Der Zwiekommentar von Peter Menasse und Erwin Javor
Menasse: Das ist das erste Mal, dass wir nicht im Kaffeehaus dajgezzen, sondern auf unserem NU-Fest im Stadttheater vor Publikum.
Javor: Schrecklich. Kein unfreundlicher Ober, kein Wirbel von den Gästen und niemand ignoriert das Rauchverbot.
Menasse: Und unsere Freunde können wir auch nicht ausrichten, weil die sitzen alle da.
Javor: Du, für eine gute Pointe, riskiere ich jederzeit Freundschaften.
Menasse: Gute Pointe – da bist du nicht in Gefahr.
Javor: Was gibt es Neues?
Menasse: Hast du nicht gehört, dass der Direktor der Deutschen Bundesbank Sarrazin ein Juden-Gen entdeckt hat. Ich finde das fabelhaft: Wir beiden teilen ein Gen.
Javor: Ich teile grundsätzlich nicht. Vor allem nicht mit dir und schon gar nicht meine Gene. Ich wüsste auch gar nicht, wo man neue Gene herkriegt.
Menasse: Da machst du einen Fehler, schließlich bin ich ein hervorragender Denker und du könntest ein bisserl was von meinem Gen-ie brauchen.
Javor: Nebbich. Übrigens komme ich gerade aus Los Angeles zurück. Meine Tochter hat ein Baby gekriegt, mit allerbesten Genen – eine Mischung aus galizischem Esprit, ungarischem Temperament und reinstem Wiener Blut. Und der Amateurbiologe Sarrazin hat ja auch festgestellt, dass 50 bis 80 Prozent der Intelligenz vererbt wird. Da bin ich jetzt schon stolz.
Menasse: Das arme, arme Kind. Und wenn es dann noch so ausschaut wie du: Gute Nacht Amerika.
Javor: Also pass auf, ich kenne deine Enkelkinder. Und wenn die Thesen von Sarrazin auch nur halbwegs stimmen, sind sie alle adoptiert.
Menasse: Ansonsten war nicht viel los. Es fehlen nur im Staatshaushalt ein paar Milliarden. Aber du weißt ja, für Grasser, Meinl, Kulterer, Haider – Gott hab ihn selig – und Konsorten gilt die Unschuldsvermutung.
Javor: Jawohl. Es gilt die Ungustl-Vermutung.
Menasse: Apropos Ungustln. Es gibt bald Wahlen in Wien und alle Politiker bereiten sich schon heftig vor.
Javor: Wozu bereiten sich die alle vor, es bleibt doch ohnehin alles beim Alten.
Menasse: Mit Alten meinst du den Häupl? Vorsicht, der ist jünger als wir beide.
Javor: Schade, dass alles gleich bleibt. Ich stelle mir lieber vor, wie es wäre, wenn sich alles änderte.
Menasse: Strache wird Bürgermeister?
Javor: Nein, das will ich mir nicht vorstellen. Aber denk dir mal, die Grünen bekämen die absolute Mehrheit.
Menasse: Sie würden sich augenblicklich spalten und dann mit sich selbst eine Koalition bilden, und dann wieder spalten und wieder spalten und wieder spalten. Es wäre das die Koalition mit den allermeisten Parteien und alle sind sich nicht grün.
Javor: Ich war ja immer schon gegen Grün. Ich bin ein Violetter.
Menasse: Kandidieren auch Violette?
Javor: Nein, ich meine doch die Wiener Austria.
Menasse: Die sollten nicht kandidieren. Fürs Verlieren gibt es eh schon die ÖVP.
Javor: Wir sollten endlich eine eigene Partei gründen. Wir nennen uns Nu-disten und sagen nur die nackte Wahrheit. Beide singen: „Wiener Nud, Wiener Nud …“
Menasse: Was versprichst du dir davon?
Javor: Wir kriegen dann Parteienförderung und verwenden das ganze Geld für Inserate im NU.
Menasse: Mit dem restlichen Geld fahre ich nach Hawaii.
Javor: Und wo dajgezzen wir dort? Es gibt doch dort sicher kein Kaffeehaus.
Menasse: Ich dachte ohnehin, dass ich alleine hinfahre. Ich wüsste nicht, was ich gerade mit dir in Hawaii anfangen soll.
Javor: Jetzt hast du endlich einmal eindrucksvoll allen unseren Freunden gezeigt, welch schlechten Charakter du hast. Nicht einmal nach Hawaii willst du mich mitnehmen.
Menasse: Mit dir würde ich nicht einmal in Liechtenstein dajgezzen. Aber es gilt die Unschuldsvermutung.
Javor: Das war jedenfalls das musikalischste Dajgezzen, das wir je gemacht haben. Komm, stimmen wir an: Beide singen: „Komm mit nach Sarrazin, so lange noch die Gene blüh’n, Dort woll’n wir glücklich sein, wir beide ganz allein!“
Menasse: Normalerweise würde ich jetzt den Ober rufen, aber was tue ich im Theater, um dich endlich loszuwerden? Ah ich weiß schon: Technik – Blackout.
* dajgezzen: sich auf hohem Niveau Sorgen machen; chochmezzen: alles so verkomplizieren, dass niemand – einschließlich seiner selbst – sich mehr auskennt.