Von Karl Pfeifer
Soll der Praesident der IKG sich zur Politik dieses Landes aeussern und soll er der einzige sein, der dies tut? Diese Frage beantworten die Mitglieder unserer Gemeinde sehr unterschiedlich. Traditionell denkende Juden berufen sich in der Regel auf die „Spraeche der Vaeter“ und meinen, man solle mit den jeweils Herrschenden maeglichst wenig zu tun haben. Am liebsten wuerden sie sehen, wenn die Kultusgemeinde sich auf religioese Belange beschraenken wuerde.
Zur Oeffentlichkeitsarbeit der IKG
Nach all den furchtbaren Geschehnissen
in Oesterreich in der ersten Haelfte des vorigen Jahrhunderts sieht eine Mehrheit der Mitglieder in der IKG auch eine politische Vertretung und w.nscht, dass diese w.rdevoll und durchdacht agiert. Die besondere Beziehung zum einzigen juedischen Staat auf der Welt, zum Land Israel hindert uns nicht das Land, in dem wir geboren oder aufgewachsen sind zu lieben. Jeremia sagte schon ueber Babylon: „Und suchet das Wohl der Stadt, dahin ich euch weggefuehrt habe, und betet um sie zu dem Ewigen; denn in ihrem Wohle wird euch wohl sein.“ Im Gegensatz zu den Juden, die damals in die Gefangenschaft gefuehrt wurden, leben wir hier aus freien Stuecken und bekennen uns zur Demokratie. Gerade deswegen glauben viele von uns, dass man nicht das Wohl des eigenen Landes vor Augen hat, wenn man inlaendische Kritiker der Regierung als „Vernaderer“ und auslaendische als Erzeuger einer „anti-oesterreichischen Hysterie“ abwertet. Der billige, lautstarke „Patriotismus“ der Boulevardzeitungen kann genau so wenig unsere Sache sein, wie die impliziten oder expliziten rassistischen Toene, die von dort kommen. In Nu hat Gerhard Bronner den IKG-Praesidenten zum Teil ueberzogen kritisiert.
Und doch sollte diese Kritik dem IKG-Praesidenten zu denken geben, denn die ueberwiegende Mehrheit unserer Mitglieder goennt ihm den Auftritt in den Medien, aber es erweckt Unbehagen wenn der Eindruck entsteht, der Auftritt erfolgt um sich selbst in Szene zu setzen und nicht um das allgemeine Wohl zu foerdern. Dr. Muzicant erklaerte bei einem Buergerparlament seine Meinung, ob man mit dieser Regierung verhandeln soll oder nicht, stuendlich zu aendern. Wer aber dies tut, der sollte, bevor er sich oeffentlich zu Wort meldet, doch mit dem Kultusvorstand eine Strategie und eine Taktik ausarbeiten und sich daran halten. Wer sich zu oft und sehr widerspruechlich zu Wort meldet, der wirkt nicht glaubhaft und schadet der Sache, die er vertreten sollte.
Glaubt Dr. Muzicant wirklich ernsthaft dass hunderte Millionen Schilling Defizit der IKG durch eine Einwanderung von Juden nach Oesterreich decken zu koennen? Wird diese Regierung, in der eine Regierungspartei jegliche Einwanderung stoppen will, ihr Programm, in dem zu Migration und Asyl lediglich die „Schaffung von europaeischen Grundlagen zur Vermeidung des Asylmissbrauchs“ sowie eine „klare Bejahung der Genfer Fluechtlingskonvention in der geltenden Form“ und die „Unterstuetzung der Bestrebungen der EU zur Erlangung der Bereiterklaerung von Staaten, eigene Staatsbuerger zurueckzunehmen (Ausstellung von Heimreisezertifikaten)“ erklaert ist, wirklich zustimmen, lediglich fuer Juden eine Ausnahme machen?
Dr. Muzicant schilderte bei einer Pressekonferenz nach den Wahlen im Herbst 1999 Dutzende antisemitische Vorfaelle in Wien. Will er nun mit diesem Vorschlag suggerieren, dass seit dem diese schwarz-blaue Koalition regiert, sich die Lage radikal gebessert hat? Soll am Ende dieser Vorschlag gar nicht ernst gemeint sein und nur der Imagerettung dieser Koalition dienen, wonach ja hier doch alles in bester Ordnung sei, wenn sogar der Praesident der Kultusgemeinde die Einwanderung von Juden fordert?
Ein anderes Problem aber ist die mangelnde Oeffentlichkeitsarbeit der IKG. Zum Beispiel wenn auslaendische Journalist/inn/en, die fuer wichtige Zeitungen eines EU-Landes hier arbeiten und den Praesidenten der IKG um ein Interview beten, wochenlang hingehalten werden, dann ist dies wenig professionell und hilfreich.
Pressekonferenzen koennen Informationen bieten, die der Journalist sonst muehsam sammeln muesste. Aber zu oft sind sie reine Zeitverschwendung, weil der Veranstalter weder Neues noch Interessantes zu erzaehlen hat. Die von der IKG – meist ohne jede aktuelle Notwendigkeit – ad hoc einberufene Pressekonferenzen, zu der dann lediglich ein paar besonders aktive Mitglieder der IKG erscheinen, sind ein Beispiel fuer schlechte Oeffentlichkeitsarbeit.
Wenn eine Tageszeitung eine Serie ankuendigt ueber die Auffindung von Akten ueber die Beraubung der Wiener Juden vor der Deportation und die Nachricht darueber bereits am Abend vor der Pressekonferenz bei den Medien und im Internet landet, dann ist das Medieninteresse im Inland an einer Pressekonferenz der IKG zu diesem Thema sehr beschraenkt. Wer an solch einer Pressekonferenz teilgenommen hat, der weiss, es geht in erster Linie gar nicht darum, die Medien zu informieren, es kommt allein darauf an, in das Mikrofon bzw. die Kamera des ORF ein paar Saetze zu sprechen, aus denen dann einige Sekunden gesendet werden.
Kurz gesagt, man gewinnt den Eindruck, die Oeffentlichkeitsarbeit der IKG haette nur ein Ziel, Dr. Muzicant die Moeglichkeit zu geben, sich in Szene zu setzen.
Als andererseits zur ungefaehr der gleichen Zeit der oberoesterreichische Schotterkaiser Asamer ueber eine moegliche Entschaedigung von Zwangsarbeiter sagte: „Die Juden treiben’s noch soweit, bis sie wieder eine am Deckel kriegen“. Da war aus der Seitenstettengasse keine Reaktion in der Oeffentlichkeit zu vernehmen, obwohl man haette darauf hinweisen muessen, dass die ueberwiegende Mehrheit der ehemaligen Zwangsarbeiter in Oesterreich Nichtjuden sind und diese Erklaerung absolut antisemitisch ist.
Es ist durchaus legitim und wichtig, Missstaende in Oesterreich, insbesondere wenn es um Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit geht, oeffentlich anzuprangern. Doch darf nicht der Eindruck entstehen, dass es dem Praesidenten nur darum zu tun ist, in den elektronischen Medien praesent zu sein und er einerseits zu antisemitischen Angriffen schweigt, um andererseits sich durch widerspruechliche Aussagen ueber wesentliche Interessen der Kultusgemeinde hinwegzusetzen.