Wir wissen um den Preis der Freiheit

Sharren Haskel ©SHARREN HASKEL

Von Danielle Spera

Sharren Haskel: Mir ist wichtig zu betonen: Dieser Krieg ist kein Krieg Netanjahus, es ist ein Krieg des Überlebens von Israel. Der 7. Oktober stellt eine Zäsur dar. Es war kein Terroranschlag der Hamas, er war beauftragt und organisiert vom Iran und stellt den Beginn des Krieges des Iran gegen die westlichen Gesellschaften dar.

NU: Der Iran ist der Drahtzieher hinter allem?
Ja, er hat seine Fänge in Form von Terrororganisationen auf der ganzen Welt aufgestellt. Der Iran finanziert diese Gruppen im Jemen, Libanon, Syrien und dem Irak. Die vom Iran gesteuerte Hisbollah beherrscht nicht nur den Libanon, sie kontrolliert mittlerweile auch den Drogen- und illegalen Waffenhandel in Südamerika. Sie steht damit vor der Haustüre der USA, und ist auch in Kanada sehr aktiv. Der Iran verschweigt sein Ziel nicht. Er strebt die Dominanz des Islam an. Unsere Werte wie Freiheit, Gleichheit, Frauenrechte, Religions-, Meinungs- oder Pressefreiheit sind dem Regime ein Dorn im Aug, darum geht es in diesem Krieg.

Der Zeitpunkt im Oktober 2023 war auch kein Zufall.
Für den Iran war der unmittelbar bevorstehende Friedensvertrag von Saudi-Arabien mit Israel eine große Gefahr. Das ist weder im Sinne des Iran noch Russlands. Anhand dessen, was am 7. Oktober geschehen ist, kann man sich vorstellen, was hier an monströser Barbarei vor uns steht. Mich hat besonders das Schicksal einer Mutter von kleinen Zwillingen berührt, da ich auch Zwillinge habe. Die Hamas Anhänger haben ihr vor den beiden Kleinkindern in den Kopf geschossen, die beiden Kleinen haben 12 Stunden lang weinend neben der toten Mutter ausharren müssen. Die Kinder haben furchtbar geweint, jeder, der zu Hilfe kommen wollte, wurde erschossen. Was hier passiert ist, kann jederzeit auf der ganzen Welt geschehen, der radikale Islam steht bereits Gewehr bei Fuß.

Die Hamas ist nicht nur eine Terrororganisation, sondern auch eine politische Kraft.
Wir können daher nicht nur militärisch durchgreifen, sondern wir müssen die Gesellschaft in Gaza neu aufstellen. Hier muss auch die UNWRA erwähnt werden, die der Hamas die Grundlagen für ihre zivile Macht liefert, zur Erziehung zum Hass gegen Jüdinnen und Juden. Die UNWRA ist keine Flüchtlingsorganisation wie die UNHCR, sie ist eine Organisation, die Menschen über Generationen im Flüchtlingsstatus hält. Wieso gibt es keine Palästinenserregierung, die selbst auf die eigenen Menschen schaut, das Gemeinschaftsleben organisiert, die Bildung, Gesundheit, organsiert? Das alles liegt seit 1949 in den Händen der UNWRA. In Gaza hat die Hamas die UNWRA mehr oder weniger übernommen. Es ist auch evident, das UNWRA Mitarbeiter nicht nur am 7. Oktober beteiligt waren, sondern auch die Infrastruktur für Terror zur Verfügung stellen.

Wie lässt sich das lösen?
Es ist essenziell, dass keine Hilfsgelder in den Terror fließen. Es gibt genug Beweise dafür, wie eng die UNWRA mit der Hamas verbunden ist. Wenn wir einen zweiten 7. Oktober verhindern wollen, dann kann das nicht nur militärisch gelöst werden, sondern in der Umstrukturierung der Gesellschaft, vor allem im Bereich der Bildung. Es kann nicht sein, dass die palästinensischen Kinder mit Antisemitismus indoktriniert werden, wie es seit Jahren der Fall ist. Vor allem durch die Schulbücher der UNWRA. Es wird darin gezeigt, dass und wie man Juden umbringen soll. Das wird von Ihrem Geld bezahlt, auch österreichischem Geld. Das Bildungssystem muss geändert werden, so dass es mit jenem der internationalen Gemeinschaft kongruent ist. Toleranz, Frieden Koexistenz, Frauenrechte, für eine Bildung in diese Richtung muss das Geld ausgegeben werden.

So konnte über Jahrzehnte die junge Generation beeinflusst werden.
Wir haben das übrigens auch als einen wichtigen Pfeiler der Abraham Accords eingebracht. Wir haben mit den beteiligten Ländern eine Änderung der Bildung vereinbart, die nicht mehr Antisemitismus verbreiten darf. Eine Bildung, die Brücken der Verständigung baut und nicht Hass sät. Wir sagen den Palästinensern jetzt nicht, übernehmt das israelische Bildungssystem, sondern übernehmt das Bildungssystem der Emirate oder Marokkos, also jener Staaten, die Frieden mit Israel geschlossen haben.

Das ist jedenfalls ein langfristiges Projekt.
Neben der Bildung ist eine Übersicht über die Ziele der Hilfsgelder notwendig, damit sie nicht zur Finanzierung von Waffen dienen oder im Korruptionssumpf landen. Vermutlich müsste daher die Verwaltung der Gelder von ausländischen Managern, die Erfahrung mit humanitärer Hilfe haben, übernommen werden, z. B. aus Österreich oder Deutschland. Und letztendlich müsste es eine Art Aufsichtsrat der großen Finanziers geben, der entscheidet, wie das Geld eingesetzt wird. Es wäre wichtig, die Palästinenser dahin zu geleiten, dass sie sich selbst versorgen können. Das war ja z.B. in Gaza möglich, bevor die Hamas 2006 das Land übernommen hatte. Dann wird es hoffentlich einmal eine palästinensische Führung geben, die für ihre eigene Bevölkerung selbst sorgen kann. Das ist die Zukunft, die wir uns als Israelis erhoffen.

