Untersuchungen zur Demografie der US-amerikanischen Jüdinnen und Juden sprechen eine klare Sprache: Sie sind überwiegend liberal und Unterstützer der Demokraten, leben überwiegend im Nordosten des Landes und haben einen überdurchschnittlichen Bildungsgrad. Mehr als die Hälfte fühlt sich mit Israel verbunden, hat aber nie israelischen Boden betreten.
VON MARTIN ENGELBERG
Ira M. Sheskin, der an der Miami University am Department of Geography and Sustainable Development forscht und lehrt, gilt als einer der führenden Demografen der amerikanisch-jüdischen Community. Das von ihm herausgegebene American Jewish Year Book erhebt jährlich den Zustand der amerikanisch-jüdischen Gemeinden. Weil es in den USA kein zentrales Melderegister bzw. Erhebung der Religionszugehörigkeiten gibt, existieren mehrere Untersuchungen zur Demografie der US-amerikanischen Juden mit unterschiedlichen Zugängen.
Die Studien des Pew Research Center (siehe S. 25) gelten dabei als der „Goldstandard“ zum Thema Religion, Ethnizität und Politik. Pew hat zuletzt 2019/2020 mit der Auswertung von zehntausenden Fragebogen den Status des amerikanischen Judentums erhoben. Obwohl andere Institutionen (Brandeis University, American Jewish Year Book), die solche Erhebungen durchführen, ganz andere Methoden der Untersuchung verwenden, stimmen die Resultate weitgehend überein:
- Im Jahr 2020 lebten ca. 7,5 Millionen Juden in den USA, gegenüber ca. 6 Millionen im Jahr 1970.
- Im Vergleich dazu leben in Israel ca. 6,8 Millionen Juden, in Frankreich 450.000, in Kanada 390.000, in Großbritannien 290.000 und weltweit 16.600.000 Juden. In Österreich wird die Zahl der Juden auf etwa 15.000 geschätzt.
- Die Zahl der Juden in den USA steigt in absoluten Zahlen (siehe Chart), aber parallel zur Gesamtbevölkerung in den USA, sodass der Prozentsatz ziemlich gleich bleibt.
- Der Prozentsatz von Juden an der Gesamtbevölkerung der USA (ca. 330 Millionen) beträgt ca. 2,4% gegenüber ca. 2,2% im Jahr 2013.
- Juden in den USA sind weniger religiös als Amerikaner insgesamt.
- Rund 12% der Juden besuchen wöchentlich einen Gottesdienst, gegenüber 27% der Gesamtbevölkerung.
- Für nur 21% der Juden ist Religion „sehr wichtig“, gegenüber 41% der Gesamtbevölkerung.
- Bezüglich der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Zweig des Judentums fühlen sich 36% als „einfach nur jüdisch“, jeweils 37% dem Reformjudentum, 17% der Conservative-Strömung 9% der Orthodoxie zugehörig.
- Jüngere Juden identifizieren sich zu einem höheren Prozentsatz als orthodox als ältere Juden. Gleichzeitig ist der Anteil an jungen Juden, die sich keinem Zweig des Judentums zugehörig fühlen, höher als bei älteren Juden.
- Zirka 42% der Juden haben nicht-jüdische Partner/innen, wobei die Zahlen in den Subgruppen sehr stark differieren. Während unter orthodoxen Juden nur 2% nicht-jüdische Partner/innen haben, sind es beim Rest fast 50%.
Die Zahl von Mischehen steigt in den letzten Jahren stark an. Jüdinnen und Juden, die seit 2010 geheiratet haben, sind die Ehe zu 61% mit nicht-jüdischen Partner/innen eingegangen, gegenüber nur 18% der Brautleute, die vor 1980 heirateten.
- Für ihr Judentum als essenziell bezeichnen sie:
- Erinnerung an den Holocaust (76%)
- Leben eines ethischen und moralischen Lebens (72%)
- Einsatz für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung (59%)
- Intellektuell interessiert sein (59%)
- Fortsetzung von Familientraditionen (51%)
- Sich um Israel kümmern (45%)
- Einen guten Humor haben (34%)
- Teil einer jüdischen Gemeinde sein (33%)
- Traditionelles jüdisches Essen (20%)
- Jüdische Gesetze befolgen (15%)
- 75% der amerikanischen Juden denken, dass es heute mehr Antisemitismus in den USA gibt als vor fünf Jahren. Über 50% fühlen sich als Juden unsicherer als vor fünf Jahren.
- Jüdische Amerikaner insgesamt sind zu 71% (versus 52% in der Gesamtbevölkerung) politisch liberal und standfeste Unterstützer der Demokratischen Partei. Aber Orthodoxe sind inzwischen eine bemerkenswerte Ausnahme: 75% von ihnen tendieren zu den Republikanern.
- 58% der amerikanischen Juden fühlen sich „sehr“ oder „einigermaßen“ mit Israel verbunden, aber 54% haben Israel noch nie besucht.
- Der Großteil der Juden (38%) leben im Nordosten der USA (gegenüber 17% der Gesamtbevölkerung).
- Das Durchschnittsalter der jüdischen Community ist mit 49 Jahren höher als in der Gesamtbevölkerung (46 Jahre).
- Das Bildungsniveau der Juden in den USA ist deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung:
- 58% haben einen College- oder Universitätsabschluss (gegenüber 29% der Gesamtbevölkerung).
- 20% der Juden (versus 40%) haben lediglich einen High-School-Abschluss oder weniger.