Auf die höfliche Anfrage, mit einem Vertreter von B&H bezüglich eines Artikels in einer österreichisch-jüdischen Zeitschrift sprechen zu dürfen, kam eine ebenso höfliche, aber dedizierte Absage: „Thank you for your interest in B&H Photo. We are flattered you’d think of us … we must decline.“ Shofar so good! Aber kein Grund, keinen Artikel über das New Yorker Geschäft B&H zu schreiben.
Von Peter Weinberger
B&H scheint bekannt dafür zu sein, Pressekontakte jenseits von Verkaufsinteressen zu meiden. Es gibt zwar ein von der Homepage von B&H abrufbares Video über das Geschäft auf der 9th Avenue, aber kaum Photos aus dem Inneren. Zumindest nicht solche, die „offiziell“ Public Relations dienen würden. Übertriebene Öffentlichkeitsscheu ist nicht angebracht, denn das Internet ist voll mit Beiträgen, die vielleicht nicht alle den Vorstellungen von B&H entsprechen, jedoch B&H eindeutig als eine jüdisch geprägte Firma erscheinen lassen.
Die Fakten
B&H ist eines der weltweit größten nicht einer Kette angehörenden Geschäfte für jede Art von Bildtechnologie (Kameras, Videokameras, auch Profiausrüstungen) sowie Computer Hardware (Desktops, Laptops, Drucker, etc.) – mit einer unglaublichen Zahl von zumindest 5.000 Kunden pro Tag. Zusätzlich zum Geschäft auf der 9th Avenue gibt es noch ein (riesiges) Lagerhaus in Williamsburg, in Brooklyn. Die Verkaufsfläche des Geschäfts in der 34th Street hat infolge von Erweiterungen bereits 6.500 m2 erreicht; B&H beschäftigt Betritt man das Geschäft, dann drängen sich sofort drei Eindrücke auf: Erstens die weit ausgedehnte Geschäftsfläche und die enorme Zahl der anwesenden Kunden, zweitens orthodoxe Juden als Verkäufer, Betreuer oder Lagerarbeiter und drittens die an der Decke montierten Laufbänder und Rutschen, auf denen schnellstens die bestellten Waren in Plastikkörben aus dem Lager beim Kunden einlangen. Weniger imponierend ist der Kassenbereich, auch, weil das dort am meisten gebrauchte Wort next nicht gerade mit Freundlichkeit verbunden ist. Immer wieder dreht man sich um, um staunend den herumschwirrenden Vollbärten in schwarzem Gilet und schwarzer Hose beim emsigen Hantieren zuzusehen.
Dem obligaten „Wir über uns“ auf der Homepage von B&H lassen sich leider keinerlei Hinweise auf den Anteil orthodoxer Juden unter den Angestellten von B&H entnehmen. Fast wie bei einer großen Versandkette wird bloß darauf hingewiesen, dass B&H einer der größten „retail shops“ für Kameras ist und sich permanent um Kundenzufriedenheit bei Direktverkäufen und im Internetgeschäft bemüht.
Ynetnews ist da schon etwas direkter< mit seiner Qualifizierung von B&H, nämlich als ein „Hassidim-run top camera shop“. Und berichtet unter anderem, dass ein Angestellter auf die Frage, wie denn das Geschäft gehe, mit „Baruch Hashem“ (sinngemäß: Gesegnet sei G´tt) geantwortet habe – eine Aussage, die von manchen sogar als die Erklärung für den Geschäftsnamen B&H gehalten wird. Gelegentlich wird B&H übrigens etwas boshaft auch mit „beards and hats“ assoziiert.
Weniger witzig und kaum schmeichelhaft sind dagegen Berichte über die angebliche Diskriminierung von Frauen in der Beschäftigungspolitik von B&H und über eine außergerichtliche Einigung bzgl. einer Diskriminierung von hispano-amerikanischen Lagerarbeitern, die B&H immerhin 4 Mio. $ gekostet hat. Infolge der Vorgeschichte mit den Hispanics drohen nunmehr eine Strafe von insgesamt 19 Mio. $ und Zwangsmaßnahmen zur Verhinderung weiterer Diskriminierungen.