Allerdings ist kaum anzunehmen, dass die UNO hier hilfreich sein könnte?
Ich setze keine Hoffnungen mehr in die UNO. Bedauerlicherweise ist die UNO eine heuchlerische Organisation geworden. Wenn der Iran bei Sitzungen über Menschenrechtsverletzungen den Vorsitz führt, oder Staaten über Frauenrechte Entscheidungen in den UNO-Gremien treffen, in denen Frauen wie Sklavinnen behandelt werden, dann ist das grotesk.

Israel ist derzeit international isoliert.
Israel wird sehr allein gelassen. Wir können uns bisher gut verteidigen, aber auch nur weil wir die besten Köpfe der Welt dafür haben und Milliarden investieren. Wir sind natürlich besorgt über die Situation weltweit, aber in erster Linie müssen wir uns derzeit selbst verteidigen, das tut niemand für uns. So sehr wir uns internationale Hilfe wünschen. Das Gegenteil ist der Fall: die öffentliche Meinung ist gegen Israel. Die Medien, die sozialen Medien, Al Jazeera – der Medienkanal der Moslembrüder -, sie verbreiten Verschwörungstheorien und indoktrinieren eine ganze Generation.

Noch am 7. Oktober wurde bereits eine Täter-Opfer Umkehr vorgenommen. Die Palästinenser wurden unmittelbar nach dem Massaker als Opfer dargestellt.
Hier gab es eine lange Vorbereitung. Schon vor Jahren ist in Washington bei einer Hausdurchsuchung ein Grundsatzpapier aufgetaucht, mit einer Strategie wie man die westliche Zivilisation auch über die Medien infiltriert. Leider hat man aus diesem Papier nicht die richtigen Schlüsse gezogen, jetzt sehen wir das Resultat. Zuerst sind Jüdinnen und Juden das Ziel und dann alle anderen. Den Menschen ist nicht bewusst, was hier läuft. Auch an den Universitäten wurde das von langer Hand vorbereitet.

Wie beurteilen Sie die innenpolitische Situation?
Netanyahu wird nach dem Krieg zurücktreten müssen. Ich kämpfe seit Jahren dafür, gemeinsam mit Gideon Saar (Ex-Likud Minister und Gegenspieler von Netanyahu, jetzt Vorsitzender der Partei Neue Hoffnung). Netanjahu zieht den Krieg in die Länge. Israel ist eine Demokratie, hier entscheidet das Volk in einer Wahl. Allerdings würde Netanjahu derzeit gewinnen.

Zurück zur Isolation Israels. Österreich steht als eines der wenigen Länder zu Israel.
Wir sind so dankbar für die Unterstützung aus Österreich und auch aus Deutschland. Meine Großeltern hätten es nie für möglich gehalten, dass aus diesen beiden Ländern eine solche Solidarität kommen kann. Meine Familie kam aus Marokko nach Frankreich, wo es seit Jahrzehnten Antisemitismus gibt. Mein erstes Erlebnis hatte ich mit fünf Jahren, wo ich als Jüdin schikaniert wurde. Seit dem 7. Oktober ist das explodiert. Meine Großmutter, 88 Jahre alt, lebt in der Nähe von Paris. Vor wenigen Wochen wurde sie von zwei muslimischen Jugendlichen zuerst als dreckige Jüdin beschimpft, dann geschlagen und auf den Boden geworfen. Sie verlor einen Zahn und wurde verletzt. Die beiden Angreifer sind entwischt, nach ihnen wird gesucht. Sie hatte noch Glück, denn es gab in den vergangenen Monaten auch immer wieder Morde an Jüdinnen und Juden. Die Situation in Frankreich ist brandgefährlich, denn die Polizei fürchtet sich in manche Viertel zu gehen. Es ist schrecklich, dass Jüdinnen und Juden jetzt ihre Identität verbergen müssen.

Sie haben drei kleine Kinder, wie geben Sie ihnen Hoffnung?
Ich versuche sie abzuschotten. Das geht noch, da sie erst zwei und drei Jahre alt sind. Ich bin jedenfalls jetzt immer bewaffnet und schlafe mit der Waffe unter meinem Polster. Jedes Geräusch weckt mich auf und ich laufe zu meinen Kindern. Sie werden in dieser Realität aufwachsen. Der Unterschied zu allen anderen Gesellschaften in der westlichen Welt ist: wir hier in Israel wissen wie hoch der Preis der Freiheit und all unserer Werte ist. Wir wissen, was es heißt, diese Freiheiten täglich verteidigen zu müssen. In anderen Ländern haben das frühere Generationen getan, sie haben für freie Wahlen, für Frauenrechte kämpfen müssen. Heute bekommen sie das alles auf dem Silbertablett serviert. Daher ist es vielleicht schwierig zu verstehen, dass das alles nicht selbstverständlich ist. Ich werde meine Kinder auf das allerbeste darauf vorbereiten.


Sharren Heskel, Jahrgang 1984, hat marokkanische und israelische Wurzeln. Geboren in Kanada absolvierte sie als eine der ersten Frauen ihren Militärdienst im israelischen Grenzschutz, übersiedelte danach nach Australien, studierte dort Veterinärmedizin und kehrte danach nach Israel zurück. 2015 wurde sie Abgeordnete des Likud, nach ihrem Austritt sitzt sie als Abgeordnete der Partei Neue Hoffnung im israelischen Parlament.

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