Immer mehr junge Jüdinnen und Juden greifen bei der Partnerwahl auf entsprechende Dating-Plattformen zurück. Doch welchen Stellenwert hat dabei eigentlich die Religion?
Es wird gechattet, geswipt, geliket, gematcht und gehostet: Dating-Apps versprechen vor allem jungen Menschen das große Glück. Dennoch stellen Tinder und Co. für viele keine angemessene Alternative zum konventionellen Kennenlernen dar, weil sie etwa aus religiösen Gründen nicht auf diesen Seiten auf Partnersuche gehen wollen. Hier richten sich Apps an diese spezielle Zielgruppe. In kleineren jüdischen Gemeinden wie Wien sind JSwipe und Jdate jedoch (noch) nicht sehr beliebt, wie Esther* berichtet: „Ich benutzte JSwipe, aber es hat nicht wirklich etwas gebracht, weil ich die meisten, die ich dort traf, eh schon kannte. Und diejenigen, mit denen ich mich verabreden würde, habe ich vorher schon persönlich kennengelernt.“ In Israel, fügt einer ihrer Freunde hinzu, laufe das viel besser: „Da kenne ich die Leute nicht.“
Dass es bei derartigen Dating-Apps auch die Möglichkeit gibt, die Art der „Jiddischkeit“ anzugeben – etwa „kulturell-jüdisch“, „modern-orthodox“, „traditionell“ – ist für die junge Klientel sicher kein Nachteil. Entsprechend zeigt die App auch nur jene Personen an, die dieselbe Form des Judentums praktizieren oder die über einen potenziellen Beziehungsalltag informiert sind, der sich aus strikt eingehaltenen religiösen Praktiken ergibt. Doch legen junge Menschen, denen ein religiöses Leben wichtig ist, auch Wert auf koscheren Sex?
Am Ball bleiben
„Mir ist es sehr wichtig, dass meine Kinder Juden werden, da ich mich als Teil einer langen Tradition sehe, die ich nicht aufgeben möchte“, so Jakob*. Und weist darauf hin, wie schwierig es sei, eine passende jüdische Partnerin aus Wien zu finden. Leichter ist die Suche mittels verschiedener europäisch- und österreichisch-jüdischer Organisationen und jüdischer Events. So ist es mittlerweile üblich, dass sich vor allem Twens auf internationalen „Shabbatons“ treffen. Das gemeinsam verbrachte Wochenende hat ein klares Ziel: die Partnerfindung. Einige „Shabbatons“, wie der jährlich in Zürich stattfindende „Purim Shabbaton“, haben sich bereits als besonders ergiebig etabliert. Der schon traditionelle zum Wiener Bal Paré zählt zu den größten Events dieser Art in Europa: Etwa 500 Studierende aus aller Welt reisen an, um sich auf dem klassischen Traditionsball und seinen zahlreichen Rahmenveranstaltungen zu vergnügen – und eventuell eine Beziehung anzubahnen.
Der Grund für eine jüdische Partnerschaft selbst für säkular lebende Jüdinnen und Juden sind Kinder. Außer in einigen progressiven Gemeinden wird im Judentum die Religion bekanntlich von der Mutter vererbt. Die Frage nach einem jüdischen Partner sei für Frauen deshalb nicht ganz so relevant, meint etwa Channa*, der die Aufrechterhaltung der Tradition nicht allzu wichtig ist. Auf jungen Männern wie Noah* lastet hingegen ein größerer Druck: „Ich habe es als wichtig erachtet, eine jüdische Partnerin zu finden. Sowohl für mich, als auch, um jüdische Kinder zu bekommen.“ Noah hat sich soeben nach anderthalb Jahren verlobt.
Doch offensichtlich gibt es Diskrepanzen zwischen den Wünschen der jungen Menschen und den Erwartungen ihrer Eltern. So klagt Sofia*, bucharische Jüdin, dass Frauen in der Gemeinde als „Objekt“ behandelt werden würden: Wer wen heiratet, würden die Eltern entscheiden – tatsächlich ist es in vielen Gemeinden üblich, dass junge Menschen verkuppelt werden. In orthodoxen Gemeinden werden Schadchanit oder Schidduch zu Rate gezogen, also professionelle Heiratsvermittler. Sie nehmen die Daten auf, erstellen Profile und arrangieren Treffen. Berühren dürfen die beiden Heiratskandidaten einander nicht – bis zur Hochzeitsnacht.
Der jüdische Heiratsmarkt beziehungsweise jüdische Beziehungen sind sehr vielseitig. Dass bestimmten Formen von Sexualität auch Diskriminierungen nach sich ziehen können, ist vielen sehr wohl bewusst, weshalb oft die kulturelle Gemeinsamkeit in den Vordergrund gerückt wird. Solcherart lässt sich für die meisten Judentum und Liebe erfolgreich vereinen.
*alle Namen von der Red. geändert