Die Eigentümerverhältnisse von B&H
B&H wurde vor etwa 40 Jahren von Herman Schreiber und seiner Frau Blimie (daher der Name B&H) als kleines Geschäft für Photofilme in der New Yorker Lower East Side gegründet. Das Geschäft ging gut, und so übersiedelte B&H in den 1970er- Jahren zunächst in die 17th Street und danach 1997 in das Gebäude in der 34th Street/Ecke 9th Avenue, in dem 2007 die Verkaufsfläche um einen zweiten Stock erweitert wurde.
B&H steht nach wie vor im Eigentum von Herman Schreiber, einem Satmar-Chassiden, über den eine Bekannte in der New York Sun schwärmerisch nur das Beste zu berichten weiß: „Herman Schreiber hasst Publizität und Ruhm … Er ist ein Multimillionär, der ein einfacheres Leben führt als die meisten Mittelklasse- Amerikaner. Er besitzt weder ein Auto, noch hat er einen Chauffeur, er fährt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, fliegt in der Economy Class und bestellt sich stets nur das allerbilligste Essen … Die Frage stellt sich also, wohin geht das 700-Millionen-Dollar- Geschäft? Die Antwort ist: ‚Wohltätigkeit, das ist das, wofür Geld gut ist.‘ Sagt Herman Schreiber.“
Die Satmar-Chassidim
Die Satmar-Chassidim sind eine ultraorthodoxe Bewegung, die von Rabbi Moshe Teitelbaum (1759–1841), dem Rabbi von Sátoraljaújhely (deutsch: Neustadt am Zeltberg, im Nordosten des heutigen Ungarn gelegen), gegründet wurde. Seine Nachkommen führten die jüdischen Gemeinden von Máramarossziget (heute Sighetu Marmaţiei, Rumänien; jiddisch: Siget) und Szatmárnémeti (heute Satu Mare, Rumänien, nahe der ungarischen Grenze; jiddisch: Satmar) an.
Rabbi Yoel Teitelbaum (1887–1979) leitete die Satmar-chassidische Bewegung während des Holocausts. Nach 1945 emigrierte er zunächst nach Palästina und danach nach New York, wo er in Brooklyn, in Williamsburg, eine Satmar-chassidische Gemeinde initiierte. In den 1970er-Jahren erwarb er Grundbesitz im Staat New York, etwa 70 km nördlich von Manhattan, und gründete dort eine Satmar-chassidische Gemeinde mit dem Namen Kiryas Joel. Selbst heute noch sind die religiösen Führer der Satmar-Chassidim in Williamsburg und Kiryas Joel Nachkommen von Moshe Teitelbaum.
Ähnlich wie andere Haredi-Juden leben die Satmar-Chassidim in isolierten Gemeinden, gänzlich getrennt von der sie umgebenden Gesellschaft, lehnen jegliche Form von Zionismus ab und liegen im permanenten Streit mit anderen chassidischen Gruppen, vorzugsweise mit Chabad Lubawitsch. Die Satmarchassidische Bewegung betrachtet den Staat Israel als eine Blasphemie, da Juden auf die Wiederkehr des Messias zu warten haben.
Kiryas Joel
Im Frühjahr 2011 berichtete die New York Times sarkastisch: „Der allerärmste Ort in den Vereinigten Staaten ist nicht ein verstaubtes texanisches Grenzstädtchen, ein Loch in Appalachia (notorisch verarmtes Grenzgebiet zwischen Alabama, Mississippi und Georgia), ein weit abgelegenes Indianer-Reservat oder ein verkommenes Stadtviertel. Es ist ein Ort ohne Slums. Niemand, der dort wohnt, ist schäbig gekleidet oder leidet an Hunger, Kriminalität kommt praktisch nicht vor.“ Offiziell zumindest gibt es nirgendwo in den USA einen höheren Anteil an verarmter Bevölkerung wie in Kiryas Joel.
