Von Helene Maimann
Man kann verschiedener Meinung sein über Graupensuppe, Tscholent, mit Buchweizen-Grütze gefüllte Kohlrouladen, Lokschen-Kigl, gebackene Teigfleckerl mit Gänsegrammeln … Das ist nicht jedermanns Sache. Ja, aber mein Appetit ist groß, und ich fahre fort mit den Attraktionen der osteuropäischen jüdischen Küche: Gefilte Fisch mit Chrejn, Sülze von Kalbsfüßen mit Hühnerleber, Rettich mit Zwiebeln, Blintzes, Kreplach, Knisches. Hälsel, mit Mazzemehl, Zwiebeln, Eiern und Schmalz gefüllter und gebratener Hühner- oder Gänsehals, dazu Zimmes von Pastinaken. Heiße Pastramisandwiches mit Salzgurken wie bei „Schlotzky’s“ in New York. Und zum Kaffee Schokoladen- Babke. Weich und üppig und einfach köstlich.
Man merkt, es wird Winter, draußen hängen die feuchten Nebel und ich fange an, den schweren Genüssen anheimzufallen. Wir träumen jetzt von Gerichten, die Körper und Seele wärmen, von kräftigen Suppen, sulzigen Vorspeisen, dampfheißen Nudeln, knusprigen Aufläufen und würzigen Saucen mit nussbraun gebratenen Zwiebeln darin. Wir verlieren uns im Gekochten, Geschmorten, Gebackenen. Ein feines Gurkenband und ein wenig scharfer Rettich dazu genügt als Grünzeug. Gemüse essen wir jetzt am liebsten, wenn es eingemacht, gebröselt oder als Fülle in den diversen Tascherln daherkommt.
Ein Gemüse kommt jetzt ganz groß heraus, was sage ich: Gemüse. Kartoffeln sind kein Gemüse mehr, wenn sie sich in Latkes, Chremslach oder Kigl verwandeln. Latkes (Kartoffelpuffer oder Platzerln, wie sie bei uns zu Haus hießen) sind vielleicht das Jahr über eine simple Beilage. Zu Chanukka spielen sie die Hauptrolle und werden in wahren Fressmarathons mit Sauerrahm oder Apfelmus heiß von der Pfanne weg gegessen. Was das mit Chanukka zu tun hat? Das Öl, in dem sie herausgebraten werden! Also: etwa ein Kilo mehlige Kartoffeln mit einer Zwiebel nicht zu fein reiben (Küchenmaschine!), in ein Geschirrtuch packen, fest ausdrücken, mit einem Ei, einem kleinen Glas Mazzemehl, Pfeffer und Salz vermischen und jeweils einen Esslöffel Masse in heißem Öl etwa 5 Minuten auf jeder Seite braten. Das klingt banal, ist es aber nicht. Man muss etwas üben, um die richtige Mischung hinzukriegen. Und dann heißt es am Herd stehen und für Nachschub sorgen, weil sie nur frisch richtig gut schmecken.
Den Latkes verwandt sind die Chremslach, bei denen große Kartoffeln geschält, gekocht, zerstampft und mit etwas Margarine, steif geschlagenem Eiweiß (eines pro Kartoffel), Salz und Pfeffer zu einer lockeren Masse verarbeitet und wie die Latkes portionsweise herausgebraten werden. Zu einer wahren Delikatesse schwingt sich die Kartoffel in Form des Kigl auf. Heiß zu Zwiebelrostbraten oder einer gefüllten Gans gegessen, hält der Kartoffelkigl mühelos jeden Vergleich mit den französischen Gratins aus. Das hier angegebene Rezept habe ich von meiner Freundin Judith, aber Sie wissen ja: Auf die Diskussion über die wahrhaft perfekten Latkes oder Kigl lässt man sich besser nicht ein. Schöne Feiertage, was immer Sie feiern – Chanukka, Weihnachten oder Weihnukka – zum festlichen Braten passt ein Kigl immer!
Judiths Kartoffelkigl
2 ½ kg mehlige Kartoffeln schälen, gut waschen, in Viertel schneiden. Mit der Reibenscheibe des Mixers eher grob als fein raspeln.
Zu den geriebenen Kartoffeln kommen: 4 Eier, 1/8 l heißes Öl (Achtung, kann spritzen!), weißer Pfeffer und eineinhalb EL Salz. Gut mischen. Die Masse in eine eingefettete, am besten längliche Form füllen und drei Stunden im Rohr bei 220 Grad backen. Über Nacht auskühlen lassen, dann stürzen, aufschneiden, vorsichtig in die Form zurücklegen und vor dem Servieren nochmals im Rohr heiß werden lassen.