marika Lichter natürlich. Ups.
Themenwechsel! Aber welches Thema? Es muss doch irgendetwas geben, das nichts mit Juden zu tun hat! Ja, genau. Weihnachten. Da wird zwar die Geburt eines Juden gefeiert, aber wir wollen ja nicht so sein. Wussten Sie übrigens, wer das berühmte Lied „Dreaming Of A White Christmas“, die meistverkaufte Single aller Zeiten, geschrieben hat? Irving Berlin, der eigentlich Israel Isidore Beilin hieß und Sohn eines Kantors war. Also gut, ich gebe auf. Es gibt kein drittes Thema.