In der Seitenstettengasse hat ein original jüdisches „Books & Bagels“- Geschäft eröffnet. Wie in New York und Zürich! Eine kleine Sensation für Wien. Noch mehr für das Viertel.
Von Rainer Nowak
Wie bekehrt man einen in der Innenstadt wohnenden Antisemiten? Ganz einfach: indem ein jüdisches Geschäft oder Lokal mit geregelten Öffnungszeiten statt eines Party- und Alkohol- Lokals in der City einzieht. So geschehen in der Seitenstettengasse. Also im jüdischen Herzen der Stadt, das unter dem Begriff „Bermudadreieck“ zum Synonym für Teenager-Besäufnis und die leichte Verslumung des ersten Bezirks wurde. Books & Bagels heißt die Einrichtung und eigentlich kann es nur eine Frage der Zeit sein, bis die erste Wiener Zeitung von einer Jüdischen Renaissance des Viertels schreibt. (Was hiermit gleichzeitig schon ein bisschen passiert ist.) Weil Tempel, das Restaurant Alev-Alev und der neue Bagel-Buch-Judaika-Laden ein kleines jüdisches Dreieck bilden auf dem quasi feindlichen Terrain. Doch bis auf Weiteres wird – vor allem nachts – nach wie vor die junge Wodkas-Saurer-Apfel-Gang das Straßenbild beherrschen – mit entsprechender Geräuschkulisse und Folgen für die Anwohner.
Aber zurück zu Lob und Preisung für Books & Bagels. Auf den ersten Blick wirkt es wie eine Mischung aus einer Bücher-Lounge mit kleiner Starbucks- Ecke, Waschgelegenheit zwecks notwendiger Waschung vor dem Verzehr für Orthodoxe gibt es ebenso wie natürlich die Garantie, koschere Produkte zu verwenden. Die Bagels sind – natürlich nur Sour Cream Cheese und Räucherlachs werden hier empfohlen – wirklich gut: Die kleinen Fruchtfliegen, die Ende August umherschwirrten, kannte zu der Zeit die ganze Stadt.
Wirklich interessant – zumindest für einen Nicht-Juden – ist das Buchangebot, das auch online über www.booksnbagels.com zu begutachten ist und auch gekauft werden kann: religiös vom Talmud für jedermann bis zu den Pirke Avot, den Sprüchen der Väter. (Erläuterung des Buches nach Books & Bagels: „Wer sich für die klassische jüdische Ethik, wie den bekannten Ausspruch von Rabbi Hillel, interessiert, kommt hier voll auf seine Rechnung. Pirke Avot ist der einzige Teil des Talmuds, der sich ausschließlich mit jüdischer Moral und Ethik auseinandersetzt. Mit einem zeitlosen Kommentar von Rabbiner Hirsch, dem letzten, den er verfasst hat.“) Weitere Werke der Wiener Filiale, deren kleine Kette von Zürich aus startete und heute auch einen Laden in New York hat: Musikalisches von Great Jewish Classics bis jiddische Liebeslieder.
Und natürlich historische Wälzer wie „2000 Years of Jewish History: Coffee Table Edition“. Noch unterhaltsamer sind – neben den diversen Kochbüchern und Küchengerätschaften – die Spielzeug-Geschichten: etwa My Soft Rosh Hashana Set – die Stoff-Figuren-Begleitung für Neujahr also. Und dann gibt es da noch Schofar für Kinder – auch in Horn für Erwachsene. Die kleine Posaune aus dem Vorderen Orient, ordentlich am Abend geblasen – und sogar die jungen Trinker der umliegenden Bars sind beeindruckt.