Dem neuesten American Community Survey nach fallen etwa 70% der 21.000 Bewohner von Kiryas Joel unter die nationale Armutsgrenze, etwa die Hälfte der Haushalte gibt ein Jahreseinkommen von weniger als 15.000 Dollar an. Die Hälfte aller Einwohner erhält staatliche Essensmarken und andere Sozialleistungen, schreibt die New York Times. Die meisten sprechen nicht Englisch, sondern nur Jiddisch.
Doch Kiryas Joel ist nur auf dem Papier arm: „Es gibt ein gemeindeeigenes koscheres Hühnerschlachthaus, in dem 40.000 Hühner pro Tag (!) von einer Non-Profit-Organisation verarbeitet werden, sowie u.a. eine Bäckerei, die immerhin pro Tag 400 kg Matzes-Mehl produziert und einer der Synagogen gehört. Die Kinder gehen in religiöse Schulen, die Schulbusse und Bücher sind allerdings öffentlich finanziert“, wie man aus dem New York Times-Artikel erfährt. Die öffentliche Schule bekommt hinreichend finanzielle Unterstützung vom Staat New York und aus dem Bundesbudget, da es sich ja um Arme handelt. Es gibt Organisationen für zinsenlose Darlehen, von überall rollen Kinderwägen heran. Das Durchschnittsalter in Kiryas Joel ist übrigens 13,2 Jahre. Es ist sicher nicht falsch anzunehmen, dass ein Teil der kräftigen Wohltätigkeitsunterstützungen von Herman Schreiber nach Kiryas Joel fließt.
Professor Wilhelm Helmreich, Soziologe am New York City College und ein Judaistik-Spezialist, sagte im April 2011 zum Tablet-Magazine The Scroll: „I cannot say as a group that they are cheating the system, but I do think that they have … unorthodox methods of financial support. “
Eine orthodox-jüdische Busgesellschaft sorgt für den täglichen Transport zwischen Kiryas Joel und B&H. Wie viele aus Kiryas Joel in die 34th Street kommen, und wie viele aus Williamsburg, wird wohl ein Geheimnis bleiben, genauso wie – angesichts der erwähnten Armutsrate – die Höhe der Gehälter.
Übrigens: Die angebliche Diskriminierung von weiblichen Angestellten bei B&H lässt sich sehr leicht mit der Stellung von Frauen in ultraorthodoxen Gruppierungen erklären. Ähnliches gilt offensichtlich auch für („farbige“) Nichtjuden, wie Hispanics, denn die Satmar- Gemeinde gibt auch eine Zeitung, Der Yid, heraus – in New York die am meisten gelesene Zeitung in Jiddisch –,in der gelegentlich rassistische Worte wie „shvartze Nigger“ vorkommen, berichtet die Online-Site FailedMessiah.com.
Und was ist B&H jetzt wirklich?
Keine Frage, ein großartiges Geschäft, das die beste Auswahl an Kameras und Computer-Hardware zu den vermutlich günstigsten Preisen, sowohl im Direktverkauf als auch via Internet, gewährleistet. Ein Besuch lohnt sich garantiert. Bessere Konditionen gibt es anderswo kaum.
B&H ist eine New Yorker Institution geworden, so ähnlich wie Katz’s Delicatessen in der Houston Street. Und selbstverständlich ist B&H auch eine jüdische Institution, dafür sorgen schon rein optisch die Satmar-Chassidim unter den Angestellten.
Übrigens, bei Internet-Bestellungen bitte nicht vergessen: „B&H does not process web orders from Friday evening to Saturday evening.“ Warum? Siehe oben!