Frauen werden zunehmend von gesellschaftlichen und politischen Anlässen ausgeschlossen und aus Fotos in Publikationen wegretuschiert.
VON JAQUI LICHT, TEL AVIV
ÜBERSETZUNG: KITTY WEINBERGER
Kim Kardashian hat kürzlich gemeinsam mit ihrem Mann Kanye West und ihrer Tochter North Israel besucht. Der Zweck des Besuches war die Taufe ihres Babys in der St.-James-Kathedrale, einer armenischen Kirche in der Altstadt von Jerusalem. Alles schön und gut, aber dann nahm sich die Zeitschrift Kikar HaShabbat, ein Organ der ultraorthodoxen Charedi-Bewegung, dieses Besuches an. Warum? Weil sich die Kardashians mit dem Jerusalemer Bürgermeister, Nir Barkat, in einem nicht-koscheren Restaurant zum Mittagessen trafen. Gewalt! Aber um anständig zu bleiben, hat die Zeitung Kim Kardashian aus dem Originalfoto wegretuschiert.
Ein anderer Vorfall, der kürzlich passierte, hing mit der Solidaritätsdemonstration nach dem Charlie Hebdo– Massaker zusammen. Die ganze Welt sah ihre Staatschefs untergehakt durch Paris marschieren. Die ganze Welt mit Ausnahme der Leser der ultraorthodoxen Zeitschrift Hamevaser, die Angela Merkel wegretuschierte, um die Sittsamkeit ihrer Leserschaft zu schützen.
In Israel funktioniert die Geschlechtergleichheit recht gut – nicht perfekt, aber es wird stetig besser. Frauen dienen in der Armee, auch bei der kämpfenden Truppe, und bei den jüngsten Wahlen stieg die Zahl der weiblichen Knesset-Abgeordneten auf 29 (von insgesamt 120). Doch mit der steigenden Zahl an Charedim (derzeit rund zehn Prozent der Bevölkerung) und ihrem zunehmenden Einfluss in öffentlichen Angelegenheiten werden Frauen mehr und mehr von gesellschaftlichen Angelegenheiten ausgeschlossen. Zum Beispiel wurde Soldatinnen schon mehrmals verboten, bei öffentlichen Versammlungen zu singen, da es nicht erlaubt ist, Frauenstimmen singen zu hören. Vor ein paar Wochen wurde eine Offizierin daran gehindert, in der Kantine zu Mittag zu essen, weil dort ein Charedi-Bataillon speiste.
In Städten mit einem großen Anteil an Charedim, wie Jerusalem, Bnei Brak und Beit Shemesh hat deren Streben nach Züchtigkeit dazu geführt, dass Frauen von Plakaten verschwunden sind. Die Egged-Busgesellschaft in Jerusalem hat die Medienunternehmen ersucht, andere Sujets zu produzieren oder Frauenabbildungen von Plakaten zu entfernen, da man Vandalismusakte gegen Busse oder Stationen befürchtet.
Firmen, die sich nicht an die Standards der Ultraorthodoxen halten, werden oft Opfer gezielter Aktionen. In ganz Jerusalem sind Darstellungen von Frauen auf Plakaten geschwärzt, übersprüht oder mit Graffiti beschmiert worden, da die Bilder „illegal“ seien. Oder die Plakate wurden einfach heruntergerissen.
Minderheiten und Frauen sind in Israel gut geschützt, und es gab eine Reihe von Prozessen um das Recht von Frauen, auf Plakaten abgebildet zu sein. Die Frauen haben jeden Prozess gewonnen, und kurzfristig waren auf Plakaten in Jerusalem wieder Frauen zu sehen, aber angesichts des Verschwindens von Kim Kardashian scheint der Sieg nur von kurzer Dauer zu sein.