Ronni Sinai und Nathan Spasić diskutieren unmissverständlich verständnisvoll diverse Missverständnisse über und unter Juden.
Ronni: Nu, wie schmeckt dir der Kuchen hier im Jüdischen Museum?
Nathan: Ausgezeichnet, aber wie schmeckt er dir? Gläubig wie du bist, hat das sicher ein Nachspiel für dich, denn koscher ist er nicht …
Ronni: Ich habe dich nicht gefragt, wie der Fisch heißt!
Nathan: Also das 101. Missverständnis?
Ronni: Als wären hundert nicht genug! NU, was sagst du zu der Ausstellung? Bist du jetzt immer noch Antisemit – oder zu einem geworden?
Nathan: Ich muss ehrlich sagen, dass ich so manches an der Ausstellung nicht verstehe. Vor allem die Texte sind oftmals nicht schlüssig – ein einfacher Verweis auf Quellen oder ein QR-Code mit weiterführenden Informationen hätte meiner Ansicht nach gereicht. Nun, mein Antisemitismus ist unverändert inexistent. Wie ging es dir in der Ausstellung?
Ronni: Für mich waren einige Überraschungsmomente dabei, denn ich war bisher auch der Meinung, dass es nur einen Messias gibt. Was soll denn überhaupt die Mehrzahl sein? Messiase? Messäen?
Nathan: Es gibt ja nur einen. Ronni, geht es dir gut?
Ronni: Gerade du hast es notwendig. Nämlich auf die Idee, dass er auch weiblich sein könnte, kam ich nicht. Eine gewisse aus Polen stammende Eva Frank behauptete im 18. Jahrhundert der Messias zu sein und diese Würde von ihrem meschuggen Vater geerbt zu haben, seines Zeichens gleichfalls ein selbsternannter solcher. Was sagt man dazu?
Nathan: Nicht schlecht! Mein Vater hat mir seinen zynischen Humor und eine Adipositasveranlagung vererbt.
Ronni: Beides vermeintlich jüdische Merkmale, frage ich dich?
Nathan: Dann bist du aber ein Goi! Das nächste Missverständnis.
Ronni: Missverständnis Nr. 39: „Auge für Auge, Zahn für Zahn“. Der rachsüchtige Jude. Da könnte ich mir glatt den plattgemachten Hitler als Kaminvorleger vom israelischen Künstler Boaz Arad ins Wohnzimmer legen.
Nathan: Bist du nicht eher der Versöhnungstyp? Du wirkst immer so harmonisch. Missverständnis Nr. 69: „Reiche Jüdinnen und Juden haben weder Geschmack noch Manieren“. Besonders geschmackvoll fände ich so einen Hitlerteppich nicht. Dafür umso mehr dein Erkennungsmerkmal, den Rautenpullover. Ist das jetzt „goût juif“?
Ronni: Und über meine Hose sagst du nichts? „Do these pants make me look Jewish?“, fragt der amerikanische Künstler Cary Leibowitz provokant. Ist sie so altmodisch, dass sie an polnische Juden aus dem Shtetl erinnert oder so fancy, dass sie mich mit einem neureichen jüdischen Bürgertum assoziiert? So ein Schwachsinn aber auch! Aber, etwas ganz anderes: Kennst du eine gefährliche, weil schöne jüdische Frau?
Nathan: Du beziehst dich auf das 72. Missverständnis, wie ich sehe. Ja, einige sogar. So gefährlich, dass ich mich nicht traue, die Namen auszusprechen, geschweige denn, sie im NU auf ewige Zeiten festzuhalten. Mein Bankberater weiß aber, wohin die Schutzgeldzahlungen fließen. Ich meine selbstverständlich meinen Bankberater bei der Rothschildbank. Im Übrigen, welche Brunnen hast du heute vergiftet?
Ronni: Brunnen sind altmodisch. Aber Pessach naht! Ich bereite schon mein Matzes vor, aus Kinderblut, versteht sich.
Nathan: Ist das so? Ich dachte, das wäre ein Missverständnis. Ich meinte dies in der Ausstellung als ein solches erkannt zu haben. Kommen wir lieber zu den schönen Frauen zurück, sprich, dem Missverständnis Nummer 16, alle israelischen Soldatinnen seien Sexikonen.
Ronni: Gefährlich sind sie aber tatsächlich.
Nathan: Wie meinst du das? Hast du einschlägige Erfahrungen?
Ronni: Es gilt die Unschuldsvermutung.
Nathan: Na gut, ich lasse das so stehen. À propos „Zahn für Zahn“, ich muss jetzt zum Zahnarzt. Zahlst du? Mein Portemonnaie, wo ist es? Du, ich muss jetzt echt los. Das nächste Mal geht auf mich!
Ronni: Nathan! Bin ich Rothschild? Ich lasse einfach anschreiben, das kann ich mir als Jude doch erlauben.
Nathan: Nu, Steuern zahlst du ja eh keine.