Starkoch Tom Franz: Wie aus dem katholischen Thomas ein jüdisch-orthodoxer Tom wurde und warum der gebürtige Deutsche in Israel koscheres Essen attraktiv machen will.
Die Geschichte von Tom Franz beginnt in einer Kleinstadt bei Köln. Damals hieß er noch Thomas, mit neun ging er zur Kommunion, mit 15 trank er erstmals Alkohol. Er studierte Jus, arbeitete in einer großen Wirtschaftskanzlei, lebte exzessiv, rauchte, lernte Frauen kennen, vergaß sie schnell wieder. Die einzige Konstante, erinnert er sich später, sei immer das Kochen gewesen.
Kurz nach seinem 30. Geburtstag stand für ihn fest: Er wollte nach Israel auswandern. Und konvertieren. Er zog nach Tel Aviv, lernte Hebräisch, statt ins Nachtleben stürzte er sich in die jüdische Glaubenslehre, ließ sich beschneiden, lernte orthodoxe Regeln, jüdische Feiertage und wie man koscher kocht. Bei der ersten Prüfung vor dem Rabbinat fiel er durch, erst beim zweiten Mal klappte es. Dass er danach „am Rande zur Orthodoxie“ leben würde, sei von Anfang an klar gewesen.
Aus dem katholisch sozialisierten Thomas wurde der modern-orthodoxe Jude Tom, der Kippa und den Tallit Katan mit Zizijot (Untergewand mit Quasten, die gläubige Juden an die Einhaltung der Gebote erinnern) trägt und mit seiner Familie – seiner Frau Dana und vier Kindern – Schabbat feiert. Von Freitagabend, wenn die Sonne untergeht, bis Samstagabend, wenn drei Sterne zu sehen sind, wird im Hause Franz nicht gearbeitet. Elektrische bzw. elektronische Geräte zu benutzen ist tabu, das gilt für Smartphones ebenso wie für Lichtschalter und Autos. Wenn er es schafft, geht er dreimal am Tag in die Synagoge. Seine Frau kleidet sich seit der Hochzeit in religiöse Tracht – Kopftuch, knielange Röcke, schwarze Schuhe. Im Alltag spricht Familie Franz Hebräisch, die Kinder werden modern-orthodox erzogen.
In seiner neuen Heimat Israel ist der gebürtige Kölner ein Star: 2013 gewann er die israelische Kochsendung Masterchef. Als erster Ausländer überhaupt – und als erster mit koscherem Essen. „Er ist auf eine Weise genau, wie es nur ein Deutscher sein kann“, urteilte einer der Juroren, „Plötzlich ist Deutsch etwas Gutes, und das ist bei der Geschichte unserer beiden Völker wirklich etwas Besonderes.“
Franz, der mehrere deutschsprachige Kochbücher verfasst hat, Kochkurse gibt und für Events kocht, will koscheres Essen, das vielen in Israel als „schnöde Hausmannskost“ gilt, attraktiv machen. Dafür mischt er deutsche und israelische Gerichte, etwa Kartoffelpuffer (Reibekuchen) mit eingekochten roten Rüben oder einen israelisch-rheinischen Sauerbraten mit getrockneten Feigen und Pilaw. „In Israel“, so Franz, „stehe ich für die Genauigkeit der europäischen Küche, in Deutschland für die Vielfalt der israelischen und der koscheren, die sind nicht identisch.“ Seine Rezepte seien vom Aufbau her koscher, wenn man sie mit koscheren Produkten in einer koscheren Küche nachkoche: „In einer unkoscheren Küche kocht man mit ihnen zumindest schon mal koscher light oder koscher style. Die koschere Küche kennt mehr vegetarische und vegane Gerichte, man isst bewusster. Seit ich koscher koche, esse ich bewusster allein deswegen besser, weil sich meine Kochkünste entwickelt haben. Koscheres Essen stärkt außerdem das Familienleben, weil man viel öfter zu Hause isst. Es ist wirklich schwierig, auswärts zu essen, einem fremden Koch zu vertrauen, auch wenn man gesagt bekommt, dass der Rabbi alle sechs Monate die Küche kontrolliert.“
Schon vor der Konversion hatte sich Tom Franz zu einer jüdischen Lebensweise entschieden, auch in der Küche: kein Schweinefleisch, keine Meeresfrüchte, keine fleischigen Speisen mit milchiger Sauce. Das Judentum, wie Franz es lebt, hat viele Vorschriften, auch beim Essen. Eingeschränkt fühlt er sich nicht. Koscheres Kochen ist für ihn eine spirituelle Handlung, die Küche „ein Gotteshaus“.